Lukrative kriminelle Geschäfte zulasten der Patienten
Die Zusammenarbeit vertiefen
Hilfe durch digitale Technologie
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Science
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Medikamentenfälschern auf der Spur

Gefälschte Medikamente sind weltweit auf dem Vormarsch. Um dieser Entwicklung, die Jahr für Jahr mehrere Hunderttausend Menschen tötet, entgegenzuwirken, setzt Novartis neuartige digitale Hilfsmittel ein. Diese sollen gefälschte Medikamente aufspüren und den Strafverfolgungsbehörden weltweit helfen, deren Vermarktung zu unterbinden.

Text von Goran Mijuk, Fotos von Laurids Jensen

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    Théophile Sebgo besucht auf seinen Geschäftsreisen regelmässig Apotheken.
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    Publiziert am 05/06/2020

    Hoffnung und Verzweiflung liegen bisweilen dicht beieinander, und kaum jemand erkennt den Unterschied, bevor es nicht zu spät ist.

    Théophile Sebgo kennt diese Situation. Als er in den Neunzigerjahren in Burkina Faso aufwuchs, warnte ihn sein Vater immer wieder davor, Medikamente von Strassenhändlern zu kaufen, deren Ware stets günstiger war als in der Apotheke, weshalb vor allem die Armen davon Gebrauch machten. Sein Vater, ein Polizist, wusste, dass sich nur so die tödlichen Risiken, die mit dem Kauf gefälschter Medikamente verbunden waren, sicher vermeiden liessen.

    «Ich erinnere mich noch gut an die Ermahnungen meines Vaters», bekennt Théophile Sebgo. «Zunächst begriff ich nicht wirklich, warum er so sehr darauf beharrte. Doch als ich begann, mir des Risikos bewusst zu werden, wurde ich neugierig. Also studierte ich Pharmakologie und spezialisierte mich auf die Bestimmung gefälschter und minderwertiger Medikamente.»

    Zu Beginn seiner Ausbildung zum Pharmazeuten in Marokko, die er später in Frankreich fortsetzte, war noch nicht absehbar, dass er eines Tages für Novartis rund um den Globus als Ermittler und Forensiker tätig sein würde. Als er am Anfang seiner Laufbahn stand und vor rund zehn Jahren als junger Doktorand zum Unternehmen stiess, arbeitete er vorwiegend im Labor und ermittelte dort anhand zahlreicher Tests, ob Arzneimittelproben, die ihm aus aller Welt zugespielt wurden, gefälscht oder echt waren.

    Etwa ab 2010 erfuhr diese Arbeit im Zuge der Entwicklung mobiler Spektrometer eine Erleichterung. Die neuen Geräte, die die Bestandteile eines Medikaments mithilfe von Lichtwellen bestimmten, funktionierten wie eine Art tragbares Minilabor, das bestimmte Medikamente rasch analysieren konnte.

    «Für unsere Branche war das ein Quantensprung», erinnert sich Sebgo. «Bis dahin war es teuer und zeitaufwendig gewesen, Proben an Labore zu schicken, in denen Forscher wiederum viel Zeit benötigten, um die Qualität eines Medikaments zu bestimmen und die Ergebnisse an die Behörden weiterzuleiten.»

    Während die ersten mobilen Spektrometer seit rund zehn Jahren im Einsatz sind, gibt es seit Kurzem eine neue Generation kleiner mobiler Endgeräte, die sich leicht mit einem iPhone verbinden lassen und Novartis einen weiteren Schub im Kampf gegen Arzneimittelfälschungen geben dürften.

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    Théophile Sebgo erläutert Novartis-Mitarbeitenden in Ghana, wie das digitale Erkennungstool «Authentifield» funktioniert.

    Lu­kra­ti­ve kri­mi­nel­le Ge­schäf­te zu­las­ten der Pa­ti­en­ten

    Nicht nur das Tempo der technologischen Entwicklung, sondern auch die kriminelle Energie der Fälscher ist atemberaubend. Die neuesten Daten von 2018 zeigen, dass die Zahl der Pharmadelikte ein Allzeithoch erreicht hat. Laut dem Pharmaceutical Security Institute steigt die Zahl der Fälle von Medikamentenfälschungen Jahr für Jahr um 35 Prozent. 

    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) legte im Januar 2020 ihre Liste der dringendsten globalen Gesundheitsprobleme für das nächste Jahrzehnt vor. Dabei bezeichnete sie gefälschte und minderwertige Arzneimittel ausdrücklich als Schwerpunktbereich der Initiative für einen besseren Zugang zu Arzneimitteln.

    «Der Trend ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Fälschung von Arzneimitteln ein solch lukratives Geschäft ist», bemerkt Stanislas Barro, Leiter der weltweit operierenden Novartis-Einheit zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen.

