Video Player is loading.
Current Time 0:04
Duration 0:08
Loaded: 100.00%
Stream Type LIVE
Remaining Time 0:04
 
1x
    • Chapters
    • descriptions off, selected
    • subtitles off, selected
    • default, selected
    00

    Ein kulturelles Fundament

    Der Pavillon vor den Toren des Novartis Campus ist nicht nur ein auffallend charakterstarker Bau. Das Gebäude ist vor allem auch ein Zeichen des kulturellen Wandels, den Novartis in den vergangenen Jahren vorangetrieben hat. Dieser führte zu einer kontinuierlichen Öffnung, die heute mit dem Pavillon auch den intensiven Austausch mit der Gesellschaft einbezieht.

    Text von Goran Mijuk, lllustration von Philip Bürli

    scroll-down
    Home
    en
    de
    zh
    jp
    Share
    Share icon
    content-image
    Enter fullscreen

    Bei der Entwicklung des Campus ging es auch darum, neue Raum- und Arbeitskonzepte einzuführen.

    Publiziert am 06/04/2022

    Nur wenige kennen die Geschichte des Novartis Campus so aus dem Effeff wie Marco Serra. Der langjährige Chefarchitekt von Novartis stiess schon zu Beginn der Campus-Arbeiten um die Jahrtausend­wende zum Unternehmen und kennt fast alle Gebäude des St.-Johann-Areals in- und auswendig.

    Wenn er nicht selbst einen Entwurf anfertigte, wie zum Beispiel für das elegante, aus Glas und Marmor bestehende Main Gate, das Besucherinnen und Besuchern aus aller Welt einen ersten Eindruck vom Campus vermittelt, war er bei allen Gebäuden stets eng in der Planung und beim Bau involviert, so auch beim Pavillon.

    Obwohl der Campus von architektonischen Meisterwerken geprägt ist und zahlreiche Pritzker-Preisträger auf engstem Raum versammelt – darunter Frank Gehry, Rafael Moneo, Tadao Andō und natürlich Jacques Herzog und Pierre de Meuron –, so stellt der Pavillon aus Sicht von Serra dennoch etwas Besonderes dar, vor allem aufgrund seiner Entwicklungsgeschichte.

    Die Idee für das vom italienischen Architekten Michele De Lucchi entworfene Gebäude reifte in vielen Gesprächen über fast ein Jahrzehnt und nahm immer wieder überraschende Wendungen, bis schliesslich der markante Rundbau seinen heutigen Platz im Park vor dem Campus fand.

    Verortung des Lernens

    «Alles begann mit der Idee des Lernens», hob Serra an, als wir eines Nachmittags im Sommer 2021 über den Campus schlenderten, um über die kulturelle und architektonische Entwicklung des Areals zu diskutieren. «In der Vergangenheit lernte man vor allem, indem man an einer Universität Kurse besuchte. Man reiste also irgendwohin, an einen speziellen Ort, um Wissen zu erlangen.»

    Doch dieses starre Konzept wurde in den letzten Jahren stark relativiert. Neue Kommunikationstechnologien wie das Internet erlauben es heute, die Idee der klassischen Lernmöglichkeiten neu anzugehen und zu hinterfragen. Zudem, so Serra, sei in den vergangenen Jahren bei Novartis auch das Bedürfnis gewachsen, eigene Räumlichkeiten für Seminare und Weiterbildungen und einen eigenen Ort des Lernens und des Austauschs zu schaffen.

    «Zu Beginn schaute man sich nach Gebäuden und Orten ausserhalb Basels um. Man diskutierte die Idee, in einer gewissen Abgeschiedenheit die Möglichkeit zu haben, konzentriert und intensiv an gewissen Projekten zu arbeiten», erzählte Serra. «Denn ungeachtet der rasch voranschreitenden Digitalisierung und der dadurch entstehenden Vorteile bleibt Nähe auch heute dennoch zentral, wenn es darum geht, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten und Vertrautheit und Vertrauen zu schaffen.»

    Kultureller Wandel

    Die Diskussionen rund um das Lernen fielen in eine Zeit des kulturellen Wandels von Novartis, der nach der Ernennung von Jörg Reinhardt zum Präsidenten des Verwaltungsrats im Jahr 2013 Fahrt aufnahm. Dieser umfasste neben operativen und kulturellen Neuerungen auch strukturelle und technologische Änderungen.

