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Protective gear, once the domain for workers in specialized clean rooms, has become a more commonplace sight during the coronavirus crisis.
Wissenschaft
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COVID-19 eindämmen und Patienten helfen

Die Coronakrise stellt nicht nur die Medizin vor die Herausforderung, neue Therapien und Impfstoffe zu entwickeln. Mindestens genauso anspruchsvoll ist es, die Produktion bestehender Medikamente aufrechtzuerhalten. Novartis betreibt weltweit über 60 Produktionsstätten und hat eine Reihe von Massnahmen getroffen, um die Produktion stabil zu halten und Millionen von therapiebedürftigen Patienten zu helfen.

Text von Goran Mijuk, Fotos von Laurids Jensen

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Gesichtsmasken sind seit der Coronakrise zum festen Bestandteil des Alltags geworden. Laut Allied Market Research wird der weltweite Markt für Gesichtsmasken bis 2027 auf fast 2,5 Milliarden US-Dollar ansteigen.

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Publiziert am 26/07/2020

Als China Mitte Januar 2020 während der Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahrsfest seine landesweiten Notstandsmassnahmen verschärfte, um den Ausbruch des Coronavirus zu verlangsamen, machte sich Ruibin Wang bereits Gedanken über die nächsten Monate und Jahre.

Zusammen mit seinem Führungsteam beschäftigte sich der Leiter des Pekinger Werks von Novartis jedoch nicht nur mit der aufkommenden Pandemie. Seine Hauptsorge galt den Millionen von Patienten, die auf Medikamente angewiesen sind. Wang befürchtete, dass die Patienten – insbesondere solche mit chronischen Krankheiten und regelmässigem Behandlungsbedarf – schon bald von Lieferengpässen betroffen sein würden, weil das Pekinger Werk während des Neujahrsfests geschlossen war und infolge der staatlichen Notstandsmassnahmen ein längerer Stillstand erwartet wurde.

«Der Standort war wegen der Neujahrsfeierlichkeiten geschlossen, als die Weltgesundheitsorganisation den Ausbruch des Coronavirus am 30. Januar zur ‹gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite› erklärte», erinnert sich Ruibin Wang. «An eine Wiederaufnahme der Produktion war erst zu denken, nachdem wir Massnahmen zum Schutz unserer Belegschaft und der Patienten ergriffen hatten, um von den Behörden grünes Licht zu bekommen.»

Die vom Führungsteam im Januar umgesetzten Massnahmen halfen nicht nur dem Pekinger Standort, die Produktion vergleichsweise schnell wieder hochzufahren. Auch den über 60 Produktionsstätten von Novartis rund um den Globus ermöglichten sie es, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um den Betrieb fortzuführen und weiterhin Arzneimittel für Patienten weltweit herzustellen.

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Erhöhte Körpertemperatur kann auf eine COVID-19-Infektion hinweisen. An Arbeitsplätzen auf der ganzen Welt nehmen Mitarbeitende regelmässig Messungen vor. Mancherorts sind diese zum unverzichtbaren Begleiter der Krise geworden.

Mehr­di­men­sio­na­ler An­satz

«Wir wandten einen mehrdimensionalen Ansatz mit fünf Kernzielen an: Versorgung der Menschen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Notfallmanagement, proaktive Kommunikation und enger Kontakt mit den Behörden», machte Helen Wang, Leiterin People & Organization am Standort, deutlich. 

Bei einer der telefonischen Managementsitzungen, bei denen das Unternehmen die Leiter der anderen Produktionsstätten über die neuesten Entwicklungen unterrichtete, erklärte Wang: «Neben der Verteilung von Masken an alle Mitarbeitenden wurde eine Hotline eingerichtet, um in dieser schwierigen Zeit psychologische Unterstützung anzubieten. Ebenso führten wir für indirekte Mitarbeitende Telearbeit ein.»  

Weitere Massnahmen betrafen die Messung der Körpertemperatur und tägliche Gesundheitschecks für die Mitarbeitenden, die über eine App Angaben zu ihrem Gesundheitszustand zu übermitteln hatten. Aussenstehende durften das Gebäude nur betreten, sofern sie in den letzten beiden Wochen nachweislich gesund waren. 

Es versteht sich von selbst, dass das Führungsteam auch die flächendeckende Nutzung von Desinfektionsmitteln am gesamten Standort einführte, der an stark frequentierten Orten wie Eingangstüren regelmässig gereinigt wurde. Selbst vor der Kantine wurde die Körpertemperatur der Mitarbeitenden gemessen. Zur Verringerung des Ansteckungsrisikos assen sie jeweils an separaten Tischen.

«Wir konzentrierten uns nicht nur auf das Wohl unserer Mitarbeitenden, sondern stellten durch die rechtzeitige Lieferung von Medikamenten auch sicher, dass wir unsere Verpflichtungen gegenüber den Patienten einhielten», so Wang weiter. «Hierzu stärkten wir nicht nur die Beziehungen zu unseren Lieferanten und Partnern, sondern standen auch in direktem Kontakt mit der Lokalregierung. Das war zum Beispiel äusserst wichtig, als wir unseren Vorrat an vom Staat erhaltenen Masken aufstocken mussten.»

