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    Wissenschaft
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    Mobilität messen

    Wie schnell und wie gut wir gehen können, ist ein wichtiger Indikator für unsere Gesundheit und unsere Lebenserwartung. Doch es ist nicht einfach, die Mobilität der Menschen präzise zu beurteilen. Aus diesem Grund entwickelt Mobilise-D, ein Konsortium privater und öffentlicher Partner, ein auf digitalen Technologien basierendes Messsystem. Die Arbeit trägt dazu bei, die Beurteilung der Mobilität im Alltag in klinischenStudien und bei der Behandlung von Patienten zu verbessern und eine individuellere Versorgung zu ermöglichen.

    Text von Michael Mildner, Illustration von Pietari Posti

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      Anhand der von Wearable-Geräten generierten Daten wird der Gang der betreffenden Personen analysiert.
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      Publiziert am 19/09/2022

      Der Vorstoss in Richtung personalisierter Medizin ist seit Jahren eine wichtige Triebkraft in der Arzneimittelentwicklung. Die Bereitstellung der richtigen Therapien für die richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt muss jedoch zunächst von einem gründlichen Verständnis der Patientenprofile ausgehen. Eine auf die individuellen Anforderungen zugeschnittene Behandlung erfordert eine präzisere Diagnostik.

      Hier kommen digitale Tools ins Spiel. Sie können einen ganzheitlichen Blick auf den Gesundheitszustand eines Patienten bieten, da sie metabolische, genomische und physiologische Parameter zusammenführen, die sich alle mit innovativen Geräten erfassen lassen. Anhand dieser Daten sind Ärzte und Patienten in der Lage, ein genaueres Gesundheitsprofil zu erstellen. Dieses Ziel verfolgen jedenfalls viele Wissenschaftler und Ärzte aus aller Welt.

      Die personalisierte Medizin ist auch ein zentrales Thema für die Innovative Medicines Initiative (IMI) der Europäischen Union, die seit 2008 fast 200 Projekte lanciert hat. Als weltweit grösste öffentlich-private Partnerschaft stellt die IMI mehr als fünf Milliarden Euro an Finanzmitteln für die Forschungs- und Innovationstätigkeit im Gesundheitsbereich zur Verfügung, ein Budget, das von der Europäischen Union und der pharmazeutischen Industrie in Europa gemeinsam aufgebracht wird.

      Eines dieser IMI-Projekte ist Mobilise-D. Sein Schwerpunkt ist die präzise Messung der Mobilität, um die Medizin zumindest einen Schritt näher an personalisierte Behandlungen heranzuführen. Unter dem Dach von Mobilise-D hat sich ein Konsortium aus 34 Partnern (22 öffentliche Einrichtungen, 2 Technologie- und 10 Pharmaunternehmen, darunter Novartis) zum Ziel gesetzt, die digitale Beurteilung der Mobilität mit klinischen Ergebnissen zu verknüpfen und so die Zulassung und die klinische Validierung zu erreichen.

      An den Novartis Institutes for BioMedical Research (NIBR) konzentrieren sich Ronenn Roubenoff und Tilo Hache auf die Erforschung neuer diagnostischer Instrumente und Behandlungsmöglichkeiten. Beide spielen im Projekt Mobilise-D eine führende Rolle.

      Neue digitale Lösung

      «Wir haben das Projekt Mobilise-D am 1. April 2019 gestartet. Das Programm läuft seit drei Jahren und endet offiziell am 31. März 2024», so Roubenoff. «Novartis interessiert sich für öffentlich-private Partnerschaften, weil wir im Bereich der Muskel- und Skeletterkrankungen bessere Endpunkte für Studien benötigen, zumal der Schwerpunkt meiner gesamten Forschungsgruppe auf der Mobilität und deren präziser Messung liegt.»

      Bei den Endpunkten, nach denen das Mobilise-D-Konsortium sucht, handelt es sich um Ergebnisse bzw. Ereignisse einer klinischen Studie, die dazu dienen, die Wirkung einer untersuchten Intervention objektiv zu messen. Hauptziel dieses Projekts ist die Verbesserung der Mobilität und der Lebensqualität.

