Für Lynn Hershman war die Verknüpfung von Kunst und Wissenschaft schon immer eine ganz natürliche Sache. Die 77-jährige Performance- und Medienkünstlerin hatte sich bereits in ihrem frühen Schaffen naturwissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse bedient.
«Künstler möchten in ihrem Tun auf der Höhe der Zeit sein», sagt Hershman über Kunst im Allgemeinen. «Daher wollte ich nicht mehr nur malen und zeichnen, was ich eigentlich gelernt hatte. Stattdessen begann ich, mich in den 1970er-Jahren mit interaktiven Technologien und Toninstallationen zu beschäftigen, was ein absolutes Novum war.»
Später experimentierte sie mit Computertechnologie. In den 1990er-Jahren war sie eine der ersten Kunstschaffenden, die sich mit künstlicher Intelligenz befassten als sie das Agent Ruby’s Dream Portal kreierte. Auf dieser Website konnten Nutzer Fragen an einen Messaging-Bot stellen.
Nach mehr als 16 Jahren Entwicklung wurde in den Nullerjahren ihre Online-Figur DiNA geboren. Diese basierte auf künstlicher Intelligenz und war mit einem Sprachgenerator und weiteren technologischen Neuheiten ausgestattet, wodurch DiNA mit dem Publikum echte Gespräche über politische und sonstige Themen führen konnte.
Hershmans Interesse an den Naturwissenschaften zieht sich durch ihren gesamten Lebensweg. Die Künstlerin, die aus einer Wissenschaftlerfamilie stammt und in der Schule Biologie als Hauptfach belegt hatte, arbeitete mit berühmten Wissenschaftlern zusammen und produzierte Filme mit Nobelpreisträgern wie Elizabeth Blackburn, der Entdeckerin der Telomerase.
Für ihre Ausstellung 2018 im Haus der elektronischen Künste in Basel wollte Hershman mit einem weiteren Wissenschaftler zusammenarbeiten, um ein Kunstobjekt zu entwickeln, das sich mit Technologie und Identität auseinandersetzt, Themen, mit denen sich die Künstlerin seit Jahren beschäftigt.
Die Idee, mit Novartis zusammenzuarbeiten, stammte von ihrer Tochter. «Als ich erfuhr, dass ein Projekt in Basel ansteht, sagte ich, dass ich etwas mit einem pharmazeutischen Unternehmen machen will. Aber ich wusste nicht genau, was. Als ich meine Tochter um Rat fragte, die Leiterin der Krebsforschung an der Columbia University ist, sagte sie: «Ah, es geht um Antikörper.» Dann erwähnte sie, dass Novartis in diesem Bereich modernste Forschung betreibe. So begann alles.»
Eine kuriose Idee
Hershman und Huber sprachen bei einer Tasse Kaffee über eine mögliche Zusammenarbeit und kamen schliesslich auf die Idee, einen Antikörper herzustellen, der sozusagen den Namen der Künstlerin trägt.
Huber schlug vor, den flexiblen Teil eines Antikörpers, die sogenannte Bindungsregion, neu zu gestalten. Dieser relativ kleine Teil des Y-förmigen Proteins ist für die Verbindung und Neutralisierung eines krankheitstragenden Moleküls verantwortlich.
Er wollte diese Region mit einer bestimmten Sequenz von Aminosäuren kodieren, die standardmässig mit Buchstaben des Alphabets abgekürzt werden – wie beispielsweise L für Leucin und H für Histidin. Dies würde es ihm erlauben, einen Antikörper mit einer Aminosäuresequenz herzustellen, welche die Buchstabenfolge L Y N N H E R S H M A N aufweist. Nun war es die Künstlerin, die völlig verblüfft war – sie nahm Hubers Vorschlag begeistert an.
Wow, Antikörper!
Huber, der 2007 zu Novartis stiess, nachdem er an der Universität Zürich in Biochemie promoviert hatte, war schon immer fasziniert von Antikörpern, die auf natürlichem Weg als Reaktion auf ein Antigen im Blut produziert werden.
«Als ich das erste Mal von Antikörpern hörte, war ich wirklich erstaunt», erzählt er. «Wie kann unser Körper Krankheitserreger bekämpfen, die ihm noch nie zuvor begegnet sind?»
«In unserem Körper entwickelt sich alles immer weiter», fährt Huber fort. «Ständig wird eine grosse Anzahl verschiedener Antikörper erzeugt. Die wenigen nützlichen Antikörper werden dann für die Veredelung und Produktion ausgewählt. Die anderen werden ausgemustert, da sie uns schaden könnten. Dieser Prozess, bei dem der richtige Antikörper zielgerichtet gegen fremde Eindringlinge hergestellt wird, hat mich sehr fasziniert.»
Antikörper werden seit dem 18. Jahrhundert in der Medizin eingesetzt. Doch erst mit dem Aufstieg der Gentechnik in den 1970er-Jahren und dem zunehmenden Wissen über die komplexe Struktur von Proteinen hat dieser Bereich richtig Fahrt aufgenommen.
Mitte der 1980er-Jahre wurden die ersten Biopharmazeutika entwickelt. Diese funktionieren wie natürliche Antikörper. Dank ihres Aufbaus können diese therapeutischen Proteine jedoch auch Krankheiten wie Krebs oder Entzündungen bekämpfen.
Novartis begann vor mehr als 30 Jahren mit der Antikörperforschung. Seitdem hat das Unternehmen mehrere hochmolekulare Medikamente entwickelt. Dazu zählen das entzündungshemmende Mittel Ilaris®, Cosentyx® zur Behandlung von Psoriasis und Xolair® zur Asthmabehandlung.