Einsichten, die helfen können, künftige Sanierungsprojekten effizient und kostensparend zu managen.
Text von Martin Ch. Batzer, Fotos von Gregory Collavini
Publiziert am 01/07/2021
In meiner ganzen beruflichen Laufbahn hat mich kaum ein Projekt so intensiv beschäftigt wie die Sanierung des ehemaligen Areals der STEIH respektive der Ugine Kuhlmann, für die ich als Projektsponsor während mehr als einem Jahrzehnt verantwortlich war. Ich erlebte diese Zeit als permanenten Lernprozess, in dessen Verlauf sich Freude und Hoffnung mit Ärger und Enttäuschung abwechselten. Auch Fehleinschätzungen blieben nicht aus. Aus heutiger Sicht und basierend auf dem aktuellen Stand der Erkenntnisse hätte ich mit Sicherheit einiges anders beurteilt und zum Teil auch andere Entscheidungen getroffen.
Ausgangslage
Beim Sanierungsprojekt STEIH handelte es sich um eine Lindan-Sanierung unter sehr speziellen Umständen und in einer Grössenordnung, wie sie auf der ganzen Welt so noch nie realisiert worden war. Entsprechend existierten auch kaum Erfahrungsgrundlagen, auf die wir die Planung unserer Aufgabe hätten basieren können. Diese Erfahrungen haben wir in den vergangenen zehn Jahren gemacht und uns dabei beträchtliches Know-how in einer hochkomplexen Thematik angeeignet. Die vorliegende Publikation soll dieses Wissen dokumentieren und weitergeben. Im Folgenden gehe ich aus meiner Perspektive auf die wichtigsten Erkenntnisse und Lehren in der gebotenen Kürze ein.
Anfang mit Analyse und Planung
Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehört, dass eine Sanierung mit einer fundierten Analyse der Ausgangslage angegangen werden muss. Sicherlich wurde eine solche auch in diesem Projekt erstellt – allerdings beruhte sie mehrheitlich auf historischen Informationen aus dritter Hand. Bekanntlich handelte es sich hier um eine Altlast, die nicht durch Novartis verursacht worden war. Deshalb existierten auch keine firmeneigenen Aufzeichnungen über die Geschichte des Areals. Viele Informationen waren nicht im erforderlichen Detaillierungsgrad vorhanden. Die geologischen Untersuchungen entsprachen der Kontamination, die bei der Lindan-Produktion und -Lagerung entstanden war. Das Netz von Probebohrungen – im Abstand von 20 Metern – erwies sich in unserem Projekt als ungenügend. Dies insbesondere deshalb, weil nach der primär kontaminierenden Lindan-Produktion keine Sanierung vorgenommen, sondern direkt auf und mit dem verseuchten Grund eine sehr grosse Abwasserreinigungsanlage erstellt wurde. Der lindanverseuchte Boden wurde dadurch unwillkürlich über das ganze Areal verfrachtet. Als Folge davon wurden wir immer wieder auch in grossen Tiefen unter sauberen Erdschichten von Taschen kontaminierten Materials überrascht.
Ein weiterer Punkt, den wir zu Beginn des Projekts unterschätzt hatten, war die Festlegung von ambitionierten Grenzwerten. Die von uns als Ziel festgelegten Werte lagen weit unter den gesetzlichen Vorschriften, sowohl was die Durchschnittswerte als auch die tolerierbaren Einzelgrenzwerte betrifft.
Schliesslich haben wir der Geruchsemission von Lindan bei der Planung zu wenig Beachtung geschenkt. Konzentrationen im Nanogrammbereich werden durch den Menschen bereits als unangenehme Geruchsbelästigung empfunden. Da die Sanierung inmitten des Dreiländerecks und auch in der Nähe von Wohngebieten durchgeführt wurde, hätte diesem Aspekt von Beginn weg deutlich mehr Bedeutung zugemessen werden müssen.
Grosse und sehr gründliche technische Abklärungen hätten die Dimensionen des Sanierungsprojekts von Anfang an deutlich gemacht, und die Faktoren Zeit und Kosten hätten sich realistischer kalkulieren lassen. Wären die kritischen Fakten und Faktoren von Anfang an bekannt oder zumindest zu erahnen gewesen, hätte man das Sanierungskonzept sowie die entsprechende Projektplanung realistischer gestalten und die Kommunikation darauf ausrichten können. Sparen in der Planung eines solch komplexen Projekts ist sicher der falsche Weg.
