Der Novartis Pavillon soll ein Ort des Austauschs und Dialogs werden. Um die Gesprächsthemen wird sich das Pavillon Advisory Board unter der Leitung von Novartis-Forscher Frank Petersen kümmern. Interdisziplinär und divers aufgestellt, soll es neben der Wissenschaft weder Kultur noch Wirtschaft oder andere wichtige Gesellschaftsbereiche ausklammern.
Text von Goran Mijuk, Fotos von Adriano A. Biondo
Im Parterre des Pavillons dürften...
Publiziert am 28/06/2022
Falls es Gene fürs Geschichtenerzählen gibt, so hat Frank Petersen bestimmt eins davon. Der erfahrene Wissenschaftler, der sich während seiner über 30-jährigen Karriere auf die Naturstoffforschung konzentrierte, ist aber kein abgehobener Fabulierer. Seine Kunst besteht darin, die oft trockenen und schwer verständlichen Fakten der Medizin mit Leben zu erfüllen und scheinbar entlegenste wissenschaftliche Themen so aufzubereiten, dass sich fast jeder darin wiederfinden kann.
Ihm zuzuhören, wie er beispielsweise über den Mutterkornpilz spricht und dessen kultur- und medizinhistorische Bedeutung für ein breites Publikum auffächert, das höchstens von LSD als Partydroge gehört hat, ist ein Erlebnis. Dabei kommt weder der Humor zu kurz noch der Intellekt, der nach einem Vortrag von Petersen wie angestachelt danach dürstet, sich tiefer mit der Wissenschaft und ihrer Bedeutung für unseren Alltag auseinanderzusetzen.
«Ich stamme aus einer Ärztefamilie», erklärt Petersen, als ich ihn im Spätsommer auf dem Novartis Campus für ein Gespräch treffe. «Bei uns zuhause war Medizin immer ein Thema, aber nicht nur im wissenschaftlichen Sinn. Medizin und Wissenschaft waren bei uns immer auch mit Kultur gepaart und vor allem mit Geschichte», führt er aus und fügt hinzu: «Meinem Vater und seinen Brüdern zuzuhören, wie sie über die Entdeckung von Therapien sprachen, war für mich, wie einer Abenteuerzählung zuzuhören.»
Auch wenn er schliesslich nicht Medizin, sondern Biologie studierte, in Tübingen unter dem führenden Schweizer Mikrobiologen und Antibiotikaforscher Hans Zähner doktorierte und sich 1991 für den Schritt in die Pharmaindustrie entschied – die Lust am Erzählen verlor er nie. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Artikeln verfasste Petersen auch Bücher und vermittelte sein Wissen an vielen Vorträgen und als Gastdozent an verschiedenen Universitäten weltweit.
Nebst seinem wissenschaftlichen Knowhow waren es vor allem sein breites kulturelles Wissen und seine Vermittlungsfähigkeit, die ihn für die Leitung des Advisory Boards prädestinierten und ihn zum internen Spitzenkandidaten machten. Zusammen mit Chefarchitekt Marco Serra und Pavillon-Kommunikationsleiterin Nelly Riggenbach stellte er nach seiner Wahl eine Gruppe von Wissenschafts-, Kultur- und Wirtschaftsexperten zusammen, welche die Themenfelder, die künftig im Pavillon diskutiert werden, breit abstecken sollen.
...bald angeregte Gespräche stattfinden.
«Für uns war es wichtig, ein Team zu bilden, das so viele gesellschaftliche Aspekte wie möglich abdeckt, damit wir im Pavillon nicht zu abgehoben oder weltfremd agieren, nicht nur die Innensicht von Novartis wiedergeben und weder Tagesaktualitäten noch grosse soziale Trends ausblenden oder einfach verpassen», erklärt Petersen. «Dazu suchten wir Leute aus verschiedensten Gesellschaftsbereichen: aus Kultur, Kommunikation, Wissenschaft und Wirtschaft.»
Neben Botond Roska vom Institut für Molekulare und Klinische Ophthalmologie Basel und Dirk Schübeler vom Friedrich Miescher Institut werden auch die Philosophin Julia Wentzlaff-Eggebert sowie die Innovations- und Managementexpertin Eva Pauline Bossow und Martin Dätwyler von der Handelskammer beider Basel im Board Einsitz nehmen. Zudem gehören Gerd Folkers von der Eidgenössischen Technischen Hochschule, Hortensia von Roda von der Sturzenegger-Stiftung, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, und Marcel Tanner, der ehemalige Leiter des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts, zum Board.
«Mit Novartis verbindet mich viel: Zusammenarbeit und persönliche Freundschaften», erklärte Marcel Tanner, als ich ihn am Rande einer Veranstaltung im Herbst traf, um über seine Motivation für das Engagement beim Novartis Pavillon zu sprechen. «Ich war zum Beispiel dabei, als Novartis 2001 ihr Institut für Tropische Krankheiten in Singapur aufbaute, und habe die Entwicklung des Unternehmens, wie viele Menschen in Basel und in der Schweiz, immer eng beobachtet. So war es für mich einfach, die Einladung anzunehmen.»