    «Um gefälschte Medikamente im grossen Stil zu produzieren, braucht man keine grosse Fabrik. Manchmal reicht es, falsche Pillen einfach manuell herzustellen und die Originalverpackung mithilfe von Druckplatten nachzuahmen.» 

    Pat Bush und Luis Reveiz, die für Novartis Nord-, Mittel- und Südamerika überwachen, brachten die Behörden jüngst auf die Spur eines grossen illegalen Medikamentenrings in Kolumbien. Videoaufnahmen zeigen eine kleine Gruppe Krimineller bei der Bedienung einer antiquierten Pillenmaschine, mit der sich gefälschte Medikamente mit einem Marktwert von mehreren Millionen US-Dollar herstellen lassen.

    Derartige Pillen enthalten in der Regel keine Wirkstoffe und werden häufig aus Stärke hergestellt. Einzig Form und Farbe sind mit der echten Arznei vergleichbar. Schlimmstenfalls enthalten solche Scheinmedikamente aber auch Stoffe wie Arsen und Druckertinte, die schwerwiegende Gesundheitsfolgen haben können. Indes sind die Verpackungen häufig so professionell aufgemacht, dass es für Patienten nahezu unmöglich ist, Fälschungen vom Original zu unterscheiden.

    Kriminelle Banden, die diese Medikamente auf der Strasse oder über Online-Apotheken verkaufen oder gar in die offizielle Lieferkette schleusen, operieren mit Erfolg. Der globale Wert gehandelter Güter hat schwindelerregende Höhen erreicht. Gemäss der Weltzollorganisation werden jedes Jahr gefälschte und potenziell schädliche Pharmazeutika im Wert von 200 Milliarden US-Dollar verkauft.

    Die WHO schätzt, dass in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen jedes zehnte Medikament gefälscht ist. Manche Schätzungen liegen sogar noch höher. Besonders hoch ist das Risiko für Kinder, zumal Antibiotika und Malariamedikamente sehr häufig nachgemacht werden.  

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    Einer der zahlreichen Apothekenbesuche von Théophil Sebgo während seiner Reise in Ghana.

    Die Zu­sam­men­ar­beit ver­tie­fen

    Für Barro, einen erfahrenen Experten im Kampf gegen Arzneimittelfälschungen, der vor seinem Eintritt bei Novartis im Jahr 2017 Strafrecht studierte und in Asien und im Nahen Osten tätig war, gibt es nur eine Strategie, um diesen Kampf zu gewinnen: mehr technische Kompetenz und eine stärkere Zusammenarbeit mit Vollzugs- und Gesundheitsbehörden. 

    «Die Einheit für die Bekämpfung gefälschter Arzneimittel innerhalb von Novartis ist intern gut aufgestellt. Wir besitzen über alle Regionen hinweg ein leistungsfähiges, funktionsübergreifendes Team, das wir derzeit vergrössern», macht Barro deutlich. 

    «Wichtig für uns ist jedoch, unser technisches Know-how zu erweitern, verstärkt mit lokalen Behörden zusammenzuarbeiten und das Bewusstsein für die Schwierigkeiten beim Kampf gegen Arzneimittelfälschungen zu schärfen, damit sich Letztere schneller aufspüren und verhindern lassen.»

    Obwohl dem Team bei Novartis auch Strafrechtler angehören, besitzt die Gruppe keine rechtlichen Durchsetzungsbefugnisse. Tagtäglich überwacht und überprüft es lokale Märkte einschliesslich der sich rasch ausbreitenden Online-Apotheken und meldet bestätigte Fälle gefälschter Arzneien an lokale Gesundheits- und Vollzugsbehörden sowie die WHO. Ebenso arbeitet es bei gemeinsamen grenzübergreifenden Operationen aktiv mit Interpol und der Weltzollorganisation zusammen. 

    «Einmal erhielten wir Berichte, wonach sich der Zustand eines Krebspatienten in einem Spital in Bogotá plötzlich verschlechterte, obwohl er ein Standardmedikament erhielt», schildert Luis Reveiz. «Wir begriffen rasch, dass da ein gefälschtes Medikament im Spiel war, und konnten dessen Herkunft und die kriminelle Bande gemeinsam mit den Behörden aufspüren.»

    Derartige Erfolgsgeschichten gibt es immer wieder. Allein 2019 überprüfte Novartis 268 Fälle mutmasslich gefälschter Medikamente, 23 Prozent mehr als im Vorjahr. In der Folge kam es zu 61 Strafverfolgungsaktionen, die Gesundheitsbehörden beschlagnahmten über 2 Millionen gefälschter Arzneimittel.

    Ebenso half das Team den Behörden, gegen 11 illegale Pharmaproduktionsstätten auf der ganzen Welt vorzugehen, darunter eine Grossanlage in China, die gefälschte Herz-Kreislauf-Medikamente herstellte und vertrieb. Überdies unterstützte das Team Europol bei der Operation Viribus, die in 234 Verhaftungen mündete.

