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Realistischer Rebell

Florian Bombards Liebe zu Natur und Umwelt mögen angesichts seines Vornamens, der Blumen und Pflanzen evoziert, natürlich erscheinen. Doch erst in späteren Jahren begann Bombard, sich für die Umwelt zu engagieren, was den Wissenschaftler zunächst mit seinem ehemaligen Arbeitgeber in Konflikt brachte. Bei Novartis trug sein starkes Umweltbewusstsein dazu bei, eine grüne Revolution anzustossen.

Text von Goran Mijuk, Fotos von Laurids Jensen

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Florian Bombard lässt ein Nein als Antwort nicht gelten.

Publiziert am 08/03/2021

Florian Bombard sieht nicht aus wie ein Rebell. Er trägt keine sichtbaren Tattoos, keinen hippen Haarschnitt und kein ausgefallenes Outfit. Der bei den Novartis Institutes for BioMedical Research tätige Wissenschaftler hat jedoch viele Wesenszüge, die einen unruhigen Geist ausmachen: einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, Skepsis gegenüber dem Status quo und eine unbändige Energie, Dinge verändern zu wollen. In seinem Fall: den Umgang der Pharmabranche mit begrenzten Ressourcen.   

Alles begann während seines früheren Jobs in Frankreich. Dort verlor er irgendwann den Glauben an die Sinnhaftigkeit seiner Arbeit und stellte den Umgang mit natürlichen Rohstoffen infrage. Während dieser Zeit, so erinnert sich Bombard, «geriet ich mit meinem Vorgesetzten in Konflikt. Irgendwann war dann der Zeitpunkt gekommen, dass ich sagte: ‹Es reicht.›» Dies ereignete sich vor mehr als elf Jahren und löste eine längere Phase der Selbstfindung aus.   

Sein Eintreten für den Naturschutz und das Schicksal kommender Generationen sowie seine Überlegungen zur Nachhaltigkeit wurden durch die Geburt seiner ersten Tochter und seinen Eintritt bei Novartis Ende 2008 noch verstärkt. «Ich habe jahrelang darüber nachgedacht, wie wir im Labor arbeiten», sagt Bombard und erinnert sich daran, wie er sich damals bemühte, seine innere Berufung in Worte zu fassen. «Drei Jahre lang las ich mich auf den Zugfahrten von Strassburg nach Basel immer mehr in die Thematik ein und schrieb meine Ideen nieder. Das war für mich eine sehr persönliche Erfahrung. Auf diese Weise konnte ich meine Überzeugungen stärken und meinen eigenen Weg finden.»

Basisbewegung

Bei Novartis geriet Bombard nicht in Konflikt mit seinen Kollegen. Im Gegenteil: Es gelang ihm, seine Ideen in die Tat umzusetzen und eine Umweltbewegung anzustossen, die das Unternehmen dazu bringen könnte, künftig anders zu forschen und Medikamente auf neue Weise zu produzieren.

Alles begann im Jahr 2012 in einem Labor, in dem Bombard als Biologe tätig war: Nachdem er sich über seine innere Berufung klargeworden war, kritisierte Bombard ganz offen die Tatsache, dass rund 80 Prozent des unbelasteten Abfalls, der in seinem Labor anfiel, aus Kunststoff bestand, der damals achtlos weggeworfen wurde. Bombard wollte dies ändern und fragte den Gebäudeverantwortlichen, ob er nicht auf der Laboretage und im Abfallsammelraum einen Behälter aufstellen könnte, um das Material zu sammeln.   

«Als die Sammelbehälter da waren, begann ich, meine Kollegen dazu zu bewegen, sich meinem Recycling-Vorhaben anzuschliessen. Ihre Reaktion war durchwegs positiv», so Bombard gegenüber live im Jahr 2016, als das Magazin über die ehrenamtliche Arbeit von Novartis-Mitarbeitenden in aller Welt berichtete.    

Zu den vielen Kolleginnen und Kollegen, die ihn schon früh unterstützten, zählten Frédérique Lafossas, Stephanie Pickett und Benjamin Martin. Mit ihnen gründete Bombard das Basel Green Team, eine sogenannte Employee Resource Group, in der sich Mitarbeitende ehrenamtlich engagieren, um die Visionen, Zielsetzungen und Werte von Novartis weiterzuentwickeln und zu fördern. Weltweit gibt es mehrere Dutzend solcher Gruppen, darunter auch solche, die sich dem Umgang mit Krebspatienten oder dem Achtsamkeitstraining widmen.

Schon bald schlossen sich Bombard und Lafossas Dutzende von Mitarbeitenden an und begannen, nach neuen Lösungen für die Abfallvermeidung und für energieeffizientere Verfahren bei Novartis zu suchen. Eines der vielen von der Gruppe geförderten Projekte war eine Carpooling-Initiative für Mitarbeitende am Hauptsitz in Basel. Aufgrund des grossen Erfolgs wird die Carpooling-Initiative jetzt auch an anderen Standorten von Novartis eingeführt.

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Frédérique Lafossas schloss sich den Umweltschutzaktivitäten von Florian Bombard frühzeitig an.

Glo­ba­li­sie­rung

Ein weiteres Projekt, das schnell Fahrt aufnahm, war die Initiative des Green Teams, Einweggeschirr aus Plastik zu verbannen und die Mitarbeitenden zu motivieren, für das Mittagessen wiederverwendbare Teller zu benutzen. Die Idee nahm ihren Anfang in Basel und konnte sich dank Rückenwind der Abteilung für Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz auch an anderen Novartis-Standorten etablieren.   

