Alfred Kern
Publiziert am 08/09/2023
Es war vor allem die günstige Lage ausserhalb der Stadt, die den Chemiker Alfred Kern und den Prokuristen Edouard Sandoz gegen Ende des 19. Jahrhunderts dazu veranlasste, ihre neu gegründete Farbstofffirma – die Chemische Fabrik Kern & Sandoz – im Basler St.-Johann-Quartier anzusiedeln.
Doch nicht die unverbauten 11 000 Quadratmeter auf der grünen Wiese, für die sie den Zuspruch erhielten, gaben den Ausschlag für den Entscheid, ins St. Johann zu ziehen. Es war vor allem die Bewilligung der Stadt Basel, die bei der Farbstoffproduktion anfallenden Abfälle rasch und unentgeltlich im Rhein zu entsorgen.
Das Firmengelände «liegt weitab einer Verkehrsstrasse und wird daher Wohnungen und einer Vergrösserung der Stadt nicht im Wege … sein», heisst es im Gutachten des damaligen Kantonschemikers Carl Bulacher. Dieser hielt zudem fest, dass der Rhein «für die flüssigen und festen Abgänge eben doch der beste Beseitiger» sei.
Auch andere Unternehmen hatten sich diese laxe Art bei der Abfallentsorgung zunutze gemacht. Im St. Johann waren bereits die Häutehandlung Gebrüder Bloch & Cie., die chemische Fabrik Durand & Huguenin sowie das städtische Gaswerk angesiedelt. Und auch auf der anderen Rheinseite herrschte seit Mitte des 19. Jahrhunderts industrieller Hochbetrieb.
Starker Anfang
Anstoss zu dieser Entwicklung gab die 1856 durch einen britischen Chemiker erfolgte Entdeckung der Anilinfarben, die einen regelrechten Boom nach sich zog. Zunächst in England, dann in Deutschland und Frankreich wurden auch in Basel neue Farben aus Steinkohlenteer entwickelt.
Einer der innovativsten Chemiker war der aus Bülach stammende Alfred Kern, der zunächst für verschiedene Firmen arbeitete, bis er sich 1886 mit Edouard Sandoz zusammentat, um auf eigene Faust neue Farben zu entwickeln, darunter auch das im Markt bereits erfolgreich etablierte Alizarin, einen roten Farbstoff, der früher aus Krapp gewonnen wurde.
Die Anfänge waren aber dennoch bescheiden. Bei der Gründung der Kollektivgesellschaft bestand das Unternehmen zunächst aus einem Bürogebäude mit einem angebauten Laboratorium, drei zusammenhängenden Shedbau-Produktionslokalen und einem Kesselhaus mit einer Dampfmaschine.
Dank der Entwicklung von Alizarin konnte die Chemische Fabrik Kern & Sandoz – anders als die meisten Basler Chemiebetriebe der ersten Stunde – aber schon bald an ein dynamisches Wachstum verzeichnen. «Colossal, noch nie dagewesen, fabelhaft, piramidal» schrieb Edouard Sandoz drei Jahre nach der Gründung über die starke Umsatzentwicklung.
Kern arbeitete mit grossem Erfolg. In kurzer Zeit entwickelte er mit seiner kleinen Mannschaft aus weniger als einem Dutzend Chemikern eine Reihe neuer Farben, darunter ein Pflaumenblau, das sich im Markt erfolgreich durchsetzen konnte. Innerhalb nur weniger Jahre konnte das Unternehmen über 20 neue Farben entwickeln.
Der frühe Erfolg schien jedoch gefährdet. 1893, mit nur 42 Jahren, starb Kern an einem Herzleiden. Und auch Edouard Sandoz musste kurze Zeit später aus gesundheitlichen Gründen aus dem Unternehmen ausscheiden, das später in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde und von 1936 bis 1996 unter dem Namen Sandoz firmierte.
Das Unternehmen hatte aber Glück im Unglück. Denn mit Robert Gnehm konnte Sandoz kurz nach dem Ausscheiden der Gründer einen wichtigen Akademiker und Geschäftsmann gewinnen, der die Zukunft des Unternehmens entscheidend mitprägen sollte, indem er die Firma verstärkt auf die Pharmazie ausrichtete und wichtige Talente an Bord holte.