Organische Solarpaneele
Innovative Flexibilität
Dezentes Licht
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Ein Netzwerk aus Licht

Bunt, leuchtend, unterhaltend, schlicht eindrucksvoll. Medienfassaden ziehen Blicke auf sich und scheinen dabei ziemlich verschwenderisch mit genau der Ressource umzugehen, die wir so verzweifelt zu sparen versuchen – Energie. Paradoxerweise trägt der Novartis Pavillon mit seiner innovativen Fassade aber zu einer grüneren Zukunft bei.

Text von Anna Gisiger, Fotos von Adriano A. Biondo

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Die Paneele wurden in einer unbenutzten Werkhalle auf dem Novartis Campus zusammengesetzt.

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Publiziert am 26/05/2022

Beat Grossniklaus beugt sich über eines der rund 10000 Paneele, die in Zukunft das Dach des Novartis Pavillon schmücken werden. Der erfahrene Vorarbeiter der Basler Technologiefirma iart schraubt eine der rhombusartigen Platten auf ein speziell dafür entwickeltes Stahlgerüst, das die idiosynkratische Form des Pavillons nachzeichnet.

Jedes einzelne Paneel sowie das Stahlkonstrukt, auf dem die Einzelelemente angebracht sind, ist auf die Dachform abgestimmt und wird in Zukunft nicht nur garantieren, dass das Gebäude mit Strom versorgt wird, sondern auch mit der Stadt kommuniziert. Denn die Paneele haben eine Doppelfunktion: Sie produzieren Strom, und auf jedem einzelnen sind LED-Lichter aufgeschraubt, die in Zukunft für dezente Lichtspiele eingesetzt werden.

«Die Paneele sind eine Innovation, die iart eigens für den Novartis Pavillon entwickelt hat», erklärt Grossniklaus, der mit seinen Kollegen in einer geräumigen Lagerhalle auf dem Campus die anstehenden Arbeiten verrichtet. «Eine solche Medienfassade gibt es sonst noch nirgendwo auf der Welt – eigentlich ist es ein Experiment.»

Media-Mesh

Das Netzwerk, das iart als Media-Mesh bezeichnet, besteht aus einem komplexen tragenden Stahlgerüst, organischen Fotovoltaikpaneelen (OPV) und LED-Units, die nur so viel Strom verbrauchen, wie die Solarpaneele selbst produzieren – eine sogenannte Nullenergie-Medien­fassade.

Die Paneele sind in das eigens für dieses Projekt entwickelte Stahlkonstrukt eingefügt. Dieses hält die Elemente an Ort und im Abstand von rund 40 Zentimetern zum eigentlichen Blechdach, das damit auch als Reflexionsfläche für das Kunstlicht dient. Das Konstrukt integriert überdies die nötige Verkabelung, durch die der Strom und die Signale fliessen und die Lichter so miteinander verbindet, dass sie künftig von Künstlerinnen und Künstlern zur Bespielung des Pavillons mit Lichtanimationen genutzt werden können.

Reto Weljatschek, der für das Projekt verantwortliche Industrie­designer bei iart, hat die Medienfassade konstruiert: «Zuerst ging es um Grundsatzfragen: Wie viele der frei formbaren OPV-Elemente sollen auf jedem Fassadenabschnitt Platz finden, beziehungsweise wie viele LEDs werden benötigt, um Texte im unteren Bereich anzeigen zu können? Und: Was sind die besten Proportionen für die 480 grossen Rhombenelemente, die heute insgesamt über 10000 OPV-Zellen tragen?»

Weljatschek entwickelte fünf verschiedene Rhombenformen für verschiedene Positionen an der gebogenen Gebäudehülle. Sie bestehen wiederum aus 102 unterschiedlichen Rohrelementen und werden von 30 verschiedenen Knotentypen zusammengehalten. All diese Elemente wurden nicht verschweisst, sondern verschraubt, sodass sie während der Vormontage, der Montage und auch im Betrieb flexibel zu handhaben sind.

Die letztlich homogene zweite Haut des Pavillons besteht also aus unzähligen passgenauen Einzelteilen, die von iart eigens entwickelt wurden. Das tragende Stahlgerüst bestehe, so Weljatschek lächelnd, «aus einer ganzen Familie von Mesh-Elementen».

Für die Montage an der Fassade wurden grössere Mesh-Elemente zu je 16 Paneelen vormontiert, getestet und anschliessend mit dem Kran auf das Dach gehievt, wo sie von einem Spezialisten-Team angebracht wurden.

Das Entwicklungsteam von iart liess sich bei der Konstruktion der Paneele von Zellstrukturen inspirieren: «Die Idee war, den Pavillon als Organismus zu sehen, was sowohl an der Form als auch an den später darauf laufenden Lichtbespielungen zum Ausdruck kommen soll», erklärt Christian Reimann, der das Projekt auf der Seite von iart führt.

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Aufgrund der gekrümmten Gebäudeform mussten alle Gitter individuell zusammengesetzt werden.

