Steckverbindungen von den Kopfhörern zum Smartphone, das jeder Besucher für die Dauer seines Besuchs im Pavillon erhält und das die Erklärungen zur Ausstellung speichert.
Publiziert am 20/06/2022
Nathan Ornick ist der Inbegriff eines digitalen Nomaden. Der gebürtige US-Amerikaner lebt derzeit abwechselnd in Basel und Amsterdam und arbeitet im Auftrag des Basler Medienunternehmens iart an der Entwicklung eines hochmodernen Audiosystems, einschliesslich massgeschneiderter Kopfhörer und eines Smartphone-Geräts, das die Klänge der Ausstellung «Wonders of Medicine» im Novartis Pavillon übertragen wird.
Im Laufe seiner abwechslungsreichen Karriere hat der 43-Jährige bereits Gamestudios, Werbeagenturen, Künstler, Designer und Technologieunternehmen unterstützt. Bei seinem neuen Auftrag leitet er nun ein multidisziplinäres Team aus Entwicklern, Ingenieuren, Designern und Kreativköpfen, das sich um die Konzeption der Audioelemente kümmert. Ein äusserst wichtiges Unterfangen, denn die Ausstellung «Wonders of Medicine» bietet den Grossteil ihrer Inhalte per Audio. Zwar werden auch Videos und Spiele eine tragende Rolle spielen, aber die wesentlichen Informationen werden vor allem über Kopfhörer vermittelt.
Audioguides für Kunst- und andere Ausstellungen sind in der Regel unspektakulär. Es gibt sie ja schon seit Jahrzehnten, jedenfalls spätestens seit den 1980er-Jahren, als der Walkman von Sony «street coolness» prägte und Kopfhörer zur Massenware wurden. Heute sind die eleganten kabellosen AirPods von Apple der letzte Schrei.
Aber unabhängig vom Design liegt die eigentliche Stärke von Kopfhörern in ihrer Fähigkeit, ein immersives Erlebnis zu schaffen, das dem Benutzer hilft, sich zu konzentrieren und bei der Sache zu bleiben. Dieser Logik folgend haben iart und das mitbeteiligte Stuttgarter Atelier Brückner ein Konzept entwickelt, bei dem die Besucher während der gesamten Dauer der Ausstellung Kopfhörer tragen.
Im Gegensatz zu konventionellen Audioelementen, die der Besucher per Knopfdruck abruft, um beispielsweise mehr Informationen über ein Kunstwerk zu erhalten, soll hier ein nahtloses und immersives Hörerlebnis ermöglicht werden. Das heisst, jedes Mal, wenn ein Besucher sich einem Exponat oder einer Station nähert, läuft der Audioinhalt automatisch an – ohne lästigen Knopfdruck.
Zwillingsausstellung
Doch genau das ist der Haken. Was sich so einfach und fast natürlich anhört, erforderte einen hohen technischen Aufwand: «Um ein solches Erlebnis zu schaffen, mussten wir ein komplexes Hardware- und Softwaresystem entwickeln, das für die Besucher absolut intuitiv zu bedienen ist», erklärt Ornick.
Da es keine vergleichbaren Projekte gab, die über die nötige Flexibilität und Modularität verfügten, musste iart selbst ein solches System konzipieren. «Zuerst haben wir einige handelsübliche Lösungen für Teile des Systems in Betracht gezogen, aber viele Funktionen dieser Lösungen wurden entweder nicht als notwendig erachtet oder fehlten ganz. Also bauten wir unser eigenes Ding, um eine bessere Kontrolle zu haben, und fügten unsere magische Zutat hinzu.»
Die magische Zutat von iart ist das, was Ornick «Mixed Reality Platform» nennt – das technologische Gerüst, das Komponenten der erweiterten und virtuellen Realität integriert und mit realen, physischen Dingen im Raum interagiert. Dabei ist das Ganze elegant verpackt – in schicken Kopfhörern und einem Smartphone, auf dem die Inhalte gespeichert sind.
Um das massgeschneiderte Audiosystem zu entwickeln, haben Ornick und seine Kollegen die Ausstellung wie ein Videospiel behandelt und einen digitalen Zwilling des Pavillons geschaffen. «Wir haben den Pavillon als 3-D-Raum nachgebaut. Und innerhalb dieses architektonischen Raums haben wir eine Spiellogik entwickelt, um zu steuern, was wo und wann passiert», erklärt Ornick.
Wenn sich also ein Besucher in einem bestimmten Bereich befindet, wie etwa ein Spieler in einem Spiel, löst das System einen Befehl aus. Aber das System kann auch komplexere Interaktionen verarbeiten: Hat etwa ein Besucher eine Reihe von Aktionen wie A, B und C abgeschlossen, wird automatisch Aktion D ausgelöst. «Wenn Sie sich zum Beispiel einen Film bis zum Ende angesehen haben», erläutert Ornick, «schaltet unser System automatisch tiefere Inhalte für Sie frei.»