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Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf die Ökosysteme und das Wetter aus. Er beeinträchtigt auch die Gesundheit der Menschen. Zwar könnten neue Krankheiten ebenso eine Folge dieser Entwicklung sein. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich die Krankheitsbilder schon bekannter Infektionskrankheiten und nicht übertragbarer Krankheiten verändern.
Text von Goran Mijuk, Fotos von Laura Morton
Eine Wissenschaftlerin entnimmt auf dem Novartis Campus in Emeryville (Kalifornien/USA) in Flüssigstickstoff eingelagerte Zellen.
Im Jahr 2002 hat Novartis entschieden, in Singapur ein spezielles Forschungslabor zur Untersuchung von Tropenkrankheiten einzurichten. Dahinter stand nicht die Sorge um den Klimawandel, sondern die Tatsache, dass Erkrankungen wie Malaria und Denguefieber, die in Entwicklungsländern häufig auftreten, von der Pharmaindustrie weitgehend unbeachtet blieben.
Mit der Gründung des Novartis Institute for Tropical Diseases (NITD) wollte das Unternehmen diese Lücke schliessen: «Wir erkannten die Notwendigkeit, Millionen von Patienten, die an bisher kaum beachteten Krankheiten litten, Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung zu bieten», fasst Paul Herrling, Mitbegründer und einstiger Forschungsleiter des NITD, zusammen.
Das Institut, dessen Hauptsitz sich heute in der Nähe von San Francisco befindet, hat im Laufe der Jahre Partnerschaften mit privaten und öffentlichen Instituten begründet, darunter etwa mit der Bill & Melinda Gates Foundation und dem Medicines for Malaria Venture. Erklärte Zielsetzung des Instituts war es, die Erforschung verbreiteter Tropenkrankheiten zu beschleunigen, für die es nur begrenzte oder überhaupt keine Behandlungsmöglichkeiten gab.
In der Anfangszeit konzentrierte sich die Forschungsarbeit des Instituts auf Denguefieber, Malaria und Tuberkulose. Später untersuchten die Wissenschaftler auch andere durch Parasiten verursachte Krankheiten, darunter Schlafkrankheit, Leishmaniose, Kryptosporidiose und Chagas-Krankheit. Auf diese Weise wurde das Forschungsspektrum erweitert und das wissenschaftliche Know-how vertieft.
Innerhalb von zwanzig Jahren entwickelte das heute von Thierry Diagana geleitete NITD ein bemerkenswertes Arsenal an vielversprechenden Wirkstoffkandidaten gegen Malaria und Denguefieber. Diese Medikamente können nicht nur für die Behandlung der betreffenden Krankheiten bedeutsam sein. Sie sind möglicherweise auch entscheidend, um deren angesichts des Klimawandels befürchtete Verbreitung zu bekämpfen.
Die Malariaforscherin Eve Chuenchob testet...
Laut dem von Lancet Countdown 2019 veröffentlichten Bericht über Gesundheit und Klimawandel «wird ein Kind, das heute geboren wird, in einer Welt leben, die mehr als vier Grad wärmer ist als der vorindustrielle Durchschnitt». Dabei wirkt sich der Klimawandel vom Säuglingsalter über die Jugend bis ins Erwachsenensein und das Alter aus.
«Kinder leiden weltweit mit am stärksten an Folgen des Klimawandels», so die Forscher im erwähnten Bericht. Nach Aussage von Experten ist dies nicht nur die Folge von Unterernährung und Naturkatastrophen, sondern auch dadurch bedingt, dass Kinder «besonders anfällig für Durchfallerkrankungen sind und am meisten unter den schweren Auswirkungen des Denguefiebers leiden».
Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge könnte der Klimawandel von 2030 bis 2050 unter anderem aufgrund von Unterernährung, Malaria, Durchfallerkrankungen und Hitzestress Ursache für rund 250’000 zusätzliche Todesfälle sein. «Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass der Klimawandel erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit hat», so Jonathan Spector, Head of Global Health der Novartis Institutes for BioMedical Research. «Dazu zählen Infektionskrankheiten sowie nicht übertragbare Krankheiten – Bereiche, in denen Novartis seit Jahrzehnten tätig ist.»
Bekämpfung von Malaria
Im Bereich der Infektionskrankheiten ist Malaria seit Langem ein Schwerpunktbereich des Unternehmens. Noch bevor Novartis durch die Fusion von Ciba-Geigy und Sandoz im Jahr 1996 entstand, arbeitete eines der Vorgängerunternehmen an Chemikalien zur Ausrottung der Mücken, die für die Verbreitung von Malaria und Gelbfieber verantwortlich sind. Die wichtigste Entdeckung in diesem Zusammenhang war DDT, für das Paul Hermann Müller 1948 den Nobelpreis für Medizin erhielt.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein folgte um die Jahrtausendwende mit der Entwicklung von Coartem®, einem Wirkstoff, der zum Herzstück der Malaria-Initiative von Novartis werden sollte. Er erwies sich als entscheidender Faktor zur Unterstützung weltweit tätiger Organisationen wie der Vereinten Nationen und der WHO bei der Bekämpfung der Krankheit in Endemiegebieten Asiens und Afrikas.
