Theater Basel: keine Dialoge, keine Aufführungen, keine Schauspieler, keine Zuschauer und kein Pausensekt.
Publiziert am 05/06/2020
Eine Stadt unter Lockdown ist eine gespenstische Stadt. Sie erinnert an Filme mit verwaisten Grossstadtszenerien. Plätze und Strassen sind nahezu menschenleer. Eiserne Rollläden verbergen die Auslage, und Ladenbesitzer informieren Passanten mit Zetteln an den verschlossenen Türen über den Grund der vorübergehenden Schliessung: CORONA.
An den Schulen wird nicht unterrichtet. Der Lärm der Pausenhöfe, das Oh-my-God-Gekreische der Backfische ist verstummt und das Imponiergeschwätz der Halbstarken ist auch nicht zu vernehmen. Man hört niemanden ins Smartphone brüllen. Die plötzliche, ungewohnte Leere öffentlicher Plätze macht uns leise und wirft uns auf uns selbst zurück. Wir üben uns in ungewohnter Zurückhaltung und beachten, wie verordnet, den vorgeschriebenen Mindestabstand.
Das ist sie jetzt: die neue Welt
Der Satz Das ist sie jetzt: die neue Welt auf dem Leuchtband stammt von einer Produktion des Theaters Basel. Es ist, als würde der Satz die Stadt mit einem Schleier belegen; er zieht wie ein böser Geist durch die Alleen, Strassen und Gassen und löst die gewohnte Freiheit in Luft auf. Die Dämmerung macht die Stadt noch verletzlicher, noch einsamer. Sie mutet wie eine von heute auf morgen verlassene Goldgräberstadt an. Auch wenn keine Zeichen der Zerstörung zu sehen sind, fühlt man, dass die Seele der Stadt angegriffen wurde.
Die Menschen in Basel müssen zu Hause bleiben. Bisweilen finden sich Zeugnisse dieser verletzten Seele, zum Beispiel in Form weggeworfener Schutzmasken. Einsame Schatten huschen an Mauern entlang. Wer Glück hat, sieht einige Menschen, die das warme und sonnige Wetter geniessen. Ist der Preis, den sie dafür zu bezahlen haben, ein schlechtes Gewissen?