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Drehaufnahmen für ein Erklärvideo zur Ausstellung «Wonders of Medicine».

Als Novartis 2014 einen Wettbewerb für eine Ausstellung ausschrieb, um der breiteren Öffentlichkeit einen tieferen und ganzheitlicheren Einblick in die Pharmaindustrie zu ermöglichen, standen die Zeichen auf Wandel und Veränderung. Nicht nur der Siegeszug der sozialen Medien hatte alte Kommunikationsmuster auf den Kopf gestellt. Auch der sich abzeichnende gesellschaftliche Kulturwandel hin zu mehr Offenheit und Transparenz stellte Unternehmen auf der ganzen Welt vor neue Herausforderungen, galt es doch, den immer höheren Ansprüchen des Publikums gerecht zu werden.

Auch bei Novartis rückte die Unternehmenskultur stärker in den Fokus. Zeitgleich schlug das Unternehmen neue Wege ein, um Mauern zu überwinden, Ängste abzubauen und den Austausch mit der Bevölkerung zu intensivieren. Vor diesem Hintergrund nahm die Entstehungsgeschichte der Ausstellung im Pavillon, die sich über rund sieben Jahre erstreckte und mit einigen Stolpersteinen behaftet war, ihren Lauf.

Die Geburtsstunde

Aus dem Wettbewerb, an dem eine Vielzahl international renommierter Design- und Architekturbüros teilnahmen, ging Atelier Brückner als Sieger hervor. Das Stuttgarter Büro, das im Bereich der Szenografie über grosse Erfahrung verfügt und weltweit erlebnisorientierte Ausstellungen realisiert, erhielt den Auftrag, der Vision von Novartis, in einen aktiven Dialog mit der Öffentlichkeit zu treten, den passenden Rahmen zu geben.

Elisabeth Ramm, Lead Concept Design bei Atelier Brückner und einer der kreativen Köpfe hinter der Ausstellung, war sich der Schwere der Aufgabe bereits im Vorfeld bewusst: «Die Besonderheit lag zum einen in der schieren Komplexität des Stoffs begründet, den es in Szene zu setzen galt. Zum anderen mussten wir den Umfang des Projekts erst mal gedanklich erfassen, um der Themenvielfalt, die mit pharmazeutischer Forschung verbunden ist, in der Ausstellung gerecht zu werden.»

Das von Novartis anvisierte Projekt war beispiellos. Doch die ideenreichen Schwaben schreckten nicht vor der Herausfor­derung zurück. So fingen sie an, diverse Gestaltungsmöglichkeiten auszuloten und Überlegungen dazu anzustellen, wie sich komplexe medizinische Zusammenhänge visuell ansprechend und verständlich aufbereiten lassen.

«Bei der Ideenfindung und der anschliessenden Konzeptentwicklung haben wir uns von der Kultur und den Zielen von Novartis inspirieren lassen», berichtet Elisabeth Ramm von den Anfängen des Projekts. «Daraus ergab sich das Leitmotiv wie von selbst: Zeit. Einerseits waren wir bestrebt, zu zeigen, dass die pharmazeutischen Innovationen der letzten Jahrzehnte das Spektrum an Therapiemöglichkeiten immens erweitert haben. Andererseits wollten wir vermitteln, dass Arzneimittelentwicklung ein langwieriges Unterfangen ist, das Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte in Anspruch nimmt», stellt Ramm klar.

Tatsächlich spiegelt sich das Motiv der Zeit sowohl in der Ästhetik als auch in der Strukturierung der Ausstellung wider. So zeichnet beispielsweise der Teil «Vom Labor zum Patienten» anhand interaktiver Exponate und Inszenierungen den Prozess der Medikamentenentwicklung nach und skizziert prozesshaft den langwierigen Weg von der ersten Grundlagenforschung zur Marktreife.

Der Weg zum Pavillon

Kaum waren die konzeptionellen Weichen gestellt und grundlegende Designfragen geklärt, stellte sich die Frage, wo die Ausstellung untergebracht werden sollte. Einer der ersten Entwürfe sah vor, die oberen Etagen eines Hochhauses auf dem Campus zum Ausstellungsort umzufunktionieren. Demnach sollte das zwölfgeschossige Gebäude umgebaut und um einen leuchtenden Aussichtsturm erweitert werden, um nicht zuletzt den hohen technischen und ästhetischen Ansprüchen zu genügen.

Später wurde dies zugunsten des Pavillons verworfen, der nicht nur die Ausstellung beherbergen und als Veranstaltungsort für öffentliche Diskussionen dienen, sondern auch als Sinnbild für die zunehmende Öffnung des Unternehmens nach aussen stehen soll. So gingen die Macher ans Werk, um das Gesamtkonzept, das gemeinsam von Atelier Brückner und Novartis entwickelt wurde, in die Tat umzusetzen.

Humanistischer Ansatz

Während Atelier Brückner den konzeptionellen Rahmen vorgab und für die Bereitstellung der Infrastruktur durch die Zulieferer sorgte, oblag die pädagogische Aufbereitung der Inhalte David Woodruff, der als Content Director nicht nur die Ausstellungstexte verfasste, sondern auch wichtige gestalterische Akzente setzte.

Bevor Woodruff, von Haus aus Journalist, beim Projekt einstieg, hatte er schon eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. Seine erste berufliche Station führte ihn nach Kalamazoo, einer Kleinstadt im südlichen Michigan, wo er als Reporter für eine Lokalzeitung tätig war. Von da an ging es auf der Karriereleiter steil bergauf: Wenige Jahre später heuerte er bei der renommierten Zeitschrift Businessweek an und verfasste regelmässig Artikel zu Auto- und Mobilitätsthemen. Weitere Erfahrungen sammelte er unter anderem im Pariser Büro des Wall Street Journal, bei der OECD und bei der betriebswirtschaftlichen Fachzeitschrift Mc Kinsey Quarterly, ehe er 2013 zu Novartis wechselte, um sein langjähriges Knowhow im Bereich Storytelling einzubringen und das Unternehmen dabei zu unterstützen, sich weiterzuentwickeln.

