Kontakt zur Öffentlichkeit
Belastende Komplexität
Pädagogischer Ansatz
content-image
Menschen
00

Staunen und Freude vermitteln

Trotz ihrer hohen gesellschaftlichen Bedeutung ist die pharmazeutische Industrie für viele Menschen ein Buch mit sieben Siegeln. Für diejenigen, die sich in der Wissenschaft auskennen, ist es deshalb gleichermassen selten wie erfüllend, ihr Wissen mit einem breiteren Publikum zu teilen.

Text von Goran Mijuk, Fotos von Adriano A. Biondo, lllustration von Philip Bürli

scroll-down
Home
en
de
zh
jp
Share
Share icon
content-image
Enter fullscreen

Die erfahrene Wissenschaftlerin Pascale Burtin...

arrow-rightKontakt zur Öffentlichkeit
arrow-rightBelastende Komplexität
arrow-rightPädagogischer Ansatz

Publiziert am 31/05/2022

Als Head Clinical Development Excellence bei Novartis dreht sich bei der Arbeit von Pascale Burtin alles um Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch. In diese Rolle ist sie nach einer langen und erfolgreichen Karriere, in der sie über ein Jahrzehnt lang an der Entwicklung und Markteinführung eines wichtigen neurologischen Medikaments gearbeitet hatte, wie selbstverständlich hineingewachsen.

Als sie gebeten wurde, in einer Erklärvideo-Reihe für den Novartis Pavillon mitzuwirken, um gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen Einblicke in die Komplexität der Pharmabranche zu gewähren, nahm sie das Angebot nicht nur bereitwillig an, sondern freute sich auch, ihre Coaching-Erfahrungen und beruflichen Kenntnisse mit einem externen Publikum zu teilen.

Andere Kollegen schlossen sich ihr an, darunter Nathan Mulure, Ronnen Roubenoff, Katie Worringer, Carien Dekker, Christopher Brain, MooJe Sung und Martin Mueller-Zsigmondy. Sie alle arbeiten in verschiedenen Abteilungen von Novartis, die weltweit über 100000 Mitarbeitende in mehr als 100 Ländern beschäftigt.

«Ich empfand es als Chance, vor einem breiteren, nicht professionellen Publikum über einige meiner Erfahrungen zu berichten, was in meiner Laufbahn nur selten der Fall war», erklärte Burtin, die einen medizinischen und pharmakologischen Hintergrund mitbrachte, als sie bei Novartis in die Abteilung Translational Medicine eintrat.

Dort verbrachte sie fast zehn Jahre. Während dieser Zeit gelang es ihrem Team, ein Molekül durch alle Entwicklungsstadien hindurch – von der frühen Testphase, zur Klinik und schliesslich auf den Markt – zu bringen. Eine solche Erfahrung ist für einen Wissenschaftler eher aussergewöhnlich, ist doch die Entwicklung eines Medikaments in der Regel mit unzähligen Fallstricken behaftet.

Diejenigen, die die zahlreichen Phasen der Arzneimittelentwicklung selbst durchlebt haben, können aus dieser langen Reise eine Menge lernen. «Im Grunde geht es bei der Arzneimittelentwicklung darum, ständig Probleme zu lösen und mit Situationen umzugehen, die man nicht planen kann», so Burtin über ihre Erfahrung in der Branche.

content-image
Enter fullscreen

...und die junge Produktionsmitarbeiterin Diane Namy nutzten die Gelegenheit, ihr Wissen mit den zukünftigen Besuchern und Besucherinnen des Novartis Pavillon zu teilen, und hatten sichtlich Spass bei der Produktion der Erklärvideos.

Kon­takt zur Öf­fent­lich­keit

Zwar geht es bei ihrer derzeitigen Tätigkeit darum, ihre Erkenntnisse an Entwicklerteams weiterzugeben, die an neuartigen Molekülen arbeiten. Doch sie ist der Meinung, dass der Wissens- und Erfahrungsaustausch mit der breiteren Öffentlichkeit ebenso wichtig ist.

«Ein Teil der Reputationsprobleme, mit denen die Pharmaindustrie konfrontiert ist, hat sicherlich mit der Komplexität der Industrie zu tun», stellt Burtin fest. «Wenn wir also die Möglichkeit haben, einige dieser Prozesse zu erklären, kann das sicherlich zum allgemeinen Verständnis unserer Branche beitragen.»