    Während sich das Unternehmen anschickte, sich operativ auf das pharmazeutische Kerngeschäft zu konzentrieren – Novartis veräusserte unter anderem sein Impfstoff- und Tiergesundheitsgeschäft und löste später auch das Augenheilunternehmen Alcon durch einen Spin-off aus dem Konzernverbund –, wurde auch an der Unternehmenskultur gearbeitet.

    Dabei rückten vor allem Werte wie Zusammenarbeit und Team­fähigkeit stärker in den Vordergrund. Davon versprach sich das Unternehmen nicht nur, dass die Innovation vorangetrieben würde, die weiterhin das Rückgrat des Konzerns bildete. Durch die Zusammenarbeit sollten auch das Potenzial und das Know-how aller Mitarbeitenden besser genutzt werden.

    Zeitgleich wurde die Zusammenarbeit auch strukturell vorangetrieben, indem man die Geschäftseinheiten neu aufstellte und eine Dienstleistungsdivision einrichtete, die darauf abzielte, Prozesse zu verein­fachen und Hilfsleistungen für alle Novartis-Geschäftsbereiche aus einer Hand anzubieten.

    Mit dem Antritt von Vas Narasimhan zum CEO von Novartis im Jahr 2018 wurden diese Anstrengungen weiter vorangetrieben. Neben der Förderung der Digitalisierung sowie dem Aufbau neuer Forschungsbereiche wie der Zell- und Gentherapie oder der Nuklearmedizin fokussierte Narasimhan seine Kraft vor allem auf die Stärkung der Unternehmenskultur.

    Inspiration, Neugierde und Selbstverantwortung – inspired, curious, un­bossed – sind die Schlagworte dieses kontinuierlichen Kulturwandels, durch den nicht nur die Hierarchien abgeflacht werden, sondern auch allen Mitarbeitenden die Möglichkeit gegeben wird, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln.

    Vor allem was das Lernen betrifft, eröffnete Novartis neue Möglichkeiten. Neben rund 3500 Kursen von führenden Universitäten wie Yale oder Princeton, die über die Digitalplattform Coursera angeboten werden, oder dem breiten Lernangebot von LinkedIn offeriert Novartis ihren Mitarbeitenden rund 100 Stunden pro Jahr, in denen sie Zeit für Weiterbildungen haben.

    Typologie der Transparenz

    Während die Digitalisierung im Unternehmen an Fahrt gewann, blieb das Bedürfnis nach einer Vorortung und Verkörperung des Lernens aber weiter bestehen. Als möglicher Ort unter die Lupe genommen wurde unter anderen das ehemalige Bäderhotel Bad Schauenburg. Doch das Anwesen, das 1958 von der J.R. Geigy gekauft worden war, brachte aufgrund der Lage und der Typologie des Gebäudes als Hotel und Konferenzzentrum einige Herausforderungen mit sich.

    Denn beim Kulturwandel des Unternehmens ging es nicht bloss darum, Zusammenarbeit und Teamfähigkeit zu fördern. Ein wichtiger Anspruch, der mit der Zeit an Gewicht gewann, war auch, die Transparenz von Novartis gegenüber der Gesellschaft zu erhöhen sowie den Dialog mit der Bevölkerung zu suchen.

    «Der Transparenzgedanke führte dazu, dass wir damit anfingen, den Ort des Lernens im Campus zu sehen», erklärte Serra. «Dies entsprach zwar der Grundidee des Campus, der immer schon als Ort des Lernens, der Kommunikation und der Innovation angelegt war. Doch es war nicht einfach, ein passendes Gebäude dafür zu finden. Allein die Auswahl des Standorts wurde lange Zeit diskutiert.»

    Zudem, so Serra, zeichnete sich auch die Idee immer klarer ab, dass man in einem möglichen neuen Gebäude auch die Pharmaindustrie als solche den Menschen näherbringen wollte und dass eine Ausstellung über die Entwicklung der Industrie sowie deren Tätigkeit, die vielen Menschen bis heute nur bruchstückhaft bekannt ist, ins Auge gefasst wurde.

