«In einer Welt, die das Altern als Herausforderung betrachtet, sehen wir es als Chance», erklärt Michael W. Hodin, CEO der Global Coalition on Aging, GCOA, einer branchenübergreifenden Vereinigung, der unter anderem führende Unternehmen wie Novartis, Deloitte, Bank of America und Philips angehören und die sich mit den Herausforderungen des demografischen Wandels befasst.
Hodins Sicht steht für einen tiefgreifenden Wechsel der Perspektive, aus der die Alterung der Gesellschaft wahrgenommen wird. Mit der rasanten Alterung der Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg – weltweit ist die durchschnittliche Lebenserwartung seit 1950 um etwa 20 Jahre auf heute über 70 Jahre gestiegen – wurde der demografische Wandel zumeist als unüberwindbares wirtschaftliches und gesellschaftliches Problem angesehen.
Michael W. Hodin
CEO der Global Coalition on Aging, GCOA
Die GCOA hingegen will den Trend des Alterns als Quelle von Innovation, Wirtschaftswachstum und gesellschaftlicher Verbesserungen uminterpretieren und arbeitet mit internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung oder den G20-Ländern zusammen, die ein solches Umdenken zunehmend begrüssen und vorantreiben.
Japan, das mit einer Lebenserwartung von über 80 Jahren die älteste Bevölkerung der Welt aufweist, ist im Hinblick auf diesen ideologischen Kurswechsel eines der fortschrittlichsten Länder. Einst für seine jugendliche Vitalität bekannt, verkauft Japan heute mehr Erwachsenen- als Babywindeln. Dies lässt die rasante Alterung der Bevölkerung erkennbar werden und zeigt den proaktiven Ansatz des Landes zur Nutzung des wirtschaftlichen und sozialen Potenzials des demografischen Wandels.
Einfallsreichtum, wie er in Japan zu beobachten ist, wird immer wichtiger. «Angesichts der rapiden Alterung aller Gesellschaften im Zuge ihrer Modernisierung sind wir der Ansicht, dass die grundlegenden staatlichen Instrumente, die im 20. Jahrhundert in Schlüsselbereichen wie Gesundheitsfürsorge, Renten und Bildung entwickelt wurden, zu überdenken und an die Altersdemografie des 21. Jahrhunderts anzupassen sind», so Hodin.
Im Rahmen ihrer Arbeit setzt sich die GCOA dafür ein, das Thema Altern durch sektorübergreifende Partnerschaften und innovative Ansätze von einer Herausforderung in eine Chance zu verwandeln.
Eine ihrer Hauptinitiativen ist «Decade of Healthy Ageing», für die sie mit den Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation zusammenarbeitet. Ihr Ziel ist es, die globale Zusammenarbeit zu fördern, um das Leben älterer Menschen, ihrer Familien und Gemeinden zu verbessern. Das Projekt konzentriert sich u.a. auf die Bekämpfung von Altersdiskriminierung. Es ist bestrebt, das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen gegenüber dem Alter und dem Altern positiv zu beeinflussen, und konzentriert sich auf die Bereitstellung personenzentrierter, koordinierter Pflege- und primärer Gesundheitsdienste, die den Bedürfnissen älterer Menschen entsprechen.
Im Rahmen dieser Initiative setzt sich die GCOA auch für die Entwicklung altersgerechter urbaner Lebensräume ein, deren Infrastruktur und Dienstleistungen auf Bedürfnisse älterer Menschen eingehen. Dieses Konzept unterstützt unter anderem die Schaffung integrativer, barrierefreier Städte, welche die Lebensqualität für alle Altersgruppen verbessern und ein aktives, engagiertes Altern fördern.
Diese Bemühungen führten dazu, dass die GCOA und Novartis, die seit der Gründung von GCOA zusammenarbeiten, «Engage with Heart» entwickelt haben, ein Programm, das darauf abzielt, kardiovaskuläre Erkrankungen in unterversorgten Gemeinden zu bekämpfen und durch gemeinschaftliche Ansätze für gesundes Altern nachhaltigere Gesundheitssysteme zu fördern.
Das Projekt konzentriert sich derzeit auf die Stadt Baltimore und baut auf früheren Arbeiten von Novartis und der GCOA im Bereich der Herzinsuffizienz. In Zusammenarbeit mit dem American College of Cardiology, der Association of Black Cardiologists und dem Caregiver Action Network wurde u.a. festgestellt, dass sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch bei Fachleuten eine erhebliche Sensibilisierungslücke im Bereich der Herzschwäche bestand.
«Wir hörten oft Anekdoten, wonach ältere Menschen mit Symptomen wie Schwindel oder Kurzatmigkeit ärztliche Hilfe aufsuchten, dann aber nach Hause geschickt wurden, weil ihnen die Ärztin oder der Arzt beschied, dies sei halt ein Zeichen des Älterwerdens», erinnert sich Melissa Gong Mitchell, Executive Director der GCOA. «Dabei muss sowohl auf Patienten- als auch auf ärztlicher Seite Klarheit darüber herrschen, dass das nicht nur im Alter passiert – Herz-Kreislauf-Krankheiten sind Erkrankungen, die behandelt werden müssen.»