Das Geheimnis seines Erfolgs, so Bombard, sei nicht seine eigene Stärke, sondern sein Talent, Gleichgesinnte für Projekte einzuspannen. «Ich fördere die Stärken motivierter Menschen, vernetze sie miteinander und unterstütze sie beim Aufbau eigener lokaler oder unternehmensweiter Gruppen. Jede dieser Gruppen inspiriert die anderen Gruppen immer wieder aufs Neue», so Bombard über die Kollegen, mit denen er zusammenarbeitet. «Ich möchte nicht, dass Mitarbeitende mit solchen Dingen beauftragt werden. Ich möchte, dass sie sich freiwillig engagieren.»   

Dieser Einstellung verdankt er nicht nur seinen neuen Job – Bombard ist jetzt als Environmental Sustainability Lead bei den Novartis Institutes for BioMedical Research tätig –, sondern er konnte auch rasch ein Team zusammenstellen, mit dem er heute nachhaltige Umweltschutzmassnahmen im Unternehmen umsetzt.  

Mit dieser Herangehensweise gelang es ihm auch, das One Novartis Environment Sustainability Team (ONEST) aufzubauen. Ziel dieser globalen Freiwilligeninitiative, die bei einem Ideenwettbewerb entstand, ist die Konzeption umweltfreundlicher Projekte, die sich auf der ganzen Welt umsetzen lassen und die Arbeitsweise der mehr als 100 000 Mitarbeitenden von Novartis positiv beeinflussen.  

Die Gruppe, der bereits mehr als 540 Mitarbeitende von Novartis aus aller Welt angehören, verfolgt eine Reihe von Initiativen, darunter die Schaffung innovativer Finanzprozesse zur Stärkung der Nachhaltigkeit, die Durchführung umweltfreundlicher Meetings sowie die Suche nach Alternativen zu Kunststoffen aus fossilen Rohstoffen.

Menschen vernetzen

Bombard weiss, dass er sein Ziel nur dann erreichen kann, wenn er Menschen miteinander vernetzt, vor allem die Spezialisten, die fähig sind, neue Technologien in den Labors und Produktionsstätten umzusetzen.    

«Ich bin Biologe. Meine Fähigkeiten und mein Wissen im Hinblick auf die Entwicklung neuer Prozesse sind daher naturgemäss begrenzt», räumt Bombard ein. «Ich bin auch kein Finanzfachmann; deshalb zähle ich darauf, dass sich Leute aus unterschiedlichen Bereichen zusammensetzen und neue Ideen erarbeiten.»   

Verschiedene Standpunkte abwägen und Menschen mit der richtigen Einstellung und den richtigen Talenten finden – darin sieht Bombard seine Stärke. «Meine Aufgabe ist es, Menschen mit neuen Ideen zusammenzubringen und sie dabei zu unterstützen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen», so Bombard. «Wenn man meinen bisherigen Werdegang betrachtet, ist es schon erstaunlich, dass ich jetzt diese Position habe. Ich musste eine steile Lernkurve bewältigen. Doch ich bin sehr zuversichtlich, dass wir Schritt für Schritt Änderungen bewirken können.»

Begrenzte Ressourcen, unendlicher Bedarf

Für Bombard besteht das Hauptziel darin, dass die Wissenschaftler grundlegend überdenken, wie sie Medikamente entwickeln und produzieren. «Viele unserer Prozesse stützen sich noch immer auf Erdöl als Rohstoff, und zwar nicht nur bei Kunststoffverpackungen. Doch Erdöl ist eine begrenzt verfügbare Ressource. Wenn kein Öl mehr da ist und wir weiterhin auf unsere derzeitigen Prozesse setzen, werden wir keine neuen Medikamente entwickeln und produzieren können. Und dieses Problem beschränkt sich nicht nur auf das Erdöl!»    

Ein erschreckender Gedanke. Doch Bombard bringt bereits jetzt verschiedene Teams aus dem gesamten Unternehmen zusammen, die mit neuen Prozessen experimentieren und bei der Entwicklung von Medikamenten nachhaltigere Ansätze verfolgen. Viele Projekte befinden sich zwar noch in der Frühphase. Einige, etwa die enzymbasierte chemische Katalyse, sind jedoch weiter fortgeschritten und werden vielleicht schon bald dafür sorgen, dass sich die Entwicklung und Herstellung von Medikamenten ändert.   

«Dies ist eines der Geschenke, die wir der nächsten Generation machen können: das Wissen, wie man nachhaltige Unternehmen und eine nachhaltige Welt schafft. Und zwar nicht nur für morgen und die nächste Generation, sondern für Hunderte von Generationen nach uns», so Bombard.   

Der Vater von vier Kindern ist zwar ein Visionär, teilt jedoch nicht den Enthusiasmus von Elon Musk und anderen Transhumanisten, die nach den Sternen greifen und davon träumen, auf der Suche nach einer neuen Welt Menschen auf den Mars und andere Planeten umzusiedeln. Bombard ist bodenständiger Realist, für den ein Planet B zumindest zum jetzigen Zeitpunkt keine Option ist.  

Unsere heutigen Probleme müssen wir heute lösen, um künftige Generationen nicht zu gefährden, so Bombard. Wenn wir dies vor dem Hintergrund einer Welt des ungezügelten Konsums, der sofortigen Bedürfnisbefriedigung und der aggressiven Vermarktung von Utopien betrachten, sieht Florian Bombard nicht nur wie ein Rebell aus. Er ist auch ein Rebell, und zwar einer, der weiss, was er tut.

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