      Laut Hache können von tragbaren Geräten generierte Daten – etwa einem Armband, das die Beschleunigung bzw. die zurückgelegten Schritte aufzeichnet – ein wichtiger Faktor sein, wenn es darum geht, den Nutzen eines Medikaments für den Patienten nachzuweisen. Dadurch sind genauere Beurteilungen möglich, die für die Patienten zudem noch bequemer sind als vielleicht noch vor zehn Jahren. «Der technische Fortschritt ermöglicht es uns, Messungen nicht nur in der Klinik durchzuführen – was wir schon seit Jahrzehnten tun –, sondern auch das zu messen, was die Patienten zu Hause in ihrem Alltag machen», so Hache.

      Um maximale Präzision zu erzielen, wird die Mobilität der Menschen an der Taille gemessen. Beim Projekt Mobilise-D kommt ein Gerät zum Einsatz, das am unteren Rücken getragen wird, um festzustellen, wie die Menschen gehen. Mit dieser Messung lassen sich viele Fragen beantworten – nicht nur, wie viele Schritte die Probanden pro Tag zurücklegen, sondern auch, wie sie gehen. Gehen die Patienten schneller oder langsamer? Wie unterschiedlich sind ihre Schritte?

      «Wir untersuchen die Mobilität bei vier für das Projekt ausgewählten Indikationen: Parkinson, COPD, Multipler Sklerose und Hüftfrakturen. Mit den Daten von diesen Patienten und von gesunden Probanden werden Nachweise gesammelt, die den Gesundheitsbehörden zur Erstellung eines Gutachtens vorgelegt werden können», so Hache.

      «Es werden noch viele detaillierte Daten benötigt», so Roubenoff, «denn wir wissen noch nicht, was bei einer bestimmten Krankheit beim Gang der Patientinnen und Patienten das wichtigste Merkmal ist, anhand dessen wir feststellen können, ob es ihnen besser oder schlechter geht. Genau das ist es, was wir im ersten Teil von Mobilise-D lernen.» Diese Phase ist für den Zeitraum von 2019 bis 2022 geplant.

      Umfangreiche klinische Studien

      Im zweiten Teil des Projekts werden alle diese Endpunkte dazu beitragen, klinische Ergebnisse zu definieren, beispielsweise ob es den Menschen mit ihrer Krankheit besser geht, ob sie gestürzt sind oder im Krankenhaus waren und ob sie im Pflegeheim betreut werden mussten, verstorben sind oder überlebt haben.

      Die klinische Validierung im zweiten Teil des Projekts ist jedoch mit 600 Patienten pro Indikation, also insgesamt 2400 Patienten, recht umfangreich. Im April 2022 haben einige Testzentren die Rekrutierung von Patienten für die Studie bereits abgeschlossen. Im Vergleich dazu war die Zahl der Patienten, die an der technischen Validierungsstudie teilnahmen, mit 100 Patienten und 20 gesunden Probanden recht gering.

      Am Ende wird es ein Analysesegment geben, um zu ermitteln, welche Variable für die Messung am besten geeignet ist und ob dieselbe Variable für alle Krankheiten gilt – was wünschenswert wäre, ergänzt Roubenoff lächelnd. «Ansonsten brauchen wir krankheitsspezifische Analysen. Wenn dem so sein sollte, müssten wir das möglichst frühzeitig erfahren.»

      Zehn Jahre Forschung

      Novartis ist bereits 2012 in den Bereich der Mobilitätsmessung eingestiegen, also lange vor dem Start des Projekts Mobilise-D. Jetzt wird schon die vierte Generation der in den Studien von Novartis eingesetzten Technologie erforscht. Im Rückblick auf all diese Jahre resümiert Roubenoff: «Die Hürde für uns war weniger die technische Frage, welches Gerät wir verwenden und wie wir es einsetzen sollen. Die eigentliche Frage war, was wir tun müssen, damit das Gerät der Entwicklung von Arzneimitteln dient und gewährleistet ist, dass die Zulassungsbehörden über ausreichende Informationen verfügen, um diese als primären oder sekundären Endpunkt in einer Studie zu berücksichtigen.»