Als Woodruff im Frühjahr 2020 angeboten wurde, seine Schreibkraft in den Dienst des Pavillon-Projekts zu stellen und die didaktische Aufbereitung der Thematik zu übernehmen, war er zunächst überrascht, hatte er doch bisher bei keiner Ausstellung mitgewirkt, geschweige denn eine umgesetzt.

«Es galt, ein überaus komplexes Feld, das nur einem begrenzten Forscherkreis zugänglich ist, so zu veranschaulichen und darzustellen, dass es selbst für Laien ohne grosse Mühe zu verstehen ist. Da kam mir meine Erfahrung als Journalist zugute, dessen Aufgabe darin besteht, schwierige Sach­verhalte auf eine klare, jedem verständliche Sprache herunterzubrechen und lesergerecht zu vermitteln», beschreibt Woodruff seine Rolle.

Schritt für Schritt gelang es Woodruff und seinem Team, die Geschichte der pharmazeutischen Forschung, die durch stetigen Wandel und disruptive Veränderungen von ungeahnter Grössenordnung geprägt ist, in ein Narrativ zu giessen und verstreute Bruchstücke zu einer grösseren, kohärenten Geschichte zu formen.

Zugleich waren die Macher bemüht, auch Erlebnisse und Erfahrungen von Patientinnen und Patienten in die Ausstellung einfliessen zu lassen, um so ein holistisches Bild der unternehmerischen Tätigkeit zu zeichnen. «Uns war es wichtig, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen», fasst Woodruff die Philosophie zusammen, die dem Projekt zugrunde liegt. «Wir waren bemüht, die Patientenperspektive einzunehmen und ihre Geschichten einfühlsam, aber ohne Pathos wiederzugeben.»

So können die Gäste beispielsweise in drei interaktiven Kabinen, in denen jeweils ein echter Patient und seine Angehörigen zu Wort kommen, aus erster Hand über Krankheitsbilder sowie deren Behandlungs­möglichkeiten erfahren. Als besonderes Highlight wartet die Ausstellung mit acht virtuellen Fenstern auf. Hinter jedem der Fenster verbirgt sich ein Schauplatz der Arzneimittelentwicklung – sei es eine Produktionsstätte oder ein Labor – inklusive Novartis-Mitarbeitender als Protagonisten, die tatsächlich an diesen Orten arbeiten. Auch hier kommt der von Woodruff verfolgte menschzentrierte Ansatz unübersehbar zum Vorschein.

Der Pandemie trotzen

Eine solch umfassende Ausstellung zu Zeiten einer globalen Pandemie auf die Beine zu stellen, war alles andere als einfach. Nicht nur die Gespräche mit Forschenden, die für die Erschliessung der Ausstellungsthemen unerlässlich waren, mussten auf digitale Kanäle verlagert werden, was die Kommunikation bisweilen einschränkte. Auch die Dreharbeiten fanden unter äusserst ungünstigen Bedingungen statt. Als zu Beginn der Pandemie die Grenzen weltweit schrittweise geschlossen wurden, mussten die geplanten Drehs im Ausland ausfallen, wodurch der straffe Zeitplan zu kippen drohte.

Aus diesem Grund hat man rasch lokale Kamerateams organisiert, die beauftragt wurden, in den USA, Grossbritannien, Kenia und an anderen Orten mit einer Reihe ausgewählter Protagonisten zu drehen. Dabei war das Team von Woodruff jederzeit per Videoschaltung dabei und steuerte die Arbeiten aus der Ferne am Bildschirm. Dies lief allerdings nicht immer ganz störungsfrei ab. «Die Technologie von heute erlaubt es uns, weit entfernt stattfindende Drehs über Videoschaltung virtuell zu überwachen und zu begleiten. Dennoch gibt es immer wieder Herausforderungen, die gemeistert werden müssen», sagt Samuel Ackermann, Crea­tive Producer bei AV-Medien, der die Dreharbeiten vom ersten Tag an mitbegleitete.

«Durch die grossen Distanzen, unterschiedliche Zeitzonen und zum Teil eingeschränkte technische Voraussetzungen kann es zu Problemen bei der Übertragung kommen. Bild und Ton, die vor Ort aufgezeichnet werden, können zeitversetzt in die Zentrale übertragen werden, was die Echtzeitkommunikation erheblich erschwert. Es ist etwas ganz anderes, als wenn man live am Set steht und direkt mit allen Beteiligten sprechen kann», so Ackermann.

All dies hinderte aber die kreativen Köpfe nicht daran, die Ausstellung zu vollenden und damit einen Meilenstein zu setzen: «Die Pandemie hing uns wie ein Klotz am Bein, da wir bei der Umsetzung komplett neue Wege gehen mussten. Allen Widrigkeiten zum Trotz haben wir es aber geschafft, eine Ausstellung zu gestalten, die nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich und dramaturgisch eine Einheit bildet», so Woodruff.

Als 2014 die Reise der Ausstellung begann, konnte kaum jemand ahnen, dass ihre Realisierung so viel Zeit und Kampfgeist in Anspruch nehmen würde. Sieben Jahre später steht der Pavillon, elegant in den blauen Himmel ragend, um eine der ersten holistischen Industrieausstellungen der Welt zu beherbergen, die für Öffnung und Erneuerung steht.

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