Auch für Hortensia von Roda, die über grosse Ausstellungserfahrung verfügt und in der Schweizer Kulturszene gut vernetzt ist, war es rasch klar, dass sie zu diesem interdisziplinären Team gehören und ihre Erfahrung in das Gremium einbringen möchte. «Natürlich ist es heute noch schwierig, abzusehen, wie sich der Pavillon im Gefüge des Basler Kultur- und Ausstellungsbetriebs einfügen wird. Aber er ist bezüglich seines Inhalts und seiner Ausrichtung etwas Einzigartiges, da es hier um die gelebte industrielle Kultur geht, die Gegenstand der Diskussionen sein wird.»
Mitsprache
Dass es im Pavillon nicht um Produktmarketing geht, sondern vor allem um den Dialog mit der Bevölkerung, ist für Petersen ein Muss. Ausserdem soll hier nicht um den heissen Brei geredet werden. «Hier soll es auch Platz für schwierige Themen geben, die man vielleicht in der Vergangenheit lieber nicht öffentlich angesprochen hat», so Petersen. «Heute leben wir in einer Zeit, in der die Gesellschaft von den Unternehmen nicht nur Transparenz und Verantwortungsbewusstsein verlangt, sondern auch Mitsprache und Dialog. Der Pavillon steht für diese Entwicklung.»
Während der Pavillon in Zukunft auch von Novartis-Mitarbeitenden für Veranstaltungen und Diskussionsrunden genutzt wird, will das Advisory Board zunächst vier Veranstaltungen pro Jahr organisieren. Nach der offiziellen Eröffnung werden sich die ersten Veranstaltungen zunächst an den thematischen Eckpfeilern orientieren, die auch in der Ausstellung «Wonders of Medicine» behandelt werden und Themen wie Krankheit, Innovation und die gesellschaftlichen Konsequenzen neuer Technologien wie der Gentherapie beinhalten.
Digitalisierung ist ein Muss.
«Der Pavillon hat zwei wichtige Funktionen», erklärt Riggenbach. «Einerseits wollen wir mit der Ausstellung die Pharmaindustrie als solche dem Publikum näherbringen. Doch dies allein wäre zu wenig. Wir wollen in einen echten Dialog mit den Menschen treten und andere für unsere Arbeit inspirieren. Dazu gehört die Ausstellung im oberen Stock, aber auch der School Hub im Parterre, der Teil unseres ausgeweiteten Schullabors ist, und natürlich die Events, die wir den Bedürfnissen der einzelnen Zielgruppen anpassen werden.»
«Wir hoffen, dass der Pavillon das kulturelle Leben in Basel bereichern wird», führt Riggenbach aus. «Die pharmazeutische Industrie soll nicht nur einfach als bedeutender Wirtschaftssektor und als Arbeitgeber wahrgenommen werden, sondern als wichtiger und lebendiger Teil der Stadt, in der die Zukunft mitgestaltet wird.»
Dies dürfte sich mit der geplanten Öffnung des Campus im Herbst beschleunigen. Denn dann soll das oft als «verbotene Stadt» gescholtene Areal seine Tore öffnen und der Öffentlichkeit zugänglich sein, was die Sicht der Basler auf Novartis verändern dürfte, die das Unternehmen bisher eher als verschlossenen Konzern wahrgenommen haben.
Davon geht auch Julia Wentzlaff-Eggebert aus, die wie viele Baslerinnen und Basler Novartis nur aus der Distanz und über die Medien kennt. Dass sie in Zukunft als Teil des Advisory Boards auch bei der Themenwahl dabei sein kann, freut sie nicht nur als Philosophin, die nach Wegen sucht, ihr Denken stärker in die Gesellschaft zu tragen. Sie sieht darin auch die Materialisierung einer Idee oder gar eines Ideals.
Für Wentzlaff-Eggebert wird es aber auch spannend sein, zu sehen, ob das divers zusammengesetzte Board einen gemeinsamen Boden findet. «Manchmal ist es doch so, dass wir vom Gleichen reden, aber nicht das Gleiche meinen, vor allem wenn Geistes- und Naturwissenschaftler zusammenkommen» ergänzt sie.
Missverständnisse sind zwar nie auszuschliessen, aber das Board dürfte gut vorankommen, wenn man sich im Geist der Offenheit austauscht und auch um Lösungen ringt. Dafür sieht Wentzlaff-Eggebert ebenfalls gute Zeichen.
«Dass Novartis sich überhaupt gegenüber der Gesellschaft öffnet und neben der Wissenschaft auch andere Stimmen zu Wort kommen lässt, zeigt doch deutlich, dass es dem Unternehmen nicht nur allein um wissenschaftliche Forschung geht, sondern darum, den Mensch stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Dies deutet auf einen grösseren Wandel.»
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