Es geht darum, die richtige Molekularstruktur zu finden.
Publiziert am 18/12/2023
2005 war Christopher Brain wegen einer neuen Stelle bei Novartis Biomedical Research in Cambridge kürzlich mit seiner Familie in die USA gezogen, als er die Chance bekam, als Projektleiter ein neues Forschungsvorhaben zu übernehmen.
Es war eine grossartige und zugleich seltene Gelegenheit, die der Medizinalchemiker auf keinen Fall ungenutzt lassen wollte. Rund ein Jahrzehnt war vergangen, seit er nach seiner Promotion und dem Masterstudium an den Universitäten Manchester und Oxford seine Karriere bei Novartis in Grossbritannien begonnen hatte.
Die neue Chance bot sich im Bereich der sogenannten cyclinabhängigen Kinasen, kurz CDK, die etwa zwanzig Jahre zuvor entdeckt worden waren und anhand derer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Zellteilung besser verstehen lernten.
«Zur damaligen Zeit war das Thema äusserst angesagt und stark umkämpft», erinnert sich Chris Brain, der in Cambridge nach wie vor als Leiter im Bereich der Chemie arbeitet. «Mich faszinierte das Gebiet so sehr, dass ich es unbedingt weiterverfolgen wollte.»
Noble Anfänge
Nur wenige Jahre früher, nämlich 2001, hatten Lee Hartwell, Tim Hunt und Paul Nurse für ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Zellteilung den Nobelpreis für Medizin erhalten. Schwerpunkt ihrer Forschung war vor allem das Verständnis der zugrunde liegenden Strukturen dieses wichtigen Lebensvorgangs.
In den 1970er-Jahren untersuchte Hartwell Bäckerhefe. Dabei fand er heraus, dass der Zellzyklus bei hohen Temperaturen zum Stillstand kommt, und er identifizierte zwölf Gene, darunter CDC28, die an der Aktivierung des Zellzyklus beteiligt sind.
Nurse baute auf diesen Erkenntnissen auf. So fand er nicht nur ein entscheidendes Hefegen, das den gesamten Zellzyklus reguliert, sondern zeigte darüber hinaus, dass das entsprechende Gen des menschlichen Zellzyklus auch perfekt in Hefe funktioniert. Damit hatte er bewiesen, dass es diese Zellfunktion, die auch als CDK bezeichnet wird, schon seit nahezu einer Milliarde Jahren gibt.
Hunt entdeckte später das Protein Cyclin, das die Funktion des CDK-Moleküls steuert und damit den gesamten Zellzyklus in Gang bringt. Bei der Verleihung des Nobelpreises in Stockholm hiess es: «Inzwischen sind fast 50 Jahre vergangen, seit die Struktur des DNA-Moleküls entdeckt wurde, was zu einer molekularen Erklärung dafür führte, wie ein Gen sich selbst kopieren kann. Dank der Entdeckung von CDK und Cyclin verstehen wir immer besser, wie sich Zellen selbst vervielfältigen.»
Toxisches Intermezzo
Es sollte allerdings noch fast zwanzig Jahre dauern, bis es den Wissenschaftlern gelingen würde, mit diesem Wissen ein Medikament zu entwickeln. Bereits in den 1990er-Jahren hatten mehrere Pharmaunternehmen versucht, die neuen Forschungsergebnisse für den Kampf gegen Krebserkrankungen zu verwenden. Die Idee war, den Zellzyklus zu stoppen, der bei Krebspatienten ausser Kontrolle gerät.
Die ersten Ergebnisse waren jedoch enttäuschend. Dies lag daran, dass die Wissenschaftler Schwierigkeiten hatten, zu verstehen, welchem CDK-Komplex sie sich zuwenden sollten. Sie hatten herausgefunden, dass beim Menschen nicht nur ein, sondern mehr als zehn CDK am Zellzyklus beteiligt sind, von denen jedes eine bestimmte Nummernbezeichnung erhielt. Noch schlimmer war, dass das Blockieren einiger dieser CDK zu toxischen Ergebnissen führte.
Mit zunehmendem Verständnis der zugrunde liegenden biologischen Zusammenhänge wurden CDK4 und CDK6 – zwei Kinasen, die Teil dieses komplexen Zyklus waren – als mögliche Ziele identifiziert. Mögliche Inhibitoren mussten jedoch so konzipiert sein, dass sie nicht mit CDK1 interagierten, die – wie die Wissenschaftler herausgefunden hatten – toxische Reaktionen hervorrufen.
Den richtigen Schlüssel zu diesem Rätsel zu finden, war 2005 die zentrale Herausforderung von Chris Brain und seinem neuen Projektteam. Das Ziel der Gruppe aus hochmotivierten Forschern war nichts Geringeres, als eine selektive Substanz zu entwickeln, die das Problem lösen würde.