In einer der Patientenstationen im Novartis Pavillon wird Myersons Geschichte nacherzählt. Ihr Vater und ihre Kinder sind auch dabei.
Publiziert am 01/06/2020
Wenn Claire Myerson über ihre Brustkrebserkrankung spricht, fallen zwei Dinge auf: ihre Lebensfreude und ihre Offenheit in Bezug auf die körperlichen und emotionalen Herausforderungen, die das Leben mit dieser Krankheit mit sich bringt.
Die 53-Jährige lebt unweit von Oxford, in Grossbritannien. Ihre Krebsdiagnose erhielt sie vor zehn Jahren. Die Krankheit hat ihr Leben auf den Kopf gestellt. Claire Myerson war bereits mehrere Jahre in Behandlung, als sie erfuhr, dass sich der Krebs auf ihre Knochen ausgedehnt hatte. Sie traf daraufhin die schwierige Entscheidung, ihren Job als Chief Information Officer bei einem britischen Pharmaunternehmen aufzugeben. Seither verwendet sie ihre Energie darauf, ihr Leben zu geniessen und sich für Frauen einzusetzen, die mit derselben Krankheit konfrontiert sind.
Dank ihrer Erfahrung als IT-Expertin in der Pharmaindustrie bringt Claire Myerson einzigartige Perspektiven in unterschiedliche Interessenvertretungen ein. Sie arbeitet mit Patientenorganisationen in Grossbritannien zusammen, um Krebserkrankungen zu entmystifizieren und ihnen das Stigma zu nehmen. Sie sammelt Spenden für die Krebsforschung. Sie unterstützt Forschende bei der Konzeption klinischer Studien, damit experimentelle Therapien an Patienten getestet werden können. Und sie teilt die Geschichte über ihr Leben mit dem Krebs mit anderen Patientinnen, den sie behandelnden Ärzten und Krankenschwestern sowie Forschenden, die an der Entwicklung neuer Therapien arbeiten.
Ihre Geschichte wird auch in der Ausstellung «Wonders of Medicine» im Novartis Pavillon präsentiert. Anlässlich eines Besuchs im Pavillon sprach Claire Myerson unlängst über das Thema Krebs, ihr Engagement und ihre Sicht auf das Leben. Hier eine Zusammenfassung des Gesprächs, das sie mit Branchenexperten im Rahmen einer Podiumsdiskussion führte.
Wie hat sich die Krebserkrankung auf Ihr Leben ausgewirkt?
Die Antwort auf diese Frage ist ziemlich kompliziert. 2013 wurde bei mir ein HER2-positives Mammakarzinom diagnostiziert. 2015 musste ich leider der Tatsache ins Auge sehen, dass der Krebs auch meine Knochen befallen hatte. Er sitzt also in meinem Becken, meinen Rippen und meiner Wirbelsäule.
Seit dieser Diagnose habe ich die gesamte Bandbreite der verfügbaren Behandlungen erhalten: Chemotherapie, Strahlentherapie, Mastektomie und rekonstruktive Operationen. Seit nunmehr acht Jahren werden mir Krebsmedikamente intravenös verabreicht. Ich gehe alle drei Wochen ins Krankenhaus nach Oxford, wo ich eine gezielte Krebstherapie bekomme. Und ich werde diese Therapie fortsetzen, so lange sie funktioniert. Im Moment tut sie das; sie verhindert, dass die Krebserkrankung fortschreitet.
Durch die vielen Wiederholungen ist die Behandlung allerdings psychisch und körperlich anstrengend. Ich habe wirklich Mühe mit dem Einschlafen. Ich habe oft Schmerzen. Manchmal ruft die Behandlung Symptome hervor wie in den Wechseljahren. Manchmal kann ich aus Sorge und Angst vor dem, was mit mir passiert, nicht schlafen. Das Medikament schlägt mir auf den Magen und verursacht grosse Übelkeit. Es hat schlimme Auswirkungen auf meine Nägel und meine Haut. Meine Augen tränen, meine Nase läuft und ich habe seltsame Nervenschmerzen in den Füssen und Händen. Es fühlt sich an, als würde ich von tausend Bienen gestochen.
Aber trotz alledem bin ich immer noch hier. Die Nebenwirkungen des Medikaments sind auszuhalten. Entscheidend ist: Es hält mich am Leben. Und meine grösste Hoffnung war immer, lange genug am Leben zu bleiben, bis die Wissenschaft etwas anderes findet, das mich noch länger am Leben hält.
Das ist einer der Gründe, warum ich mich so intensiv für die Patientenvertretung engagiere. Indem ich über meine Erfahrungen spreche, hoffe ich, die Forschenden weiter zu inspirieren und ihre Arbeit zu unterstützen, die es mir ermöglicht, weiterzuleben. Das hat mir wirklich wertvolle Lebenszeit geschenkt und lässt mich für die Zukunft weiter hoffen.
Sie bringen auch Ihre Erfahrung als Krebspatientin in die Forschung ein. Was treibt Sie an?
Ich wollte mich einbringen, weil ich glaube, dass es sehr wichtig ist, Klartext zu reden, damit die Patientinnen und Patienten die Therapie und ihre wahrscheinlichen Auswirkungen vollumfänglich verstehen. Sie können also – wenn ihnen die Möglichkeit geboten wird, an einer klinischen Studie teilzunehmen – ihre Einwilligung geben; sie können ja (oder nein) sagen: «Ich bin damit einverstanden, diese Behandlung zu erhalten, weil ich weiss, was mit mir geschehen wird.»
Wenn das unser Ziel ist, dann müssen wir direkt am Anfang ansetzen: wenn das Medikament noch nicht viel mehr als eine Idee ist. Ich glaube auch, dass es sehr wichtig ist, in jeder Phase der Entwicklung eines Medikaments auf die Stimme der Patientinnen und Patienten zu hören und die Vorgehensweise der Forschenden während des gesamten Prozesses immer wieder anzupassen. Umso grösser und effektiver wird schliesslich die Wirkung auf die Krebserkrankung und die Patientinnen und Patienten sein.
Zu den Nebenwirkungen und zur Einwilligung kann ich Ihnen einige persönliche Erfahrungen schildern: Wenn Sie beispielsweise so starken Durchfall haben, dass Sie buchstäblich nicht nach draussen gehen und nichts unternehmen können, weil Sie die ganze Zeit in der Nähe der Toilette bleiben müssen, dann ist das, würde ich sagen, keine akzeptable Lebensqualität.
Wenn man zusätzliche Medikamente gegen Durchfall nehmen muss und dann so stark unter Verstopfung leidet, dass man sich jeden Tag schlecht fühlt, und wenn man diese Prozedur – monate- oder jahrelang – alle drei Wochen durchmachen muss, kann man mit Recht sagen: «Nein, danke. Das ist nichts für mich.»
Ein weiteres Beispiel ist die Gewichtszunahme. Ich habe kürzlich an einer klinischen Panelstudie teilgenommen, die sich mit der Nebenwirkung eines experimentellen Medikaments befasste. Glauben Sie mir, wenn Sie sich einer Krebstherapie unterziehen und Ihre Haare ausfallen und Ihr geschwächtes Immunsystem Sie anfällig für jeden Husten, jede Erkältung und jede Grippe macht, dann ist Ihnen Ihre körperliche Erscheinung sehr wichtig. Bei einem Medikament, das gegen Ihre Krebserkrankung wirkt, aber eine enorme Gewichtszunahme verursacht, geraten die Patientinnen und Patienten definitiv ins Grübeln.