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Eine helfende Hand gehört geschützt.

Er­kennt­nis­se und Her­aus­for­de­run­gen

Dank der ergriffenen Massnahmen lief die Produktion in Peking bereits am 3. Februar wieder an. Am 18. Februar konnte auch das Werk in Zhongshan, das aufgrund seiner Nähe zu Wuhan strengere Auflagen zu erfüllen hatte, die Produktion wieder aufnehmen. Die  lokalen Behörden hatten dort eine vorübergehende Sperre aufgehoben, damit wichtige Produktionsstätten ihren Betrieb fortsetzen konnten.

«Die in Peking eingeführten Massnahmen halfen uns, die Produktion wieder aufzunehmen und den Patienten die benötigten Arzneimittel bereitzustellen», erklärte Jack Wu, der den südchinesischen Standort Zhongshan an der Grenze zu Hongkong leitet. «Die früh ergriffenen Vorsichtsmassnahmen waren auch wichtig, damit wir ruhig und auf unsere Arbeit konzentriert bleiben und unseren Kollegen weltweit zeigen konnten, dass wir selbst unter äusserst schwierigen und ungewöhnlichen Umständen in der Lage waren, unsere Aufgabe zu erfüllen und unsere Arzneimittel so vielen Patienten wie möglich bereitzustellen», ergänzte Wu.

So wurden die in China gewonnenen Erkenntnisse auch im schweizerischen Stein umgesetzt. Die Situation wurde zwar immer schwieriger, als sich die Krise Anfang März in Europa immer weiter ausbreitete, die Regierungen die Grenzen schlossen und strenge Kontrollen sowie teilweise Ausgangssperren verhängten. Das genau an der Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland gelegene Stein am Rhein war dabei besonders betroffen, da viele Mitarbeitende entweder in Deutschland oder im nahen Frankreich wohnen. «Bisweilen mussten Kollegen bis zu vier Stunden an der Grenze warten, was eine zusätzliche Belastung im Arbeitsalltag darstellte.» 

«Am Anfang war das alles andere als einfach», erinnert sich Timo Zielony, Teamkoordinator im Werk Stein am Rhein. «Manche Menschen machten sich zunächst richtig Sorgen, da das Virus und dessen Auswirkungen auf die Gesundheit kaum erforscht waren.»

Dennoch passten sich die meisten Mitarbeitenden rasch den neuen Umständen an. Die Teams wurden in Kleingruppen aufgeteilt und arbeiteten im Schichtbetrieb, um das Ansteckungsrisiko zu verringern. «Verglichen mit dem regulären Arbeitsalltag war das recht ungewohnt, weil der Kontakt zum gesamten Team schwieriger war. Doch unter den aktuellen Umständen ist das die bestmögliche Lösung.»

Ähnlich verlief die Krise auch an den über 60 anderen Betriebsstandorten, an denen die Mitarbeitenden keine Mühe scheuten, um die hohe Nachfrage nach Arzneimitteln zu befriedigen. So gelang es den Teams am italienischen Standort Torre Annunziata sogar, mehr als je zuvor von einem wichtigen Herzmedikament zu produzieren. Bedenkt man, dass dieses europäische Land in der Coronakrise besonders stark gebeutelt war, ist das eine aussergewöhnliche Leistung.

«Alle unsere Standorte produzieren und liefern Medikamente aus», erklärte Steffen Lang, Global Head Novartis Technical Operations, bei einem Management-Meeting mit CEO Vas Narasimhan. «Was Sie alle leisten, ist aussergewöhnlich … Diese Lage verlangt von uns allen neue Herangehensweisen, insbesondere an den Standorten. Ich bin mir sicher, dass wir diese Krise dank unserer Teams, unseres Engagements und unserer Leidenschaft bewältigen werden. Bitte halten Sie durch, dann werden wir das alle gemeinsam überstehen.»

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Kolleginnen und Kollegen in Stein, die sich für einen Social-Media-Beitrag in Szene setzen, erinnern die Leute daran, zuhause zu bleiben, um die Coronakrise einzudämmen.

Home-Of­fice

Dass das gesamte Produktionsnetz von Novartis dem Ausbruch des Virus so gut trotzen konnte, war nicht nur dem soliden weltweiten Notfallsystem des Unternehmens zu verdanken. Genauso hilfreich war, dass die Mitarbeitenden bereits damit vertraut waren, von zu Hause aus zu arbeiten – ein Umstand, der sich in dieser Krise als wesentlich erwies.