    Last but not least entwickelte es ein Verfahren, um systematisch zu ermitteln, wie sich gefälschte, mithilfe forensischer Methoden überprüfte Medikamente auf die Patientensicherheit auswirken. Seit 2017 gelangte das Team bei über 90 Prozent der untersuchten Fälschungen zu dem Schluss, dass diese ernsthafte Schäden und den Tod der Patienten hätten verursachen können.

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    Die erste Generation digitaler Detektoren war ein Durchbruch, auch wenn sie vergleichsweise gross waren. 

    Hil­fe durch di­gi­ta­le Tech­no­lo­gie

    Stanislas Barro zufolge werden sich digitale Technologien für das Team als weiterer Katalysator entpuppen, mit dem sich Fälschungen noch schneller aufspüren lassen.

    Novartis ist führend bei den branchenweiten Bemühungen, die Blockchain-Technologie zur weiteren Sicherung der Lieferkette einzu-setzen, und hat neben einer Erfassung durch Seriennummern auch fäl-schungssichere Verpackungsmerkmale eingeführt. Derzeit präsentiert und testet das Team für die Bekämpfung von Fälschungen auch eine neue Generation mobiler Spektrometer unter dem Markennamen «Aut-hentifield by Novartis». Dass diese Hilfsmittel nicht nur vergleichsweise benutzerfreundlich, sondern auch erschwinglich sind, erleichtert ihren weltweiten Einsatz auf lokaler Ebene.

    «Für uns wird dies künftig wirklich wichtig sein, um unser eigenes Portfolio an Arzneimitteln – wie gegen Malaria und Sichelzellenanämie sowie Produkte des Novartis Access Program – in Ländern mit niedri-gem und mittlerem Einkommen lokal zu überwachen und Vorkommnis-se zeitnah zu melden», so Barro weiter. «Wir tun unser Bestes, damit Patienten nicht zum Kauf gefälschter Medikamente verleitet werden.»

    Das Gerät wurde erstmals 2019 in Ghana eingesetzt, wo Théophile Sebgo rund 50 Kolleginnen und Kollegen von Sandoz und Novartis schulte. «Es war ein recht heisser Nachmittag, und unsere Kolleginnen und Kollegen waren damals ziemlich beschäftigt, da sie mit dem Auftakt eines umfassenden landesweiten Programms für Sichelzellenanämie befasst waren», erinnert sich Sebgo. «Doch die Mühe hat sich gelohnt, denn nun haben die Kollegen Hilfsmittel zur Hand, mit denen sie eine verdächtige Probe rasch prüfen können.»

    Die wahre Wirkung

    Einige Jahre zuvor, als Théophile Sebgo in Kamerun eine Marktunter-suchung durchführte, hätte ein solches Gerät möglicherweise Leben retten können. Sebgo nutzte damals ein älteres Modell eines mobilen Spektrometers, das für den Einsatz in Städten oder auf Strassenmärk-ten viel zu unhandlich war. Bei einer Untersuchung stiess er auf ge-fälschte Proben aus einem kleinen Spital in Yaoundé. Noch gut erinnert er sich daran, dass hinter ihm eine Frau mit ihrem Kind auf ein – wahr-scheinlich ebenfalls gefälschtes – Malariamedikament wartete.

    «Hätte ich dieses Mittel vor Ort testen können, hätte es einen Un-terschied gemacht», bemerkte er hierzu. «Der Vorfall macht mich trau-rig. Gleichzeitig weiss ich aber, dass wir bei unserem Kampf gegen ge-fälschte Medikamente insbesondere in Regionen wie Afrika und Asien grosse Fortschritte verzeichnen.»

    Novartis verstärkt derzeit ihre Bemühungen im Kampf gegen ge-fälschte Medikamente. So wird Barros Team in den nächsten Jahren weitere mobile Spektrometer einführen, sofern sich diese als nützlich erweisen. Aber auch Regierungen weltweit haben Fälschungen den Kampf angesagt. Ende Januar schlossen sich die Republik Kongo, der Niger, Senegal, Togo, Uganda, Ghana und Gambia der Lomé-Initiative an, um den Verkauf gefälschter und minderwertiger Medikamente unter Strafe zu stellen und der afrikanischen Bevölkerung Zugang zu hoch-wertigen Arzneimitteln zu gewähren.

    «Vor dem Hintergrund meiner Kindheitserfahrung in Burkina Faso und meiner Laufbahn bei Novartis ist diese Initiative in Afrika ein Meilen-stein», freut sich Théophile Sebgo. «Doch wir können uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Natürlich werden unsere Methoden im-mer ausgefeilter. Aber das gilt auch für die Strategien krimineller Orga-nisationen. Wir müssen wachsam bleiben und weiterkämpfen!»

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