Or­ga­ni­sche So­lar­pa­nee­le

Eine weitere wichtige Neuerung sind die Solarpaneele selbst, die vom französischen Unternehmen Asca entwickelt und produziert wurden. Sie setzen nicht auf die klassische Siliziumtechnologie, sondern auf organische Fotovoltaik, bei der die Paneele flexibel und in ihrer Form nahezu frei gestaltbar sind.

Mit der Wahl von organischen Solarpaneelen konnte iart zudem umweltschonender operieren, da klassische, aus Silizium bestehende Paneele sehr energieaufwendig produziert werden müssen.

«In der Herstellung von anorganischen Solarzellen steckt enorm viel graue Energie», so Michael Stucki von iart, der die Elektronik der Medienfassade entwickelte. «Diese lässt sich mit dem Einsatz organischer Fotovoltaik erheblich reduzieren.» Die organische Fotovoltaik arbeitet auf der Basis von Kohlenstoffverbindungen anstelle von Sili­zium. Der Begriff «organisch» bezieht sich dabei auf die organische Chemie, die auf Kohlenstoffverbindungen aufbaut.

Ein Nachteil der OPV ist aber ihr vergleichsweise geringerer Wirkungsgrad, vor allem bei starker Sonnenbestrahlung. Bei Schwachlicht sind OPV hingegen effizienter als herkömmliche Paneele.

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    Ein neuer Blick auf die Pharmaindustrie
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    In­no­va­ti­ve Fle­xi­bi­li­tät

    Der grösste Vorteil der gewählten Paneele ist ihre Anpassungsfähigkeit aufgrund der sogenannten Dünnschicht-Drucktechnik. «Die OPV werden in Frankreich grossflächig auf eine dünne Folie gedruckt und dann in Deutschland zugeschnitten», führt Stucki aus. «Damit sind Form und Grösse der einzelnen Paneele relativ frei wählbar.»

    Da die dünne OPV-Schicht auf keinen Fall mit Wasser oder Luft in Berührung kommen darf, wird die zugeschnittene OPV-Folie im Sandwich-Verfahren zwischen zwei diamantförmige Polycarbonatplatten geklebt und damit luftdicht umhüllt.

    Die einzelnen Paneele werden dann direkt auf den Novartis Campus in die temporäre Werkstatt von iart geliefert, wo die LEDs mithilfe eines Bajonettverschlusses auf den Zellen angebracht werden. Dieses Verfahren vereinfacht nicht zuletzt das spätere Auswechseln der Lichter.

    «Die Paneele sind bis zu einem gewissen Grad biegbar», erläutert Grossniklaus, während er die Elastizität eines Paneels demonstriert. «Das ermöglicht eine optimale Formanpassung, wenn die Paneele ins Metall-Mesh eingeschraubt werden.» Dies ist wichtig. Denn aufgrund der Temperaturunterschiede von Tag und Nacht sowie Sommer und Winter und der damit zusammenhängenden Längenausdehnungen der verschiedenen Materialien an der Fassade musste die Paneelkonstruktion ebenfalls verschiebbar gelagert sein.

    «Mit dem Aufbau aus 16 Elementen sowie der speziellen Anfertigung des Gitters konnten wir dies sicherstellen», führt Weljatschek aus.

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    Vor der Montage wurden die Paneele zusätzlich getestet.

    De­zen­tes Licht

    Damit sind jedoch längst nicht alle Innovationen der Medienfassade erwähnt. Auch bei der Art und Weise, wie das Licht in Zukunft eingesetzt wird, hat sich iart ins Zeug gelegt. Die einzelnen Paneele sind semitransparent und haben eine bläuliche Farbe. Infolge der doppelseitigen Verwendung der LEDs strahlen sie nicht nur Licht von der Fassade weg, sondern auch auf die dahinterliegende Blechfassade hin.

    «Diese Beleuchtungsart generiert eine spezifische Transluzenz, die den organischen Charakter des Gebäudes verstärkt und der Fassade eine Art Membraneffekt verleiht», erklärt Reimann von der Projektleitung. Die Beleuchtung findet somit auf verschiedenen Ebenen statt. Um mit den künftigen Lichtbespielungen möglichst wenig Lichtverschmutzung zu verursachen, operieren die LEDs nur mit leichtem Kontrast zum vorhandenen Licht. «Dabei wird die Intensität der Leuchtkraft variiert und auf die Lichtverhältnisse der Umgebung dynamisch angepasst», erläutert Reimann.

    Die technologisch hoch innovative Fassade des Novartis Pavillon, für die iart einen Media Architecture Biennale Award 2020 erhalten hat, leistet also nicht nur bezüglich der Energieeffizienz, sondern auch mit der Reduktion der Lichtemissionen einen Beitrag zum Umweltschutz. «Für uns wäre es natürlich sehr schön zu sehen, wenn künftig auch an anderen Gebäuden eine ähnliche Technologie verwendet würde, um die eindrücklichen Lichteffekte auf eine umweltfreundliche und nachhaltige Art zu generieren», fasst Reimann zusammen.

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