Im Frühjahr 1886 wurde die erste Fabrikanlage der Chemischen Fabrik Kern & Sandoz auf dem Areal St. Johann in Basel fertiggestellt. Das Bild entstand um das Jahr 1890.
Dieser Artikel wurde ursprünglich im August 2013 publiziert.
Industrielle Chemie war – sieht man von der Schwefelsäurefabrikation ab – in den Anfängen Farbstoffchemie. Die Synthese des ersten künstlichen Farbstoffs im Jahr 1856 löste in Europa eine Goldgräberstimmung aus: Jeder Farbenspezialist in der Färberei und im Stoffdruck versuchte, ähnliche Substanzen zu entdecken oder wenigstens das Rezept zu erwerben. Bereits 1859 fing der Seidenfärber Alexander Clavel-Oswald in Basel damit an, synthetische Farbstoffe herzustellen. In den 1860er-Jahren begannen weitere Basler Firmen, künstliche Farbstoffe zu produzieren. 1886 nahm die Chemische Fabrik Kern & Sandoz ihren Betrieb im Nordwesten der Stadt auf. Wie die anderen Farbenfabriken war sie noch ausserhalb des damaligen Basler Wohngebiets auf einem rund 11 000 Quadratmeter grossen Grundstück gebaut worden. Nebenan hatten sich bereits die Häutehandlung Gebrüder Bloch & Cie., die chemische Fabrik Durand & Huguenin sowie das städtische Gaswerk angesiedelt. Damals war noch nicht bekannt, dass sich die neue Farbenfabrik und ihre Nachbarn auf einem Terrain befanden, das die Kelten in der Zeit von 150 bis 80 v. Chr. besiedelt hatten. Diese Siedlung wies eine maximale Ausdehnung von 15 Hektar zwischen dem heutigen Voltaplatz und dem Rhein auf. Die Archäologen bargen mehrere hunderttausend Einzelfundstücke, darunter auch Münzen aus Gold und Silber.
Ein sagenhafter Start
Die Fabrik des Chemikers Alfred Kern und des Kaufmanns Edouard Sandoz bestand aus einem Bürogebäude mit einem angebauten Laboratorium, drei zusammenhängenden Shedbau-Produktionslokalen und einem Kesselhaus mit einer Dampfmaschine, die eine Leistung von zwölf Pferdestärken erbrachte. Anders als die Basler Chemiebetriebe der ersten Stunde verzeichnete das neue Unternehmen von Anfang an ein dynamisches Wachstum. Das Fabrikgelände war zehn Jahre nach der Firmengründung auf eine Fläche von über 63 000 Quadratmeter angewachsen. Die noch ungeteerten Arealstrassen waren – laut einem Augenzeugenbericht – bei schönem Wetter staubig und bei Regenwetter fast nicht zu begehen: «Die vielen Fuhrwerke, die täglich Eis, Kohlen und sonstige Lasten brachten, verwandelten die Strassen in Morast. Ohne Holzschuhe wäre man kaum durchgekommen und so lief ungefähr jedermann, der mit dem Betrieb zu tun hatte, das ganze Jahr in Holzschuhen umher.»