Training ist in jedem Alter möglich und wichtig.
Mitglieder des Zeta center in Baltimore.
Der hartnäckige Irrglaube, Herzerkrankungen seien eine natürliche Folge des Älterwerdens, ist insofern besorgniserregend, als etwa die Hälfte der Amerikanerinnen und Amerikaner nicht wissen, dass kardiovaskuläre Erkrankungen die Todesursache Nummer eins im Land sind. Um diese Sichtweise zu ändern, bringt «Engage with Heart» verschiedenste Interessengruppen zusammen, darunter Kirchen, Gesundheitsfachkräfte und lokale Führungspersönlichkeiten, um ein Modell für eine ganzheitliche, gemeindebasierte Versorgung zu schaffen, das sich weltweit replizieren lässt.
Zu den lokalen Partnern zählen unter anderem die in Baltimore ansässige Liberty Grace Church of God, Mount Pleasant Development Corp., das Sandtown-Winchester-Seniorenzentrum, die städtische Gesundheitsbehörde von Baltimore sowie das Black Church Food Security Network, die sich alle durch ihr vertrauenswürdiges Netzwerk innerhalb der lokalen Gemeinde auszeichnen.
Ein wesentlicher Bestandteil bei der Umsetzung des Programms ist der Einsatz von sogenannten Community Health Ambassadors – also Gesundheitsbotschafterinnen und -botschaftern der Gemeinde, welche die Lücke zwischen unterversorgten Gemeinden und grundlegenden kardiovaskulären Gesundheitsdienstleistungen schliessen.
Community Health Ambassador Mark Montgomery
Pastor an der Liberty Grace Church of God
Marilyn Johnson,Lorrianne Mason und Jaleesa Washington
von der Sweet Hope Free Will Baptist Church
Community Health Ambassador Creala Mickens
vom Zeta Center for Healthy and Active Aging
Gemeinsam mit Freiwilligen der Johns Hopkins School of Nursing und der Expertise nationaler Organisationen wie Mended Hearts schärfen sie das Bewusstsein für Herzgesundheit und betonen die Bedeutung von Präventionsmassnahmen und Früherkennung von Herzerkrankungen. Als vertrauenswürdige lokale Akteure sorgen die Community Health Ambassadors für den Vertrauensfaktor, der in herkömmlichen Gesundheitssystemen nicht selten fehlt.
Dank ihren engen Beziehungen innerhalb der Gemeinde vermögen sie einen proaktiven Umgang mit der Gesundheit zu fördern. Ihre Bemühungen tragen nicht nur zum Gemeinwohl bei, sondern liefern auch wertvolles Feedback für die Gesundheitsfürsorge, die dann ihrerseits eine auf den Bedarf zugeschnittene Versorgung gewährleisten kann.
Novartis und die GCOA finanzieren derzeit die Arbeit von rund einem Dutzend kommunalen Community Health Ambassadors, um sicherzustellen, dass sie geschult und befähigt werden, Gemeindemitglieder in Kirchen und zu Hause zu ermutigen, bessere Entscheidungen zu treffen und etwas für ihre Herz-Kreislauf-Gesundheit zu tun.
Nach der Startphase können auch private und öffentliche Investoren das Vorhaben finanzieren und in anderen Städten in den Vereinigten Staaten einführen. Um dieses Ziel zu erreichen, sammeln Novartis und ihre Partner Daten aus den Outreach-Programmen, die zeigen sollen, dass die Präventionsarbeit der Community Health Ambassadors für Versicherer und die gesamte Gesundheitsfürsorge einen erheblichen Mehrwert schaffen kann.
«Wenn wir diese Daten zusammenführen, bin ich zuversichtlich, dass wir nicht nur öffentliche, sondern vielleicht auch mehr private Investitionen anziehen können», sagt John Hohenwarter, der zusammen mit Leo Farber, Leiter Corporate Affairs, am Programm von Novartis beteiligt war.
Erfolg würde bedeuten, nicht nur Kosten für die Branche zu sparen, sondern auch die Lücke zwischen wohlhabenden und unterversorgten Patienten zu schliessen. Dies gilt insbesondere für Baltimore, wo die Lebenserwartung zwischen den einzelnen Stadtteilen stark variiert. Leo Farber, der in Baltimore die Highschool besucht hat, hofft, dass das Projekt nicht nur den Zugang zur Gesundheitsfürsorge verbessert, sondern auch das Vertrauen wiederherstellt: «Wir sprechen hier von 20 Jahren Unterschied in der Lebenserwartung zwischen verschiedenen Stadtteilen. Das aktuelle Projekt ist zwar relativ klein, hat aber das Potenzial, nicht nur in Baltimore, sondern in den gesamten Vereinigten Staaten und anderswo etwas zu bewirken.»
