Der Guayabi (Patagonula americana) ist ein typischer südamerikanischer Nutzholzbaum. Sein Stammdurchmesser beträgt rund 70 bis 80 Zentimeter, während er eine Höhe von 10 bis 25 Metern erreicht. Der kleinere Parasit im Vordergrund ist eine Higuera (Ficus benjamina) bzw. eine Birkenfeige.
Publiziert am 22/02/2021
Wenn nachts in den Wäldern nahe Puerto Lopez im Herzen Kolumbiens Stille einkehrt, das Gekreische der Papageien verstummt, die Pumas lautlos im Unterholz jagen und die Affen in den mächtigen Baumkronen leise schlummern, werden zwei neue Geräusche wahrnehmbar: der Atem und der Herzschlag der Bäume.
Wer an den Stamm eines jungen Tanimbuca- oder Guanandi-Baums, einer Kiefer oder eines duftenden Eukalyptusbaums ein Stethoskop anlegt, kann hören, wie die Bäume Wasser von den Wurzeln in die Zweige, die Baumwipfel und die Blätter pumpen, das Wasser als feinen Nieselregen wieder ausatmen und den gesamten Wald mit einem filigranen Schleier aus frischem Morgentau überziehen. Millionen neu gepflanzter Bäume in Kolumbien, Argentinien, Mali und China reihen sich in dieses sich täglich wiederholende Naturschauspiel ein. Sie alle tragen dazu bei, die Treibhausgasemissionen der globalen Produktions- und Geschäftsaktivitäten von Novartis auszugleichen.
Die Idee, riesige Wälder anzupflanzen, entstand zu Beginn dieses Jahrtausends, als sich Novartis dem United Nations Global Compact anschloss. Global Compact ist eine internationale Initiative, die Unternehmen vermehrt zu Umweltschutz und sozialer Verantwortung verpflichtet. Parallel zu den verschiedenen Massnahmen zur CO2-Reduktion beschloss das Unternehmen, in Kohlenstoffsenken zu investieren, also in natürliche Reservoire, die Kohlenstoff aufnehmen und binden, und weltweit Forstprojekte zu starten. Seitdem wurden an vier Projektstandorten rund 15 Millionen Bäume gepflanzt. Diese Bäume haben Novartis in den letzten zehn Jahren geholfen, jährlich rund 6 Prozent der verursachten Kohlenstoffemissionen zu kompensieren.
Ökologisch und finanziell nachhaltig
In diesem Zeitraum war Markus Lehni, der 2005 als Group Global Head Environment and Energy zu Novartis stiess, Koordinator der umfangreichen Aufforstungsprojekte. Er und sein Team wollten nicht einfach nur Kohlenstoffsenken anlegen, sondern vielmehr Forstprojekte konzipieren und umsetzen, die strengen ökologischen und sozialen Massstäben gerecht wurden. Gleichzeitig waren forstwirtschaftliche Initiativen gefragt, die langfristig auch wirtschaftlich tragfähig sind.
«Wir wollten Projekte schaffen, die zur Verbesserung unserer CO2-Bilanz beitragen und die Standorte ökologisch aufwerten, indem lokale Gemeinschaften von diesen Wäldern profitieren. Diese Kombination sollte die Projekte finanziell tragbar machen», nennt Lehni die ursprünglichen Ziele. «Doch das war alles andere als einfach. Lassen wir die letzten Jahre Revue passieren, haben wir gute Fortschritte erzielt, aber auch sehr viele Erfahrungen gesammelt, insbesondere was den Anteil der Eigenfinanzierung unserer Projekte betrifft.»
Holz – ein Rohstoff mit Tücken
Das erste und bis dato am weitesten fortgeschrittene Projekt ist die 3400 Hektar grosse Farm Santo Domingo im subtropischen Nordosten Argentiniens. Santo Domingo wurde 2006 ins Leben gerufen und bescherte Lehni und seinem Team von Anfang an eine steile Lernkurve. Zusammen mit dem lokalen Forstbetrieb Grupo Manejo Forestal koordinierte das Novartis-Team die Anpflanzung tausender Kiefern, gelber Jakarandabäume und australischer Silbereichen. Neben diesen exotischen Sorten pflanzte man auch mehr als ein Dutzend einheimischer Baumarten aus lokalen Wäldern.