Ähnliche Überlegungen haben Susan Longman dazu bewogen, bei der Videoreihe mitzumachen. Auch wenn sich ihre Rolle als Global Head Regulatory Affairs einem breiteren Publikum nicht unbedingt erschliesst und vielleicht auch nur schwer in Worte fassen lässt, geschweige denn in ein Video, konnte Longman eines der bekanntesten medizinischen Produkte zur Darstellung ihrer täglichen Arbeit heranziehen: den Beipackzettel.

Natürlich macht dieses Stück Papier, das jedem Medikament beiliegt, nur einen kleinen Teil von Longmans Arbeit aus, die darin besteht, ein neues Medikament bei den zuständigen Gesundheitsbehörden zu registrieren.

Sie und ihr Team, das aus rund 2000 Mitarbeitenden weltweit besteht, behalten den Überblick über Millionen von Seiten an Unterlagen, die den Gesundheitsbehörden vorgelegt werden, damit diese eine fundierte Entscheidung über die Zulassung oder Ablehnung eines neuen Arzneimittels treffen können.

Die für diese Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten sind vielfältig und setzen unter anderem eine Mischung aus wissenschaftlichen und analytischen Kenntnissen so­wie Kommunikations- und Verhandlungsgeschick voraus. Auf die Frage, ob es schwierig sei, Bewerber für diesen Arbeitsbereich zu finden, antwortete Longman, dass auf eine kürzlich veröffentlichte Anzeige für zehn freie Stellen in einem Postdoc-Programm mehr als 300 Lebensläufe von Bewerbern und Bewerberinnen eingegangen seien.

Dies sei unter anderem der rasanten Entwicklung der Medizin zuzuschreiben. «Trotz der Komplexität zieht es viele Menschen in den Bereich der Arzneimittelzulassung, nicht zuletzt weil die jüngsten wissenschaftlichen Entwicklungen in der Gentherapie und der Nuklearmedizin unserer täglichen Arbeit neue Dimensionen verliehen haben, da wir auch dafür sorgen müssen, dass die Zulassungsbehörden die Komplexität neuer Hightech-Therapien verstehen», erklärt Longman.

content-image
Enter fullscreen

Susan Longman, Head Regulatory Affairs, und...

Be­las­ten­de Kom­ple­xi­tät

Die Fortschritte in der Medizin im letzten Vierteljahrhundert kann man ohne Übertreibung als gewaltig bezeichnen. Als Novartis 1996 gegründet wurde, bestanden die Wirkstoffe der meisten Medikamente aus kleinen chemischen Verbindungen, die sich im Wesentlichen nicht von den ersten, ein Jahrhundert zuvor hergestellten Medikamenten unterschieden. Biologika waren vor 25 Jahren noch selten, und Ansätze wie Gentherapie, Nuklearmedizin oder digitale Gesundheit klangen mehr nach Science-Fiction als nach Realität.

Dieses Bild hat sich heute fast vollständig gewandelt. Die Gentherapie hat in den letzten Jahren grosse Sprünge gemacht und ist zu einem vielversprechenden Mittel zur Behandlung oder gar Heilung von Erbkrankheiten avanciert. Auch die Nuklear­medizin erweist sich als eine wichtige Waffe im Kampf gegen bestimmte Krebsarten, während die Digitalisierung des Gesundheitswesens die ganze Branche nachhaltig verändert – von der Wirkstoffforschung bis hin zu klinischen Studien.

Trotz dieses Innovationsschubs, der Tausende von Fachleuten aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen wie IT oder Physik in die Pharmabranche gelockt hat, herrschte in der Öffentlichkeit eine eher reservierte Haltung gegenüber der Branche – bis zur Pandemie.

Der Ausbruch des Coronavirus und die darauffolgende rasante Entwicklung wirksamer Impfstoffe haben der Industrie geholfen, ihren Ruf zu verbessern. Eine Umfrage des Bostoner Beratungsunternehmens RepTrak unter rund 70000 Personen aus 15 Ländern ergab, dass die Pharmaindustrie im Jahr 2021 den grössten Reputationsgewinn aller Branchen verzeichnen konnte.