Projekt und Partner
Ein zentraler Punkt ist weiter die Festlegung der Kriterien für die Auswahl von Partnerunternehmen, die mit der Ausführung der Arbeiten beauftragt werden. Neben der genauen Prüfung der finanziellen und technischen Ressourcen eines Partners bedarf es bei der Auswahl klarer Anforderungen in Bezug auf die Governance unter Einbezug aller Beteiligten.
In jedem Sanierungsprojekt lauern unbekannte Konstellationen und spezifische Risiken, die letztlich zu Fehleinschätzungen und -entscheidungen führen können. Daher ist es unabdingbar, dass alle involvierten Parteien einen offenen und ehrlichen Dialog in einem vertrauensvollen Umfeld pflegen. Diskussionen müssen kontrovers, lebhaft und kritisch geführt werden; sie sollten aber jederzeit konstruktiv bleiben. Nur auf dieser Basis lassen sich die auftauchenden Probleme korrekt analysieren und die bestmöglichen Lösungen finden. Genau so stark wie die technische Qualifikation eines Unternehmens ist deshalb die Fähigkeit und Bereitschaft seiner Exponenten zur konstruktiven Auseinandersetzung zu gewichten. Letztlich beschränkt sich die Zusammenarbeit in einem derartigen Projekt nicht auf das klassische Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis, sondern es geht um eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Nur so werden die Voraussetzungen geschaffen, um Probleme rechtzeitig zu erkennen, sie zu lösen und ein Sanierungskonzept flexibel und erfolgreich umzusetzen.
Bei der Partnerschaft ist es insbesondere zentral, für alle Betroffenen die richtigen Anreize zu vereinbaren. Eine pauschale Kostenvereinbarung ohne Flexibilität – wie wir sie mit dem ersten Unternehmen im Sinne eines Generalunternehmervertrages vereinbarten – erwies sich als nicht zweckdienlich.
Infrastruktur und Technologien
Bekanntlich musste das Projekt aufgrund von Verstaubungen und Emissionen zwischenzeitlich gestoppt werden. Hauptsächlicher Grund dafür war die mangelhafte technische Infrastruktur in der ersten Phase der Sanierung. Entgegen allen Aussagen der ausführenden Projektverantwortlichen waren die Zelte über dem zu sanierenden Perimeter nicht ausreichend abgedichtet. Als weitere Schwachstelle erwies sich der Schiffsverlad für den schwach kontaminierten Aushub.
Der technologische Aspekt einer Sanierung ist ein zentraler Erfolgsfaktor. Bedauerlicherweise mussten wir hier nicht eben erfreuliche Erfahrungen machen, was zu einem längeren Sanierungsunterbruch mit entsprechenden finanziellen und zeitlichen Konsequenzen führte. Dieser Stopp war notwendig, nicht zuletzt um Zeit für eine ausführliche Analyse der bisherigen Sanierungsarbeiten zu haben und einen Lernprozess auszulösen. Er ermöglichte uns zudem, eine aktualisierte Lage- und Risikobeurteilung vorzunehmen und ein neues Pflichtenheft zu entwickeln, das die fachlichen Anforderungen und die bereits erwähnten weiteren Kriterien an den technischen Partner neu und präziser umschrieb. Gestützt darauf haben wir entschieden, die Sanierungsarbeiten ein zweites Mal auszuschreiben und das Projekt mit neuen Partnern weiterzuführen.
Als die Sanierungsarbeiten wieder aufgenommen wurden, kamen deshalb angepasste Technologien und Prozesse zur Anwendung. Als Beispiele seien hier etwa die Verwendung von Sanierungszelten mit Unterdruck oder die konsequente Abschirmung sämtlicher Transportwege von kontaminiertem Erdmaterial erwähnt. Die Prozesse, die das Projektteam gemeinsam mit dem neuen Generalunternehmer und den entsprechenden Subunternehmen entwickelte, halfen entscheidend mit, dass die Sanierung schliesslich erfolgreich, wenn auch mit Kosten von über CHF 300 Millionen um ein Vielfaches teurer als ursprünglich budgetiert, abgeschlossen werden konnte. Die gesetzlichen Grenzwerte der maximalen und der durchschnittlichen Restkontamination des Bodens und des Grundwassers wurden dabei signifikant unterschritten, und die Emissionen konnten ebenfalls unter die definierten und ambitionierten Grenzwerte reduziert werden.
