Mobbing an den Schulen hat zugenommen
Prävention und Intervention
Langfristiges Engagement
«chili» wirkt
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Eine Herzensangelegenheit

Novartis Sponsoring & Donations arbeitet seit Jahren eng mit dem Schweizerischen Roten Kreuz zusammen. Ein wichtiges Projekt dieser Kollaboration ist das Konflikttrainingsprogramm «chili», das in einer Zeit des zunehmenden Mobbings an Schulen immer wichtiger wird.

Text von Patrick Tschan und Egecan Huesemoglu, Fotos von Laurids Jensen

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Spielerisches Mobbing mit einem klaren Ziel: Konflikte zu verhindern.

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Publiziert am 30/08/2021

Die Schülerinnen und Schüler der 4. bis 6. Primarklassen Lampenberg im Kanton Baselland sitzen in ihre Aufgaben vertieft an ihrem Platz. Die Lehrerin Tanja Brogli geht zwischen den Schulbänken auf und ab, schaut auf die Blätter, gibt dort einen Tipp, stellt da eine Frage und erklärt dort nochmals kurz die Aufgabenstellung. Irgendwann legt sie – im Rahmen eines Rollenspiels – einer Schülerin einen gelben Zettel aufs Pult, auf dem geschrieben steht: «Hast du Lust, mit mir zu streiten? Komm an mein Pult und wirf einfach etwas runter.»

Das Mädchen schmunzelt und wartet einen Moment. Dann steht sie auf, geht zum Pult von Frau Brogli und wirft dort die Stifte und Hefter herunter. Die Lehrerin reagiert aufbrausend und beschuldigt das Mädchen, die Dinge mit Absicht heruntergeworfen zu haben. Das Mädchen kontert: «Das war nicht Absicht, ich bin aus Versehen darangekommen!» Die Lehrerin braust auf: «Stimmt doch nicht, du wirfst ständig Dinge von mir auf den Boden! Mir reicht es!» Die Auseinandersetzung geht weiter, der Rest der Klasse hört immer aufmerksamer zu, bis ein Kind dazwischenfährt: «Hey, stopp! Geht auseinander!» Das Kind holt das Streitseil, platziert die Lehrerin an das eine Ende und das Mädchen ans andere und versucht zu schlichten. «Was ist denn passiert, Frau Brogli?»

Tanja Brogli unterbricht den Unterricht regelmässig mit solchen kurzen Rollenspielen, um Mobbing und Gewalt vorzubeugen. Ähnliche Situationen aus der eigenen Schulzeit haben viele noch in bester Erinnerung: Eine Mitschülerin oder ein Mitschüler – oder sogar man selber – ist ein wenig anders. Vielleicht etwas dicklich, unsportlich oder nicht hip gekleidet, gibt oft falsche Antworten oder gilt aufgrund der religiösen Ausrichtung oder der Herkunft der Eltern als Aussenseiter.

Aus unserer heutigen Erwachsenensicht sind es oft Nichtigkeiten, aber sie reichten aus, um Klassenkameradinnen oder -kameraden aus dem sozialen Gefüge der Schulklasse auszuschliessen. Früher hatte man noch kein Wort dafür. Doch in der Summe waren die ständigen Sticheleien, die Ausübung verbaler und psychischer Gewalt durch einen Klassenverband gegen Einzelne das, was man heute Mobbing nennt. Oft versuchen die Betroffenen, sich nichts anmerken zu lassen, fressen Wut und Scham in sich hinein, so dass Eltern und Lehrpersonen sehr spät – in manchen Fällen sogar zu spät – bemerken, was eigentlich vor sich geht.

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In der ganzen Schweiz ermöglicht das Programm chili des Schweizerischen Roten Kreuzes, Kindern den Umgang mit Konfliktsituationen beizubringen.

Mob­bing an den Schu­len hat zu­ge­nom­men

Um solchen Vorkommnissen vorzubeugen oder im Bedarfsfall zu intervenieren, hat das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) das Konflikttrainingsprogramm «chili» für Schülerinnen und Schüler der Volksschule entwickelt, das Frau Brogli und viele andere Lehrerinnen und Lehrer in der Schweiz nutzen.

Das Programm, das seit 1999 existiert, ist wichtiger denn je. Eine von der OECD in Auftrag gegebene Studie zeigte für das Jahr 2018 eine allgemeine Zunahme von Gewalt und Mobbing an europäischen Schulen im Vergleich zu 2015. Die Schweiz belegte dabei den Spitzenplatz, gefolgt von Italien und Österreich.

Dies hat auch mit der Digitalisierung zu tun. Wurden früher während der Schulstunde Zettelchen herumgereicht, auf denen diffamierende Sätze über die gemobbte Person ausgetauscht wurden, geschieht dies heute über digitale Plattformen wie Signal, Threema, Reddit, Instagram, TikTok oder Facebook. Kränkungen, Verleumdungen oder Erniedrigungen sind so für alle sichtbar, für den Mobber wie auch für das Opfer. Ein Post jagt den anderen. Beleidigende Bilder oder Filmchen, welche die Leidtragenden verhöhnen, werden hochgeladen. Eine sich immer schneller drehende Spirale setzt ein, die keine Pausenglocke, keinen Schulschluss kennt und die bis ins Zimmer der Kinder und Jugendlichen dringt und vor der das elterliche Zuhause keinen Schutz mehr bietet.

Gaben 2015 noch 11 Prozent der Schweizer Jugendlichen an, dass man sich mindestens ein paar Mal pro Monat über sie lustig gemacht habe, stieg der Wert im Jahr 2018 auf 13 Prozent an. Der Anteil der Teenager, die behaupteten, dass über sie gemeine Gerüchte verbreitet worden sind, erhöhte sich von 7 auf rund 11 Prozent. Der Anteil an körperlichen Übergriffen verdoppelte sich über den Studienzeitraum auf 7 Prozent.

