Spielerisches Mobbing mit einem klaren Ziel: Konflikte zu verhindern.
Publiziert am 30/08/2021
Die Schülerinnen und Schüler der 4. bis 6. Primarklassen Lampenberg im Kanton Baselland sitzen in ihre Aufgaben vertieft an ihrem Platz. Die Lehrerin Tanja Brogli geht zwischen den Schulbänken auf und ab, schaut auf die Blätter, gibt dort einen Tipp, stellt da eine Frage und erklärt dort nochmals kurz die Aufgabenstellung. Irgendwann legt sie – im Rahmen eines Rollenspiels – einer Schülerin einen gelben Zettel aufs Pult, auf dem geschrieben steht: «Hast du Lust, mit mir zu streiten? Komm an mein Pult und wirf einfach etwas runter.»
Das Mädchen schmunzelt und wartet einen Moment. Dann steht sie auf, geht zum Pult von Frau Brogli und wirft dort die Stifte und Hefter herunter. Die Lehrerin reagiert aufbrausend und beschuldigt das Mädchen, die Dinge mit Absicht heruntergeworfen zu haben. Das Mädchen kontert: «Das war nicht Absicht, ich bin aus Versehen darangekommen!» Die Lehrerin braust auf: «Stimmt doch nicht, du wirfst ständig Dinge von mir auf den Boden! Mir reicht es!» Die Auseinandersetzung geht weiter, der Rest der Klasse hört immer aufmerksamer zu, bis ein Kind dazwischenfährt: «Hey, stopp! Geht auseinander!» Das Kind holt das Streitseil, platziert die Lehrerin an das eine Ende und das Mädchen ans andere und versucht zu schlichten. «Was ist denn passiert, Frau Brogli?»
Tanja Brogli unterbricht den Unterricht regelmässig mit solchen kurzen Rollenspielen, um Mobbing und Gewalt vorzubeugen. Ähnliche Situationen aus der eigenen Schulzeit haben viele noch in bester Erinnerung: Eine Mitschülerin oder ein Mitschüler – oder sogar man selber – ist ein wenig anders. Vielleicht etwas dicklich, unsportlich oder nicht hip gekleidet, gibt oft falsche Antworten oder gilt aufgrund der religiösen Ausrichtung oder der Herkunft der Eltern als Aussenseiter.
Aus unserer heutigen Erwachsenensicht sind es oft Nichtigkeiten, aber sie reichten aus, um Klassenkameradinnen oder -kameraden aus dem sozialen Gefüge der Schulklasse auszuschliessen. Früher hatte man noch kein Wort dafür. Doch in der Summe waren die ständigen Sticheleien, die Ausübung verbaler und psychischer Gewalt durch einen Klassenverband gegen Einzelne das, was man heute Mobbing nennt. Oft versuchen die Betroffenen, sich nichts anmerken zu lassen, fressen Wut und Scham in sich hinein, so dass Eltern und Lehrpersonen sehr spät – in manchen Fällen sogar zu spät – bemerken, was eigentlich vor sich geht.