    Ort der Innovation

    Die Idee eines Orts des Lernens und des Austauschs stand bereits bei der Entwicklung des Campus um die Jahrtausendwende im Vordergrund. Der ehemalige Verwaltungsratspräsident Daniel Vasella wollte damals, wenige Jahre nach der Gründung von Novartis, das in die Jahre gekommene St.-Johann-Areal nicht nur notdürftig und gebäudeweise sanieren.

    Vasella schwebte vielmehr eine komplett neue Arbeitsumgebung vor, in der die Mitarbeitenden nicht nur verschieden Arbeitsumgebungen vorfinden würden, die Team- und Einzelarbeit zuliessen. Es sollte auch Raum für Zufallsbegegnungen geschaffen werden und eine Atmosphäre entstehen, die Kreativität und Innovation fördert.

    Zwar wurden die verschiedenen Campus-Gebäude individuell und entsprechend den Bedürfnissen der Benutzer entworfen. Doch die Architekten orientierten sich jeweils am Masterplan von Vittorio Magnano Lampugnani: Der italienische Städteplaner entwarf eine Blaupause, die den Campus als urbanes Gebiet verstand, wo sich nicht nur ein Bau an den anderen reiht, sondern wo Parks und Plätze für Abwechslung und Individualität sorgen.

    So entstanden nach und nach nicht nur neue Gebäude wie das Forum 3 von Diener & Diener mit seiner ausdrucksstarken Glasfassade, sondern auch das fast transparent anmutende, beim Campus-Eingang stehende Gebäude von Kazuyo Sejima und Ryūe Nishizawa oder das durch seine klassisch-moderne Eleganz auffallende, von Peter Märkli entworfene Visitor Center.

    Zwischen den Gebäuden öffnen sich auch begrünte Plätze, Parks, Wiesen und lauschige Wäldchen, wo die Mitarbeitenden und Gäste Raum für Erholung und informelles Arbeiten finden. Hier soll es möglich sein, aus dem Alltagstrott auszubrechen und Kraft zu tanken, um neue Ideen zu entwickeln.

    Ein Zufallskringel

    Die Suche auf dem Campus gestaltete sich aber auch nicht ganz einfach, so Serra. Gemeinsam mit Jörg Reinhardt und Vittorio Magnano Lampugnani wurden verschiedene Standorte geprüft, doch immer wieder verworfen, so auch die Idee, das Lernzentrum in einem ehemaligen Laborgebäude unterzubringen.

    «Eine wichtige Frage neben der des Lernens betraf auch die Art des Austauschs mit der Bevölkerung», so Serra. «Es schwebte uns nicht nur ein Ort des Lernens vor, sondern wir wollten auch einen Ort schaffen, wo die Bevölkerung einen besseren Einblick in die Pharmaindustrie gewinnen konnte.»

    Für Verwaltungsratspräsident Reinhardt war dieser Aspekt im Lauf der Entwicklung immer wichtiger geworden. «Die pharmazeutische Industrie ist hochkomplex. Doch es gibt nur wenige Orte, an denen sich die Bevölkerung informieren und mehr darüber erfahren kann, wie sich die Entwicklung eines modernen Medikaments gestaltet.»

    So entwickelte sich aus der Idee des Lernens und Austauschs die Idee einer Begegnungsstätte, eines Zentrums, in dem ein echter Dialog stattfinden kann. Während einige Gebäude und Areale auf dem Campus geprüft wurden, unterbreiteten Lampugnani und Serra schliesslich den Vorschlag, das Gebäude im Park vor dem Campus zu platzieren, und malten einen Kreis inmitten der Parkanlage.

    «Das war eigentlich nur mal so dahingekritzelt», erklärte Serra. «Aber vielleicht hatten wir, nachdem wir uns jahrelang mit der Idee auseinandergesetzt hatten, einfach das Gefühl, dass ein rundes Gebäude passen könnte. Dass jemand diese Idee dann unabhängig von uns hatte, war natürlich ein Glücksfall.»