      Um diese Art von Informationen bereitzustellen, muss das Konsortium von Mobilise-D seine digitalen Messergebnisse noch mit handfesten medizinischen Sachverhalten wie Todesfällen, Krankenhausaufenthalten und Stürzen verknüpfen. «Bei all diesen Krankheitsindikationen müssen wir die Validität unserer neuen Mobilitätsergebnisse während eines bestimmten Zeitraums nachweisen. Es bedarf einer jahrelangen Begleitung der Patienten, denn Parkinson-Patienten stürzen glücklicherweise nicht jeden Tag, und COPD-Patienten erleiden nicht jeden Tag eine Verschlimmerung, um nur zwei Beispiele zu nennen. Um die Mobilität mit solchen ‹Anker-Endpunkten› zu korrelieren, müssen wir wahrscheinlich ein bis zwei Jahre lang in Folgeuntersuchungen Daten erfassen», so die Einschätzung von Hache.

      Ein grosser Vorteil der digitalen Mobilitätsmessmethoden gegenüber den herkömmlichen Gehtests im Krankenhaus, bei denen zum Beispiel nur die Strecke gemessen wird, die ein Patient innerhalb von sechs Minuten gehen kann, wäre die Möglichkeit, die Messung zu Hause im Alltag durchzuführen. «Daran arbeiten wir noch», so Roubenoff. «Nachzuweisen, dass es möglich ist, den Gesundheitszustand des Patienten mit einem Medikament tatsächlich zu verändern, ist eine weitere Herausforderung für uns. Ausserdem müssen wir nachweisen, dass eine verbesserte Mobilität die tatsächlichen medizinischen Folgen wie Krankenhausaufenthalte, Stürze, Hüftfrakturen oder Todesfälle verringern kann. Dies sind grosse, langfristige Anstrengungen. Selbst die Dauer von fünf Jahren wird nicht ausreichen, um alle Arbeiten für dieses Projekt abzuschliessen.»

      Hache ist jedoch der Ansicht, dass die derzeitigen Anstrengungen im Rahmen von Mobilise-D ausreichen werden, um die Projektziele zu erreichen – trotz der Herausforderungen durch die COVID-Pandemie. «Doch nach dem Projekt müssen wir auf den Qualifizierungsempfehlungen aufbauen, die wir bereits von den Gesundheitsbehörden erhalten haben, und unsere Zusammenarbeit mit der FDA, der EMA und anderen Aufsichtsbehörden weiter intensivieren», ergänzt er. «Auch nach Ablauf der fünf Projektjahre bleiben noch genügend Herausforderungen.»

      Vorteile der Zusammenarbeit

      Wie jedes andere Pharmaunternehmen konnte auch Novartis diese Arbeit nicht allein bewältigen. Es ist nicht ganz einfach, finanzielle Investitionen in ein solches Projekt zu rechtfertigen, wenn ein Unternehmen noch nicht weiss, ob das neuartige Messverfahren in Kombination mit einem neuen Medikament funktionieren wird. Deshalb sind öffentlich-private Partnerschaften wie das IMI und Projekte wie Mobilise-D von entscheidender Bedeutung, um Innovationen zu fördern und die nötigen Veränderungen in diesem Bereich voranzubringen, die ein Unternehmen allein nicht bewältigen kann.

      «Ja, natürlich können wir diese Dinge auch im Rahmen unserer eigenen Studien messen», so Roubenoff, «doch wie überzeugen wir die Menschen davon, dass das sinnvoll ist? Wenn wir als Konsortium von an diesen Fragen interessierten Unternehmen der Pharmaindustrie sowie von medizinischen Forschungszentren und Universitäten auftreten, verfügen wir über eine viel leistungsfähigere Plattform. Es wird uns helfen, die für die Zulassung von Arzneimitteln zuständigen Behörden davon zu überzeugen, dass dies ein sinnvoller und nützlicher Endpunkt ist, der für Patienten, Ärzte und Behörden gleichermassen wichtig ist. Und genau das ist entscheidend für uns.»

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