Der aktuell 20 Mitarbeitende zählende Forstbetrieb hat dazu beigetragen, das Gros der CO2-Emissionen von Novartis auszugleichen. Zusätzlich verkauft er durch gezielte Ausdünnung Holz und erwägt, künftig Kiefernharz abzubauen und damit wirtschaftlich stärker auf eigenen Füssen zu stehen. Die vielfältigen Waldbestände bieten zahlreichen Säugetieren wie Grosswild, Pumas und Wasserschweinen, aber auch vielen Reptilien und Vögeln einen neuen Lebensraum, der sich als Verbund von Waldinseln, Wildpassagen und Lichtungen präsentiert.
Obwohl der Wald von Santo Domingo Novartis bei der Kompensation ihrer Treibhausgasemissionen ohne Frage wesentlich geholfen hat, waren die langfristig gesteckten finanziellen Ziele noch nicht zu erreichen. Hauptursache dafür ist die gegenwärtig prekäre Wirtschaftslage Argentiniens. «Der Holzpreis ist derzeit am Boden», stellt Lehni klar. «Die Kosten für die Holzernte sind so hoch wie das mit dem Holz erzielte Einkommen. Trotz der aktuell ungünstigen Marktlage sind wir aber davon überzeugt, dass Santo Domingo in nächster Zeit eine ausgeglichene Rechnung aufweisen und die Kohlenstoffbindung mithilfe einer vielfältigen und reichhaltigen Flora und Fauna weiter steigern wird.»
Jatrophapflanzen sind kein Allheilmittel
Unvorhergesehene Schwierigkeiten gab es für Lehnis Team auch in Mali, wo es sich 2007 an einem bestehenden Projekt zur Anpflanzung von Jatropha beteiligte. Die robusten Sträucher sollten nicht nur CO2 binden, sondern auch den Kleinbauern, denen diese Sträucher gehören, ein zusätzliches Einkommen bescheren, lassen sich doch die ölhaltigen Jatrophafrüchte zur Herstellung von Biotreibstoff, Seife und Biodünger verwenden.
Wie Lehni klarstellt, wurden die reinen Jatrophakulturen den hohen Ertragserwartungen aber nicht gerecht, da sie in einem trockenen Klima nur schwer gedeihen. Die für das Überleben und Wachsen des Strauches erforderliche Wassermenge sowie dessen unregelmässige Erträge gefährdeten das Projekt grundlegend. «Nachdem sich Jatropha als problematisch erwiesen hatte, erweiterten die lokalen Partner den Umfang des Projekts und verlagerten ihre Anstrengungen mehr und mehr auf essbare Nutzpflanzen wie Cashewbäume», so Lehni weiter.
Die 10 bis 12 Meter hohen Cashewbäume sind vergleichsweise anspruchslos und werden seit dem 16. Jahrhundert in Afrika angebaut, nachdem sie die Portugiesen aus Brasilien eingeführt hatten. «Cashewnüsse aus Westafrika bestreiten den drittgrössten Anteil am Weltmarkt nach Vietnam und Indien», führt Lehni aus. «Also stellten wir von reinen Jatrophakulturen auf eine Mischkultur mit Cashewbäumen und weiteren geeigneten Nutzpflanzen um. Wie in der Vergangenheit dient Jatropha nunmehr als Schutz vor Erosion.» Dank dieser Kehrtwende hilft das Projekt nicht nur, CO2 zu absorbieren. Es gibt im ländlichen Mali rund 40 Menschen Arbeit und verschafft Tausenden von Kleinbauern, die künftig Cashew- und Jatrophanüsse verkaufen können, ein Einkommen.