    Als die Entscheidung schliesslich gefallen war, dass man ein neues Gebäude vor den Toren des Campus bauen wollte, wurde ein Wett­bewerb initiiert, der namhafte Architekten umfasste, darunter Smiljan Radic, Tom Emerson und Shigeru Ban, deren Konzepte allesamt mit ihrer innovativen Architektur bestachen.

    Das Rennen machte schliesslich der italienische Architekt Michele De Lucchi, dessen Rundbau natürlich nicht nur dem ursprünglichen Kringel am ähnlichsten sah, sondern die Idee des Lernens und Austauschs am stärksten verkörperte.

    Lernen mit Lust

    Für De Lucchi – einen der renommiertesten Architekten und Designer der Welt – bestand die Schlüsselidee darin, das Konzept des Lernens auf eine neue und überraschende Weise umzusetzen.

    «Der Grund», so De Lucchi, «warum wir uns für ein rundes Gebäude entschieden haben, ist, dass wir einen Innenraum schaffen wollten, der die Besucherinnen und Besucher zum Umhergehen einlädt. Wie beim Lyzeum von Aristoteles gefiel uns die Idee des Lernens und Gehens, des offenen und wachen Geistes.»

    De Lucchi und sein Team lehnten die Idee eines konventionellen Ausstellungszentrums ab, und zwar mit der Begründung, dass es bei öffentlichen Gebäuden und Räumen von heute nicht mehr darum gehe, Informationen zu speichern, die heute auf jedem iPhone oder in der Cloud verfügbar sind. Vielmehr wollten sie einen Raum schaffen, in dem die Menschen Qualitätszeit erleben und spielerisch lernen können.

    «Dies ist ein neues Konzept im Vergleich zu dem, was vor 10 oder 20 Jahren gebaut wurde», erklärte De Lucchi. «Ich erinnere mich, dass Lernen in meiner Kindheit bedeutete, zu leiden. Heute ist diese Vorstellung angesichts des technologischen Fortschritts überholt. Wir wollten dieser neuen Verspieltheit eine zeitgemässe Form geben.»

    Ständiger Dialog

    Während das Innere des Gebäudes auf spielerisches, interaktives Lernen und Bildung ausgerichtet ist, einschliesslich eines Cafés sowie Schulungs- und Sitzungszonen, verbindet das Äussere Spielfreude und Dialog in besonderer Art und Weise.

    Statt einer glitzernden, hochgestylten Hülle haben sich De Lucchi und sein Team für eine Medienfassade entschieden, die zusammen mit dem Schweizer Unternehmen iart entworfen wurde und aus einem Netzwerk organischer Photovoltaikzellen und LED-Elementen besteht. «Die Idee war, auch die Aussenhülle in Dialog mit dem Publikum zu bringen», erklärt De Lucchi. «Wir wollen mit Künstlern zusammenarbeiten, die diese Fläche nutzen, um Lichtinstallationen zu schaffen, die das Pub­likum einbeziehen, ähnlich wie es Künstler in der Vergangenheit mit den Buntglasfenstern taten, die – abgesehen vom rein ästhetischen Aspekt – vor allem Geschichten erzählen und das Publikum zum Dialog anregen sollten.»

    «Natürlich fällt der Rundbau im Zusammenhang mit dem Campus auf und ist in sich selbst ein Alleinstellungsmerkmal», so Serra. «Doch was den Ausschlag für dieses Gebäude gab, war die Art und Weise, wie der Architekt die Prinzipien von Novartis umsetzen konnte und wie das Lernen und das Sich-Begegnen in diesem Gebäude stattfinden.»

    Für Reinhardt ist dieser Aspekt zentral. Denn es gilt nicht nur Aufklärungsarbeit zu leisten, sondern auch eine Begegnungsstätte zu schaffen, in dem ein echter intellektueller Austausch möglich ist.

    «Trotz ihrer grossen gesellschaftlichen Bedeutung kämpft die Pharmaindustrie immer wieder um Akzeptanz in der Gesellschaft. Mit dem Pavillon wollen wir nicht nur ein Zeichen setzen und den Leuten eine Tür öffnen, um ihnen näherzubringen, was wir tun. Wir wollen auch in Dialog mit ihnen treten und eine echte Debattenkultur pflegen,» so Reinhardt.

    icon

    Home
    en
    de
    zh
    jp
    Share
    Share icon