Die Pandemie hat zwar das Interesse an der Branche und an der Wissenschaft im Allgemeinen gesteigert, doch die schiere Komplexität der Pharmaindustrie führt immer noch zu Schwierigkeiten im Informationsaustausch, selbst innerhalb von Familien, glaubt Diane Namy. Sie arbeitet als Produktionsspezialistin in der Biotechanlage im französischen Huningue, wo sie zu einem Team gehört, das grossmolekulare proteinbasierte Arzneimittel herstellt.

«Die Teilnahme an der Pavillon-Videoserie, die unsere Branche der Öffentlichkeit näherbringen soll, war eine tolle Erfahrung», sagt Namy. «Ich hatte zwar die breite Öffentlichkeit im Blick, aber ich habe auch an meine Familienmitglieder gedacht, die wenig bis gar keine Vorstellung davon haben, wie meine Arbeit in der Anlage tatsächlich aussieht.»

content-image
Enter fullscreen

...Novartis-Forscher Daniel Baeschlin erklärten sich sofort bereit, beim Pavillon-Projekt mitzumachen und ihr Wissen mit dem Publikum zu teilen.

Päd­ago­gi­scher An­satz

Namy hofft nicht nur, den Besucherinnen und Besuchern durch ihre Erläuterungen verständlich zu machen, was es zur Herstellung eines biologischen Arzneimittels braucht – das aus lebenden Zellen und nicht durch die Synthese chemischer Verbindungen hergestellt wird –, sondern auch ihre Schwester zu inspirieren, eine ähnliche Karriere einzuschlagen.

«Wir sind eine Familie voller Juristen mit wenig Bezug zur Medizin», sagt sie. «Aber meine jüngere Schwester interessiert sich für dieses Gebiet, und ich hoffe, dass meine Erklärungen überzeugend genug sind, damit sie das Interesse und die Neugier nicht verliert.»

Daniel Baeschlin verfolgt einen ähnlichen pädagogischen Ansatz: Der Wissenschaftler hatte sich schon früh für den Lehrerberuf entschieden, die Idee aber wieder verworfen, weil er sich in dieser Rolle nicht richtig aufgehoben fühlte. «Wir sind eine Familie von Lehrern, und ich dachte, dass ich diesen Beruf auch ergreifen könnte. Aber letztlich sehe ich mich wohl eher als Forscher und möchte an der spannenden Weiterentwicklung der Wissenschaft teilhaben.»

Baeschlin liebt es jedoch, die Komplexität seiner Arbeit ausführlich zu erörtern, zu der auch die Leitung des Hochdurchsatz-Screenings von Novartis gehört, bei dem Roboter eingesetzt werden, um potenzielle Wirkstoffe in der frühen Phase der Medikamentenforschung zu testen. Dies ist ein wichtiger Bestandteil der Arzneimittelentwicklung, aber es ist auch ein beeindruckendes Erlebnis, wenn man sieht, wie schnell sich ein Roboterarm durch eine Bibliothek mit Tausenden von Molekülen bewegt – ein Prozess, der Baeschlin stets mit Freude erfüllt.

Regelmässig wird der Forscher eingeladen, um Gästen, die den Campus besuchen, die Arzneimittelforschung näherzubringen. Es ist eine Gelegenheit, die er sehr schätzt, da sie ihm nicht nur erlaubt, sein pädagogisches Talent unter Beweis zu stellen, sondern auch dazu beiträgt, den Menschen ein besseres Bild davon zu vermitteln, wie Technologie und Biologie bei der Herstellung innovativer Arzneimittel Hand in Hand arbeiten.

Die Teilnahme an der Pavillon-Serie war nicht anders: «Wenn es darum geht, zu zeigen, was wir tun, bin ich immer sehr stolz, und das motiviert mich, meine Erfahrungen weiterzugeben. Denn auch bei meiner normalen täglichen Arbeit habe ich das Gefühl, Teil eines grösseren Ganzen zu sein. Wenn ich dieses Gefühl des Staunens und der Freude vermitteln kann, habe ich meiner Meinung nach schon viel erreicht.»

icon

Home
en
de
zh
jp
Share
Share icon