Die Leiter des Institute for Molecular and Clinical Ophthalmology Basel, Botond Roska...
Publiziert am 14/09/2022
Als die Schweiz 2021 aus dem prestigeträchtigen, 95,5 Milliarden Euro starken Forschungsprogramm Horizon teilweise ausgeschlossen wurde, weil es nicht gelungen war, ein Rahmenabkommen mit der Europäischen Union zum Abschluss zu bringen, war die Schweizer Wissenschaftselite konsterniert. Nicht nur Forscher an den Hochschulen läuteten die Alarmglocke. Matthias Leuenberger, Länderpräsident von Novartis Schweiz und Präsident des Wirtschaftsverbandes scienceindustries, warnte öffentlich vor den möglichen langfristigen negativen Folgen dieses Schritts.
Während Leuenberger und Michael Hengartner, Präsident der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, die Regierung aufforderten, alles zu tun, um den vollen Zugang der Schweiz zu Horizon Europe wiederherzustellen, versuchten sie auch, eine Ausweichoption zu formulieren: «Solange die Schweiz nicht mit Horizon Europe assoziiert ist, sind weitere Massnahmen nötig, um die herausragende Qualität und Wettbewerbsfähigkeit des Forschungs- und Innovationsstandortes Schweiz zu erhalten», schrieben sie in einem offenen Brief. «Wir fordern den Bundesrat auf, diese Massnahmen unverzüglich einzuleiten und die entsprechenden Mittel dafür bereitzustellen.»
Sie untermauerten ihre deutliche Formulierung mit Zahlen: Die Schweiz war einer der grössten Nutzniesser des vorhergehenden EU-Förderprogramms Horizon 2020, über das die Wissenschaftler des Landes, insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen, mit rund 2,2 Milliarden Euro unterstützt wurden. Nur die Beiträge des Schweizerischen Nationalfonds von rund 4,8 Milliarden Franken übertrafen diese Summe. Die Finanzierung von Hunderten von Projekten stehe auf dem Spiel, warnten Hengartner und Leuenberger.
Das Finanzloch ist allerdings nicht das einzige Problem. Die Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten ist wichtig, und die Regierung hat bereits Lösungen entwickelt. Neben dem finanziellen Verlust ist vor allem auch der beschränkte Zugang zur Forschergemeinde in der EU lähmend, da Wissenschaft ebenso sehr von Menschen wie vom Geld abhängt.
Wissenschaftliche Qualität
Dirk Schübeler, Direktor des Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research (FMI) in Basel, das in der Vergangenheit stets hohe Fördermittel des European Research Council (ERC) erhalten hatte und zu den erfolgreichsten Instituten in Europa gehört, äussert sich dazu wie folgt: Der teilweise Ausschluss aus Horizon Europe «macht uns sehr nervös». Obwohl die Chancen, dass die Verbindungen schnell wiederhergestellt werden, relativ gering sind, hofft er, «dass dies alles nur vorübergehender Natur ist».
Schübeler befürchtet vor allem, dass die Begutachtung von Projekten, die ein wichtiger, aber in der öffentlichen Debatte über Horizon wenig diskutierter Aspekt ist, zu einem weiteren Hindernis wird, selbst wenn die Schweiz ihren Wissenschaftlern aus dem Hochschulbereich zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt. «Wir können uns nicht vorstellen, dass dies ewig so weitergehen wird, denn es wäre sehr schwierig für die Schweiz, ein Programm dieser Art innerhalb des eigenen Landes einfach zu kopieren, weil die Forschung so vielfältig und spezialisiert ist», so Schübeler weiter.
Der ERC verfügt über 25 verschiedene Gremien, die alle Wissenschaftsbereiche abdecken und Forschungsprojekte begutachten. «In einem kleineren Rahmen wie dem der Schweiz ist es wesentlich schwieriger, solche Gutachten vorzunehmen, da hier nur ein oder zwei Forschungsgruppen an einem bestimmten Thema arbeiten. Woher sollten wir die Experten nehmen, die sie begutachten? Es braucht eine gewisse Zahl an Wissenschaftlern, um bei der Beurteilung der Qualität der Arbeit eine kritische Masse zu erreichen.»