«Für uns ist dieses Programm eine herausragende Chance. Wenn es uns gelänge, notleidenden Patienten zu helfen und die medizinische Praxis zu verändern, wäre das ein riesiger Erfolg.»
«Für uns ist dieses Programm eine herausragende Chance. Wenn es uns gelänge, notleidenden Patienten zu helfen und die medizinische Praxis zu verändern, wäre das ein riesiger Erfolg.»
Roland Hammond-Addo.
«Die Ärztin in Accra fand deutliche Worte. Sie sagte, wir sollten nicht – so wie andere Unternehmen – ein Projekt beginnen und dann wieder verwerfen», erinnert sich Fionnuala Doyle, die zu jener Zeit als Head of Oncology Policy & Healthcare Systems bei Novartis tätig war. «Wir gaben ihr unser Wort und versprachen, so etwas nicht zuzulassen.»
Das Projekt, auf das sich die Ärztin bezog, betraf ein 2014 gestartetes sechsmonatiges Programm* zur Ausarbeitung eines theoretischen Konzepts zur Verbesserung der Heilungschancen für Menschen mit Sichelzellenanämie in Subsahara-Afrika.
Nach Ende des Programms legte Doyles Team einen Plan vor. Doch Doyle und einige andere brachten es nicht fertig, die bereits begonnene Arbeit ruhen zu lassen, hatten sie der Ärtzin doch ein Versprechen abgegeben. So hatten sie denn auch eigene Mittel aufgetrieben, um ihre Partner in Afrika zu besuchen. Ihre Hoffnung auf Erfolg machte sie so ehrgeizig, dass sie sich um zusätzliche finanzielle Unterstützung bemühten, um ihr Projekt noch fortführen zu können.
Ihr Engagement schuf Vertrauen und Glaubwürdigkeit, sodass schliesslich das wesentlich umfangreichere Novartis Africa Sickle Cell Disease Program ins Leben gerufen wurde. Im Rahmen dieses Programms zogen sie gemeinsam mit Jonathan Spector, dem Leiter der Global-Health-Aktivitäten der Novartis Institutes for BioMedical Research (NIBR), an einem Strang.
«Auch wenn wir zu Beginn um jeden Rappen kämpfen mussten, stand es für uns ausser Frage, unsere Partner und ihre Patienten im Stich zu lassen», unterstreicht Doyle. «Dann traf ich Jonathan. Er und Jay Bradner hatten die Ressourcen, mit denen man noch viel mehr tun konnte. Ich freue mich ungemein, dass auch Novartis mit im Boot ist.»
Direkte Chancen für klare Verbesserungen
Zunächst ging es darum, den richtigen Ausgangspunkt in Afrika zu finden. Auf der Suche nach einem Land mit klaren medizinischen Bedürfnissen und den besten Rahmenbedingungen für nachhaltigen Erfolg stiess das Team rasch auf Ghana. Grund waren die politische Stabilität mit einem vergleichsweise etablierten Gesundheitssystem sowie die enormen Lücken in der medizinischen Versorgung.
«In Ghana erlebten wir hautnah, wie an Sichelzellenanämie erkrankte Menschen fortwährend mit fürchterlichen Schmerzen kämpfen mussten», macht Doyle deutlich. «Dabei stehen ihnen nicht einmal die einfachsten Gegenmittel zur Verfügung, wie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Schmerzbehandlung, die enorme Abhilfe schaffen können.»
Hinzu kam, dass es in Ghana keine einheitlichen Therapierichtlinien gab. Je nach Wohnort wurden die Patienten völlig unterschiedlich behandelt. So wurden Neugeborene in Kumasi, der zweitgrössten Stadt Ghanas, einem Screening unterzogen, das ihnen zumindest eine minimale Behandlung ermöglichte. Doch in der Hauptstadt Accra gab es ein solches Screening nicht.
«In Accra stellten Eltern ein- oder zweijährige Kinder vor, die bereits vermeidbare Anfälle erlitten hatten», ergänzt Doyle. «Diese Kinder starben, weil sie nicht untersucht worden waren und ihre Eltern die allgemeinen Anzeichen für eine Sichelzellenkrise nicht kannten.»
Das Nkwa-ji- oder Saving-Lives-Projekt
Unterstützt von Roland Hammond, dem lokalen Novartis Area Manager, traf das Team während seiner Ghana-Reise mit Hämatologen, Pflegekräften, Patientenvereinigungen, Nichtregierungsorganisationen, Blutbanken und Politikern vor Ort zusammen. Dabei lernten sie Dr. Kwaku Ohene-Frempong kennen, einen weltweit renommierten Experten für Sichelzellenanämie und Urheber des Screening-Programms in Kumasi.
Der Plan Doyles und ihrer Mitstreiter mündete schliesslich in das sogenannte Nkwa-ji- oder Saving-Lives-Projekt. Über dessen erstes Ziel waren sich alle einig: einheitliche Therapierichtlinien mit besonderem Schwerpunkt auf dem Neugeborenen-Screening. Im Anschluss sollten Care-Pakete mit grundlegenden Schmerzmitteln zusammengestellt und das Arzneimittel Hydroxyurea erschwinglich gemacht werden. Auch wenn das Mittel in den USA und der EU seit Jahrzehnten als Standardtherapie gilt, war und ist es in vielen Teilen Afrikas noch immer unbezahlbar.
«Keiner der Ärzte verschrieb Hydroxyurea oder zog es überhaupt nur in Erwägung, weil es einfach zu teuer war», betont Doyle. «Doch als wir wissen wollten, ob sie das Medikament verwenden würden, wenn es billiger wäre, antworteten fast alle mit einem eindeutigen Ja! Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Berge dieses Medikament versetzen würde!»
Blaupause für die Zukunft
2015 traf Doyle auf Spector, der schon bald darauf an einem Kongress über Sichelzellenanämie in Afrika teilnahm, auf dem erstmals die neuen einheitlichen Therapierichtlinien für Ghana präsentiert wurden. Durch Spectors Unterstützung gewann das Projekt mehr und mehr Dynamik und Ressourcen und wurde zu dem, was es heute ist.
«Als ich Jonathans Zukunftskonzept begriff und wusste, dass Jay Bradner hinter ihm stand, war mir klar, dass da etwas ganz Grossartiges im Entstehen war», so Doyle. Obwohl sie die Leitung des Nkwa-ji-Projekts inzwischen an Spector und andere übergeben hat, steht sie weiter zu ihrem Versprechen gegenüber der Ärztin in Accra. «Zwar habe ich inzwischen etwas Abstand gewonnen, doch nachts träume ich bisweilen noch immer von ihr.
Fakten zur Sichelzellenanämie
Sichelzellenanämie ist eine Erbkrankheit, bei der sich die roten Blutkörperchen verformen. Die Krankheit ist nicht nur äusserst schmerzhaft, viele Patienten leiden auch unter schwerwiegenden Nachfolgeerkrankungen. Gemäss Schätzungen leiden weltweit rund vier Millionen Menschen an der Krankheit. Die meisten Patienten leben in Subsahara-Afrika.
* Programm-Teilnehmende: Ann Parniex, Ming Xu, Marina Udier, Lisa Deschamps und Karen Netherton.