Behörden und Öffentlichkeit
Mein grösstes Anliegen über alle Projektphasen hinweg war stets die Sicherheit für Mensch und Umwelt. Der Entscheid zur Sanierung war motiviert durch den Willen, real vorhandene und potenzielle Gefährdungen durch Lindan-Rückstände nachhaltig zu beseitigen. Auf der Grundlage der ursprünglichen Lagebeurteilung sind wir von der Annahme ausgegangen, dass die Sanierung wesentlich weniger Zeit in Anspruch nehmen und weitaus tiefere Kosten verursachen würde. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass sich das Areal mitten in einer Industriezone befindet, haben wir anfänglich der Öffentlichkeitsarbeit zu wenig Bedeutung zugemessen. Eine aktive Kommunikation fand zu Beginn der Arbeiten nicht statt. Die Bevölkerung der Region nahm zwar die gut sichtbaren weissen Zelte auf dem Areal am Rhein wahr, wusste jedoch nicht, was dort zu ihrem eigenen Schutz geschah. Nach heutigem Kenntnisstand haben wir hier eine Chance vertan, hätte man doch an diesem prominenten Beispiel die Öffentlichkeit über das freiwillige Engagement von Novartis zugunsten von Mensch und Umwelt proaktiv informieren können.
Diese Möglichkeit haben wir erst beim Unterbruch und mit der Wiederaufnahme der Sanierungsarbeiten genutzt; daraus resultierte eine aktive Kommunikation und eine intensivierte Öffentlichkeitsarbeit unter Einbezug der Anwohnerinnen und Anwohner. Mit den verantwortlichen Behörden in Frankreich und der Schweiz waren wir zwar von Beginn weg in Kontakt, doch dieser Austausch war in der Projektorganisation nicht formell im Sinne eines politischen Projektausschusses definiert, und die Verantwortlichen trafen sich nicht regelmässig. Mit der Wiederaufnahme der Sanierungsarbeiten wurde dies geändert; an periodischen Sitzungen nahmen nun auch Vertreterinnen und Vertreter aller involvierten Behörden teil. Diese Plattform ermöglichte einen nahtlosen, grenzüberschreitenden Informationsaustausch; zudem konnten auftretende Probleme im persönlichen Gespräch diskutiert und gelöst sowie Barrieren und Widerstände eliminiert werden. Auch auf der umwelttechnischen Fachebene fanden regelmässig Sitzungen des Projektteams mit den Verantwortlichen der französischen und der Schweizer Behörden statt. Es ist also sinnvoll, derartige Gremien von Beginn weg formell in der Projektorganisation zu definieren.
Fazit und Dank
Bestimmt gibt es noch eine Vielzahl weiterer Erkenntnisse und «Learnings» aus der Geschichte dieses Sanierungsprojekts. Jede einzelne Person, die daran beteiligt war, könnte den einen oder anderen Punkt ergänzen. Trotz all der Fehler, die wir gemacht haben, können wir mit grosser Befriedigung festhalten, dass wir den Boden auf dem Areal nachhaltig saniert haben – ohne Gefährdung der Bevölkerung und der Umwelt. Wir haben ein hochkomplexes Projekt über zehn Jahre zu einem sicheren Abschluss gebracht, und ich möchte mich bei allen beteiligten Personen für ihren unermüdlichen Einsatz bedanken.
Mit Spannung sehe ich der künftigen Entwicklung des ganzen Gebiets im Rahmen des grenzüberschreitenden «3Land»-Projekts entgegen. Es ist meine Überzeugung, dass die Sanierung dieses zentral gelegenen Areals einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der ganzen Region leistet.
Martin Ch. Batzer war Global Head of Novartis Real Estate Management, Facility Services, Health, Safety and Environment
These cookies are necessary for the website to function and cannot be switched off in our systems. They are usually only set in response to actions made by you which amount to a request for services, such as setting your privacy preferences, logging in or filling in forms. You can set your browser to block or alert you about these cookies, but some parts of the site will not then work. These cookies do not store any personally identifiable information.
These cookies allow us to count visits and traffic sources so we can measure and improve the performance of our site. They help us to know which pages are the most and least popular and see how visitors move around the site. All information these cookies collect is aggregated and therefore anonymous. If you do not allow these cookies we will not know when you have visited our site, and will not be able to monitor its performance.