Am slowenischen Standort Menges erklärte die Leiterin der Biologikaherstellung, Vesna Stergar, dass die meisten Mitarbeitenden des Biopharmazeutika-Werks von zu Hause aus arbeiteten und mit der Situation gut zurechtkämen. «Wir arbeiten derzeit im Schichtbetrieb. Tagsüber ist jeweils nur ein Produktionsleiter vor Ort, während stets ein oder zwei Prozessverantwortliche Bereitschaftsdienst haben. Sollten wir sie für einen Notfall benötigen, begeben sie sich schnellstmöglich vor Ort.»

«Die Prozesse liefen auch deswegen reibungslos ab, weil bereits vor der Krise Notfallpläne vorhanden waren und die Produktionsmitarbeitenden und Laboranten, die wie bisher vor Ort sein müssen, so engagiert und motiviert waren», freut sich Stergar. «Wir halten derzeit zwar viele Meetings online ab, im Home-Office arbeiten ist für uns aber nichts Ungewöhnliches. Bereits vor der Krise arbeiteten wir einmal pro Woche von zu Hause aus. Dies hat uns bei der Anpassung der Arbeitsmodelle während der Krise sehr geholfen, zumal uns diese Arbeitsweise bereits in Fleisch und Blut übergegangen war.» 

Beschleunigter Kulturwandel

Für Steven Baert, Chief People and Organization Officer, beweist der gelungene Umgang mit der Krise zudem, dass der unter CEO Vas Narasimhan eingeleitete kulturelle Wandel des Unternehmens erste Früchte trägt. 

So erklärte Baert die Krise in einem Interview mit Scrip zum Prüfstein für die Unternehmenskultur von Novartis. «Wie Menschen zusammenkommen, einen Gang höherschalten und mit Blick auf die Bereitstellung unserer Arzneimittel aussergewöhnliches Engagement zeigen, ist vorbildlich», legte Baert weitert dar. «Die Menschen wachsen über sich hinaus.»

Die Mitarbeitenden zeigten, dass sie auch in schwierigen Zeiten wissbegierig und kreativ sind, ergriffen aus eigenem Antrieb die Initiative, bauten Hierarchien ab und machten das Unternehmen demokratischer. Das galt auch für einige Teams in Stein am Rhein, die Kapazitäten für die Produktion von Coronavirus-Testkits in der Schweiz aufbauten. In ähnlicher Weise bündelten die Mitarbeitenden am Standort Wilson im US-Bundesstaat North Carolina ihre Kräfte, um Millionen Dosen eines Medikaments herzustellen, das auf seine Wirkung gegen das Coronavirus getestet wurde. Darüber hinaus begannen Mitarbeitende in Stein am Rhein und an weiteren Produktionsstätten, die Kapazitäten für andere Medikamente aufzustocken, die bei der Bekämpfung der COVID-19-Erkrankung helfen könnten.

CEO Vas Narasimhan, der sich wie Millionen andere an die strengen Auflagen in der Schweiz und andernorts hält und überwiegend von zu Hause aus arbeitet, dankte den Mitarbeitenden von Novartis sowie den Menschen in Pflegeberufen weltweit in einer Instagram-Videostory, die er mit seinem iPhone aufgenommen hatte. «Wo immer ich hinblicke: Ich sehe nur Helden des Gesundheitswesens. Ich bin Ihnen allen zu Dank verpflichtet. Vielen, vielen Dank von ganzem Herzen. Ich wünsche Ihnen allen weiterhin beste Gesundheit und Sicherheit, während wir diese Pandemie bewältigen.»

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Kolleginnen und Kollegen in Torre arbeiteten hart, um während der Coronakrise in Italien die Produktion von Medikamenten aufrechtzuerhalten.

Un­ter Voll­last

«Etwa zwei Wochen nach der Wiederaufnahme der Produktion in Peking waren fast alle Kapazitäten wieder hochgefahren», betonte Ruibin Wang. «Die Menschen haben sich nun an die Umstände gewöhnt und wissen, was von ihnen erwartet wird. Wir können jetzt wieder den Vollbetrieb aufnehmen und unserer Mission gerecht werden.»

Doch die Aufgabe bleibt gigantisch. In einem normalen Jahr produziert Novartis rund 70 Milliarden Arzneimitteldosen für verschiedene Indikationen, zum Beispiel herkömmliche Pillen, Biopharmazeutika sowie Gen- und Nukleartherapien. Das Unternehmen erreicht rund 800 Millionen Patienten weltweit.

Dabei ist nicht nur das Engagement von Novartis ungebrochen – inzwischen hat sich auch ein Gefühl von Stolz und Erfüllung eingestellt. «Je enger wir zusammenarbeiten, desto besser. Das ist etwas, was wir in den letzten Wochen gelernt haben», bemerkte Amit Nastik, Head NTO Strategy and Operations. «Je stärker wir Ideen und Best-Practices austauschen, desto besser. Die Herausforderungen stellen sich direkt an den Standorten und betreffen neben Transport und Logistik fast alle Bereiche. Aber es gibt auch Lösungen.»

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