Melissa Gong Mitchell
Executive Director der GCOA
Für die schwarze Gemeinschaft könnten solche Projekte einen echten Wendepunkt bedeuten. Obwohl Herzerkrankungen alle Ethnien und Nationen betreffen und jährlich rund 700000 Menschen in den Vereinigten Staaten das Leben kosten, ist die Zahl der Todesfälle durch Herzerkrankungen in der afroamerikanischen Community deutlich höher als in der nichthispanischen weissen Bevölkerung.
Laut dem Office of Minority Health und der Kaiser Family Foundation lag die Wahrscheinlichkeit, an Herzerkrankungen zu sterben, bei Afroamerikanerinnen und -amerikanern 2019 um 30 Prozent höher als bei nichthispanischen Weissen.
Diese Zahlen zeigen, dass Handlungsbedarf besteht, und es scheint, dass «Engage with Heart» einen Beitrag zur Verbesserung der Situation zu leisten vermag, vorerst zumindest in einigen Teilen Baltimores.
Den Verantwortlichen von «Engage with Heart» zufolge sind die ersten Daten vielversprechend. Im Rahmen des im Oktober 2023 gestarteten Projekts haben Hunderte von Personen an Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen teilgenommen. Die Freiwilligen der Johns Hopkins School of Nursing haben auch mehrere Hundert Menschen kontaktiert, um ihr Herz und ihren Cholesterinspiegel zu untersuchen und sie bei Bedarf an eine Ärztin oder einen Arzt zu überweisen.
Viele der Community Health Ambassadors sind nicht nur selbst 60 Jahre und älter, sondern auch noch ein Beweis dafür, dass das Programm älteren Menschen, die sich noch aktiv fühlen und etwas zurückgeben wollen, Arbeitsplätze bieten kann. Für Michael Hodin beweist das, dass «Engage with Heart» die Vision der GCOA erfüllt, die Sichtweise auf das Alter zu verändern.
Hodin sieht überall auf der Welt Anzeichen dieser Trendwende. Als er letztes Jahr nach England reiste, um einen Vortrag über Knochengesundheit zu halten, bemerkte er ein Verkehrsschild in der Nähe von Oxford. Das Piktogramm stammte wahrscheinlich aus den 1950er-Jahren und zeigte ein älteres Paar, das versucht, die Strasse zu überqueren, also eine Aufforderung, sich im Verkehr in Rücksicht und Geduld zu üben. In seinem Vortrag zeigte Hodin dieses Schild dann neben einem aktuellen Bild von älteren Frauen beim Fallschirmspringen in China, um zu verdeutlichen, wie sehr sich die Zeiten geändert haben.
Der zukünftige Fokus der GCOA und ihrer Partner liegt auf der Datenerfassung und dem Engagement. Der Erfolg wird sich nicht nur an der Reduzierung von Krankenhausaufenthalten und der Verbesserung der Gesundheitskennzahlen messen lassen, sondern auch am stärkeren gesellschaftlichen Engagement und an der Nachhaltigkeit der umgesetzten Änderungen. Das Ziel ist letztlich eine Gesellschaft, in der das Altern nicht nur akzeptiert, sondern vielmehr gefeiert wird; eine Welt, in der die Weisheit und Erfahrung älterer Erwachsener als wertvolle Ressourcen anerkannt werden.
Auf dem Silber-Economy-Forum, das die GCOA jedes Jahr veranstaltet, wurden bereits zahlreiche Projekte vorgestellt, die zeigen, wie dies möglich ist: Ein Architekt plant Wohnungen für ältere Menschen, aber nicht nach altbekannten Entwürfen aus den 1960er-Jahren, sondern nach den neuesten Erkenntnissen. Es werden Kosmetiklinien speziell für ältere Frauen lanciert oder Ausflüge für Senioren angeboten, bei denen Menschen über 70 nicht mehr zum Bingo-Spielen mitgenommen, sondern intellektuell angeregt werden oder auf Bauernhöfen wertvolle ökologische und soziale Freiwilligeneinsätze leisten können.
Die Botschaft ist klar: Alter hat Zukunft.
These cookies are necessary for the website to function and cannot be switched off in our systems. They are usually only set in response to actions made by you which amount to a request for services, such as setting your privacy preferences, logging in or filling in forms. You can set your browser to block or alert you about these cookies, but some parts of the site will not then work. These cookies do not store any personally identifiable information.
These cookies allow us to count visits and traffic sources so we can measure and improve the performance of our site. They help us to know which pages are the most and least popular and see how visitors move around the site. All information these cookies collect is aggregated and therefore anonymous. If you do not allow these cookies we will not know when you have visited our site, and will not be able to monitor its performance.