Trotz dieser Erfolge sind die Herausforderungen bei der Ausrottung der Krankheit noch immer enorm: Pro Jahr erkranken mehr als 200 Millionen Menschen an Malaria. Etwa 500’000 Personen sterben jährlich an der Krankheit, vor allem Kinder. Schlimmer noch: Die Fähigkeit des Krankheitserregers, sich an aktuelle Medikamente anzupassen, erhöht das Resistenzrisiko. Es ist zu befürchten, dass der Klimawandel die Verbreitung noch verstärkt.
«Der grosse Erfolg der Malaria-Initiative verlieh unserer Forschung von Anfang an grosse Dynamik», so Thierry Diagana. «Doch wir wollten unsere Forschungsarbeiten vor allem aus dem folgenden Grund vorantreiben: Wir waren uns schon frühzeitig der Tatsache bewusst, dass die Resistenz gegenüber Malaria-Medikamenten ganz real war und wir kontinuierlich an neuen Wirkstoffen arbeiten mussten. Aus heutiger Sicht ist der Klimawandel selbstverständlich ein weiterer Grund dafür, die Entwicklung neuer Medikamente zu beschleunigen.»
Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit arbeitet das NITD derzeit an mehreren experimentellen Malariamitteln. KAF156 und KAE609 werden gegenwärtig im Rahmen von Phase-II-Studien getestet. Zudem hat das NITD den potenziellen Malariawirkstoff INE963 entdeckt, der sich durch eine rasche, langanhaltende Wirkung auszeichnet. Der Wirkstoff wurde zum Projekt des Jahres 2019 der Medicines for Malaria Venture gewählt. «Wir sind zuversichtlich, dass wir mit diesen Wirkstoffen auch in Zukunft zur Ausrottung der Krankheit beitragen können», so Diagana.
...mit der Stechmückenmaschine einen Wirkstoff.
Malaria könnte sich bei höheren Temperaturen stärker verbreiten, so die Befürchtung einiger Forscher. In der Forschung geht man heute davon aus, dass aufgrund des Klimawandels auch mehr Menschen am Denguefieber, einer weiteren Infektionskrankheit, erkranken könnten. Bereits heute verursacht der Erreger rund 100 Millionen symptomatische Infektionen jährlich und ist für den Tod von etwa 20’000 Menschen verantwortlich.
Laut einem 2019 in der Fachzeitschrift Nature Microbiology publizierten Artikel wird sich die Krankheit, die «durch die in den Städten der Tropen und Subtropen lebende Mückenart Aedes auf den Menschen übertragen wird, in den jetzigen Endemiegebieten noch weiter verbreiten». Die Wissenschaftler nennen als Gründe dafür unter anderem «eine schnellere Virusvermehrung, eine höhere Überlebensrate des Vektors sowie eine höhere Reproduktions- und Stechrate». Diese Faktoren werden «letztlich zu einer Verlängerung der Übertragungssaison und einer grösseren Anzahl Infizierter führen, die vermehrt an schweren Verläufen leiden werden».
«Dengue ist sicherlich eine der Tropenkrankheiten, bei der immer mehr Anzeichen darauf hindeuten, dass der Klimawandel starke Auswirkungen haben könnte», so Feng Gu, Leiterin des Dengue-Medikamentenprojekts am NITD. «Vor diesem Hintergrund entschied unser Leitungsteam 2020, die Weiterentwicklung unseres vorklinischen Wirkstoffkandidaten in diesem Krankheitsbereich auch künftig zu unterstützen.»
Derzeit arbeiten Gu und ihre Mitarbeitenden am Wirkstoff NITD-688, einem pan-serotypischen Dengue-Inhibitor, der das virale NS4B-Protein, das die Krankheit verursacht, direkt bindet. Frühe Testergebnisse weisen darauf hin, dass das Präparat bei In-vivo-Modellen sowohl bei der akuten als auch bei der später erfolgenden Behandlung Wirksamkeit zeigt, günstige pharmakokinetische Eigenschaften besitzt und in vorklinischen toxikologischen Studien gut vertragen wurde.
«Dies ist ein grosser Schritt auf dem Weg hin zu einer Therapie gegen das Denguefieber, das in vielen Teilen der Welt deutlich zunimmt», so Gu. Sie merkt an, dass es allein im Jahr 2019 grössere Ausbrüche in Pakistan, Bangladesch und Nepal sowie in vielen Ländern in Südostasien gab. Auch in der Karibik und in Lateinamerika erreichten die Fallzahlen Rekordwerte. «Die hohen Ausbruchszahlen zeigen, dass sich die Krankheitsbilder verändern und es dringlicher denn je ist, Medikamente zu entwickeln, mit denen die Patienten behandelt werden können», erläutert Gu.
