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Zehn-Minuten-Test
Das Unternehmen im Wandel
Diagnose von Blut von Patienten, die möglicherweise an Sichelzellanämie oder Malaria leiden.
Wissenschaft
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Auf der digitalen Überholspur

Obwohl erst Ende 2018 gegründet, hat die digitale Innovationsplattform Biome bereits ihr Versprechen eingelöst, neue Wege zur Entwicklung digitaler Lösungen bei Novartis zu ebnen. Die Zusammenarbeit mit dem US-Diagnostik-Startup Hemex Health könnte sich im Kampf gegen die Sichelzellenanämie, eine schwere Blutkrankheit, die allein in Afrika Dutzende Millionen und weltweit 300 Millionen Menschen betrifft, als entscheidender Schritt erweisen.

Text von Goran Mijuk, Fotos von Laura Morton

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Dank hochmoderner Diagnoseinstrumente lässt sich mit einigen Tropfen Blut binnen weniger Minuten feststellen, ob ein Patient an Sichelzellenanämie oder Malaria leidet.

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Publiziert am 15/06/2020

Für Patti White ist Geschwindigkeit alles. Die erfolgreiche Unternehmerin aus den USA ist bereits seit Jahrzehnten in der Start-up-Industrie tätig und weiss, dass Schnelligkeit, Genauigkeit und klare Kriterien unerlässlich sind, um ein Projekt von der Idee zum Erfolg zu führen.

Dennoch war sie überrascht, als Novartis sie Ende 2018 kontaktierte und ihr Diagnostikunternehmen Hemex Health innerhalb weniger Wochen an einem gross angelegten Gesundheitsprogramm zur Bekämpfung der Sichelzellenanämie in Afrika beteiligte.

«Ende 2018 erhielt ich eine E-Mail von Novartis, auf die ich aber gar nicht reagierte», erinnert sich Patti White an den ersten flüchtigen Kontakt mit Novartis. «Einige Wochen später rief mich Robin Roberts von Novartis an und bald darauf waren wir auch schon in Ghana, um dort am Sichelzellprogramm des Unternehmens mitzuarbeiten.»

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Patti White erläutert die Funktionen des Diagnosegeräts von Hemex.

In­no­va­ti­on Lab

Hemex Health wurde 2016 mit dem Ziel gegründet, Technologien dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden. Die bahnbrechenden Diagnostik-Tools, die Hemex Health zum Nachweis von Sichelzellenanämie und Malaria nutzte, waren Robin Roberts bereits aufgefallen, nachdem er Anfang 2018 mit Jacob LaPorte und Shwen Gwee Novartis Biome gegründet hatte. Ziel war es, über die Plattform mit Startups und grossen Technologieunternehmen zu kooperieren, um die Geschäftsentwicklung von Novartis zu beschleunigen.

«Biome ist keine herkömmliche Start-up-Plattform», so Roberts, der sowohl in der Arzneimittelentwicklung als auch in der digitalen Gesundheit über profundes Wissen verfügt. «Wir wollen das Spannungsfeld zwischen Tech-Firmen und Big Pharma aufbrechen und mit Unternehmen zusammenarbeiten, die Ideen und Ansätze zur Lösung realer Herausforderungen haben. So können wir die Lösungen rasch in unser Geschäft einbinden und unsere Innovationsfähigkeit und Produktivität steigern, was letztlich den Patienten zugutekommt.»

Hemex Health war hierfür bestens geeignet. Roberts, der bei Novartis zuvor in der Arzneimittelentwicklung tätig war, sah in dem Diagnostik-Tool des Startups enormes Potenzial. Auf Hemex Health war er bei einer seiner routinemässigen Recherchen in der Startup-Szene gestossen, als er nach potenziellen Partnern suchte, die aktuelle Herausforderungen von Novartis lösen könnten.

«Ich wusste, dass Patrice Matchaba, einer meiner früheren Mentoren, der heute unsere Global-Health-Aktivitäten leitet, ein neues Sichelzellprogramm in Ghana lancierte», erinnert sich Roberts. «Als ich auf Hemex Health aufmerksam wurde, vermutete ich sofort zahlreiche Synergien und rief Patrice an, um ihm von der Idee zu erzählen.» Im Rahmen des Sichelzellprogramms in Ghana hatte Novartis eine Vereinbarung mit dem Gesundheitsministerium und weiteren Akteuren über ein Konzept zur Bekämpfung der vererbbaren Blutkrankheit geschlossen, die mehr als 300 Millionen Menschen weltweit, hauptsächlich aber in Afrika, betrifft. Jedes Jahr werden allein in Ghana 15’000 Kinder mit der Krankheit geboren, die zu Schlaganfällen und schweren Infektionen führen kann. Fast 80 Prozent der erkrankten Neugeborenen erleben ihren sechsten Geburtstag nicht.

Neben der Festlegung von Behandlungsleitlinien und der Einrichtung von Kompetenzzentren stellt Novartis den Zugang zur Behandlung sicher und plant die Durchführung einer klinischen Studie mit einem Biologikum – die erste derartige Studie auf dem Kontinent.

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Robin Roberts (stehend) und Patti White bei einem Meeting im Biome in San Francisco.

Zehn-Mi­nu­ten-Test

Für die Beteiligung von Hemex Health an dem Programm sprach ein gewichtiges Argument: Mit dem Diagnostik-Tool der Firma – einer automatisierten Version des Elektrophorese-Tests im Mini-Format – lassen sich genetisch bedingte Bluterkrankungen wie die Sichelzellenanämie in weniger als zehn Minuten bestimmen.

Dies bedeutete nicht nur einen grossen Fortschritt gegenüber der herkömmlichen Diagnostik, sondern der Test bot auch die Aussicht, eines der zentralen Probleme im Kampf gegen die Erkrankung in den Griff zu bekommen.

«Mit der Lösung von Hemex Health können wir die Krankheit sofort feststellen und den Ärzten helfen, die richtigen Schritte einzuleiten respektive die Patienten bei Bedarf zu beraten.»

Robin Roberts

«Zum Nachweis der Sichelzellenanämie wird Patienten eine Blutprobe entnommen, die dann ins Labor geschickt wird», sagt Roberts. «Bis die Ergebnisse vorliegen, dauert es manchmal einige Wochen. In Afrika kann das ein grosses Problem sein.»

Aufgrund der langen Wartezeiten erhalten Patienten aus ländlichen Gebieten, die extra ein Spital aufgesucht haben, die Ergebnisse nicht vor ihrer Rückreise. Sie in ihren Dörfern aufzusuchen, ist oft schwierig, weshalb die Mehrheit die lebensrettende Behandlung nie erhält.

«Mit der Lösung von Hemex Health können wir die Krankheit sofort feststellen und den Ärzten helfen, die richtigen Schritte einzuleiten respektive die Patienten bei Bedarf zu beraten», so Roberts.

1 + 1 = 3

Nach dem Kooperationsangebot von Robin Roberts lud Patrice Matchaba Hemex Health nach Ghana ein, wo Novartis und die ghanaische Sichelzell-Stiftung ein Treffen aller Programmpartner einberiefen, um mögliche Diagnostik-Tools zu evaluieren.

«Als wir nach Ghana eingeladen wurden, um unsere Diagnostiklösung zu präsentieren, spürten wir, dass bei dieser Partnerschaft aus eins plus eins drei werden könnte», blickt Patti White zurück. «Wir konnten mit allen Beteiligten sprechen und eine Lösung erarbeiten, bei der wir Synergien mit Novartis und den Gesundheitsfachleuten aus Ghana schafften.»

Schon bald nachdem sich Novartis für eine Zusammenarbeit mit Hemex Health entschieden hatte, leitete das Unternehmen mit Unterstützung von Biome das Zulassungsverfahren in Ghana ein, woraufhin Hemex die erste derartige Zulassung überhaupt für das Gazelle-Kit in Ghana erhielt. «Im Startup-Sektor kommt es vor allem auf Schnelligkeit an», erklärt Patti White. «Das ist nicht unbedingt die Stärke grosser und komplexer Unternehmen. Novartis schafft es jedoch, mit ihrer Biome-Plattform über Grenzen hinweg Allianzen zur Unterstützung bedürftiger Patienten zu schmieden.»

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Patti White war beeindruckt vom Arbeitstempo bei Novartis. 

Das Un­ter­neh­men im Wan­del

Für Robin Roberts ist Hemex Health auch der Beweis dafür, dass Biome aus geschäftlicher Sicht für Novartis sinnvoll ist und dem Unternehmen einen Mehrwert bringt.

«Als wir Biome lancierten, wollten wir einen Weg finden, Probleme durch den Einbezug kluger Köpfe sowie Lösungen aus dem Bereich der digitalen Gesundheit anzugehen. Unser Ziel war es nicht nur, Partner zu finden und einzubinden, sondern auch, ihnen aufzuzeigen, wie sie ihre Lösungen ausgiebig testen können, damit die Entscheidung zur Nutzung und Ausweitung der Technologien auf realen Daten basiert und zum Erfolg führt. Nur so können wir das gesamte Potenzial der Lösungen im Sinne unseres Unternehmens und, noch viel wichtiger, im Sinne der Patienten ausschöpfen», so Roberts. «Mit Hemex Health haben wir gezeigt, dass dies möglich ist.»

Bislang sind über die Plattform mit ihren Niederlassungen in San Francisco, London und neu auch Hyderabad über 30 Kooperationen zustande gekommen. 

Roberts geht von einer zunehmenden Nachfrage aus, da Unternehmenslenker immer häufiger Marktscans, Pitch Meetings, Innovation Challenges und agile Sprints nutzen, die in der digitalen Produktentwicklung gängig, für Pharma- und Gesundheitsfachleute jedoch oft neu sind.

«Eine Lösung für den Sofortnachweis der Sichelzellenanämie bei Kindern und damit die Aussicht, Millionen von Menschen das Leben zu retten, bezeugt den disruptiven digitalen Geist, den wir bei Novartis verbreiten möchten und der uns dem Ziel näherbringen soll, das Leben von Menschen zu verlängern und zu verbessern.»

Robin Roberts

Die Meetings sind zudem weniger förmlich. Kürzlich brachte eine der Biome-Partnerinnen zu einer Sitzung in San Francisco ihren Hund mit – «ganz im Silicon-Valley-Stil», so unsere Fotografin Laura Morton, die 2017 für das Magazin Wired eine Serie zur digitalen Kultur in der Bay-Area veröffentlichte. 

So unkonventionell sie auf Aussenstehende auch wirken mögen, sind die Meetings doch immer zielorientiert. «Wenn du in der Tech-Branche arbeitest, wirkt alles entspannter», sagt Robin Roberts. «Trotzdem sind alle mit voller Energie darauf konzentriert, Neues zu schaffen und alte Muster abzulegen.»

Und dies sind keine leeren Worte: «Eine Lösung für den Sofortnachweis der Sichelzellenanämie bei Kindern und damit die Aussicht, Millionen von Menschen das Leben zu retten, bezeugt den disruptiven digitalen Geist, den wir bei Novartis verbreiten möchten und der uns dem Ziel näherbringen soll, das Leben von Menschen zu verlängern und zu verbessern.» 

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