Stephanie Moquin, Postdoktorandin im Dengue-Team, exprimiert Proteine in einem Speziallabor auf dem Novartis-Forschungscampus in Emeryville.
Novartis setzt sich nach wie vor dafür ein, die Behandlungsmöglichkeiten und den Zugang zu medizinischer Versorgung bei Infektionskrankheiten zu verbessern. Man ist sich aber auch der Tatsache bewusst, dass chronische Erkrankungen in aller Welt auf dem Vormarsch sind und immer mehr Menschen in Industrie- und Entwicklungsländern daran leiden.
«Die Folgen des Klimawandels und der Umweltverschmutzung führen zu einem gesteigerten Behandlungsbedarf bei chronischen Krankheiten», so Jonathan Spector. «Ein wesentlicher Teil unserer Arbeit widmet sich bereits diesem Problem. Wir verfügen über branchenweit führende Forschungs- und Entwicklungsprogramme, die sich einem breiten Spektrum nicht übertragbarer Krankheiten widmen.»
Neben einem ausgeprägten Schwerpunkt in der Onkologie hat Novartis auch Kapazitäten für Forschung und Entwicklung in Bereichen wie Lungen- und Herzerkrankungen aufgebaut, die durch die zunehmende Umweltverschmutzung insbesondere in den Städten immer häufiger werden.
Laut dem Bericht von Lancet Countdown «schädigt die Luftverschmutzung, die vor allem durch fossile Brennstoffe verursacht und durch den Klimawandel noch verschärft wird, Herz, Lunge und alle anderen wichtigen Organe». Im Jahr 2016 «betrug die Zahl der weltweiten Todesfälle, die auf Feinstaubpartikel in der Luft zurückzuführen waren, noch immer 2,9 Millionen; die Zahl der insgesamt durch die Luftverschmutzung verursachten Todesfälle erreichte 7 Millionen.»
«Es ist dringend notwendig, dass wir weiterhin zur Eindämmung chronischer Krankheiten beitragen, die heute sowohl in den Industrie- als auch den Entwicklungsländern den Grossteil der Erkrankungen darstellen», so Spector. «Wir werden mit der Zeit lernen, wie sich die Krankheitsbilder wegen des Klimawandels verändern, und wir müssen wachsam bleiben, damit wir so weit wie möglich vorhersagen können, wo der grösste Bedarf besteht. Dann müssen wir die erforderlichen Medikamente bereit haben.»
Aus diesem Grund stimmen Gu und Spector darin überein, dass neben mehr wissenschaftlicher und medizinischer Forschung auch «aus politischer und wirtschaftlicher Perspektive sowie vonseiten des Gesundheitssystems Handlungsbedarf besteht. In diesem Zusammenhang gilt es nicht zuletzt, über die Krankheiten aufzuklären, Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten zu schaffen und dem Klimawandel durch eine Verringerung der Umweltverschmutzung entschiedener entgegenzutreten.»
Abstrichproben...
Novartis hat ihre Anstrengungen im Umweltbereich in den vergangenen zwei Jahren erheblich verstärkt, um die CO2-Emissionen sowie den Wasser- und Kunststoffverbrauch des Unternehmens zu reduzieren. Zudem hat man die bereits intensiven Aktivitäten für einen verbesserten Zugang zur Gesundheitsversorgung beschleunigt. Zu diesem Zweck legte Novartis im September 2020 eine sogenannte Nachhaltigkeitsanleihe mit einem Emissionsvolumen von 1,85 Milliarden Euro auf.
Novartis-CEO Vas Narasimhan erwartet, dass mit diesen Massnahmen in den kommenden fünf Jahren möglicherweise rund 24 Millionen zusätzliche Patienten erreicht werden. Für ihn ist die Anleihe «ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg, [Umwelt, Soziales und Governance-Themen] zu Kernaspekten unserer Geschäftstätigkeit zu machen». Mit der Einführung des innovativen Bonds will Novartis «die Fortschritte unseres Unternehmens messen, uns selbst zur Rechenschaft ziehen und entschlossen unser Versprechen einlösen, den weltweiten Zugang zu unseren Medikamenten zu erweitern», wie Narasimhan erläuterte.
Den Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern, ist ein ehrgeiziges Ziel. Doch angesichts der durch den Klimawandel gebotenen Dringlichkeit setzt sich Novartis nachdrücklich für das Erreichen dieser Ziele ein und macht nicht bloss leere Versprechungen: Novartis zahlt den Investoren höhere Zinsen, wenn das Unternehmen seine Zielvorgaben verfehlt. Ein zusätzlicher Anreiz für die Wissenschaftler des NITD und ihre Kolleginnen und Kollegen, die Zielvorgaben im Interesse der Patienten in aller Welt zu erreichen.
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