Diese Tendenz schlägt sich auch im Jahresbericht 2019 von «chili» nieder. Zwar sank die Nachfrage nach Präventionstrainings gegenüber 2018, aber es wurden 35 Prozent mehr Interventionen für Konfliktlösungen bei akuten Fällen von psychischer und physischer Gewalt an Schulen nachgefragt.

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Dorothea Bergler, Leiterin des Bereichs Unternehmenspartnerschaften beim Schweizerischen Roten Kreuz.

Prä­ven­ti­on und In­ter­ven­ti­on

«Etwa 10 Prozent unserer Arbeit sind Intervention, 90 Prozent Prävention», sagt Stefan Müller, Dienstleistungskoordinator von «chili» und zugleich Projektleiter beim SRK, der für die nationale Koordination des Konflikttrainingsprogramms verantwortlich ist. «Das Programm ist modular aufgebaut und bietet zahlreiche Übungsszenarien, die spielerisch aufzeigen, wie ein Konflikt entsteht und wie er gelöst werden kann.»

Auch wenn sich seit der Gründung von «chili» vor über 20 Jahren die Konflikte gleichen, haben sie durch die digitalen Plattformen «eine ganz andere Qualität bekommen», wie Stefan Müller es ausdrückt. «Wenn man früher in der Schule Konflikte hatte, dann ging man nach Hause und hatte mal wieder Ruhe. Wird man hingegen von Mitschülerinnen und Mitschülern gemobbt und finden sich die Angriffe in einem WhatsApp-Chat wieder, hat man dies quasi 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche um sich herum und wird es nicht mehr los. Man hat nie mehr eine Pause. Das ist ein frappanter Unterschied.»

Wehrlos ausgeliefert ist man dem Phänomen allerdings nicht, weder im digitalen Raum noch in der Klasse – das zeigen die von «chili» entwickelten Übungen, bei denen die Kinder lernen, angemessen mit Mobbing und Ausgrenzung umzugehen. Dabei erfassen sie, was ein Konflikt überhaupt ist, wie sie mit ihren eignen Gefühlen umgehen, zuhören, darüber sprechen und gemeinsam Lösungen finden können. Zudem ist auch eine Konfliktbearbeitung vorgesehen. Dabei sind Rollenspiele wie in der Klasse von Tanja Brogli zentral. So merken die Kinder, wie ein Konflikt entsteht und was für Gefühle er bei den Opfern, aber auch bei den Tätern auslöst.

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Tanja Brogli, Lehrerin an der Primarschule in Lampenberg im Kanton Baselland.

Lang­fris­ti­ges En­ga­ge­ment

Novartis hat sich früh bei «chili» engagiert. Ohne das Sponsoring wäre das Programm in dieser Form schwer aufrechtzuerhalten, bestätigt Dorothea Bergler, Leiterin Corporate Partnerships beim Schweizerischen Roten Kreuz.

Für Isabel Dalli ist die Partnerschaft mit «chili» jedoch mehr: eine Herzensangelegenheit, aber auch ein wichtiger Teil der engen Zusammenarbeit von Novartis und dem SRK, die man seit 2013 pflegt. «Speziell beim Schweizerischen Roten Kreuz ist, dass wir mit ‹chili› einerseits ein langfristiges, auf die Schweiz bezogenes Projekt verfolgen, andererseits aber auch die Bemühungen des Roten Kreuzes bei Kriseninterventionen im Ausland unterstützen», erklärt Dalli.

Novartis hat mit dem SRK unter anderem schon vor einigen Jahren zusammengearbeitet, um in Bangladesch Flüchtlingscamps für aus Myanmar geflüchtete Rohingya zu erstellen. Zudem hat man das SRK auch in Haiti, auf den Philippinen, in Syrien sowie in Beirut mit Spenden unterstützt.

Neben dem Engagement für das SRK verfolgt das Team von Dalli auch Partnerschaften mit zahlreichen anderen Organisationen wie etwa Schweizer Jugend forscht oder der Stiftung Theodora, die sich vor allem um Kinder in Spitalpflege kümmert. Darüber hinaus ist man auch im klassischen Sponsoring tätig und engagiert sich in lokalen Museen und Sportclubs wie dem FC Basel oder dem Eissportverein Zug. Und auch bei der Covid-19-Pandemie haben sich Isabel Dalli und ihr Team früh eingeschaltet und dazu beigetragen, dass Novartis innert Rekordzeit einen Fonds von über 40 Millionen US-Dollar für notleidende Gemeinden aufstellen konnte.

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Isabel Dalli, Dorothea Bergler, Tanja Brogli und Stefan Müller

«chi­li» wirkt

Dass man das Programm auch in Zukunft unterstützen möchte, ist für Dalli schon heute klar: «‹chili› leistet einen grossen Beitrag zu einer friedlicheren Gesellschaft. Dies ist uns ein wichtiges Anliegen.» Aber «chili» allein reicht nicht. Auch die Lehrerinnen und Lehrer sind gefordert und müssen das einmal Gelernte immer wieder mit den Schülerinnen und Schülern einüben.

«Es reicht natürlich nicht, dass die «chili»-Trainer ihren Job machen und das war’s», insistiert Tanja Brogli. «Man muss die von den ‹chili›-Coaches geleistete Vorarbeit im Unterricht weiterführen. Darum baue ich regelmässig kleine ‹chili›-Übungen in den Unterricht ein. Auf diese Weise profitieren alle weit über das eigentliche Training hinaus.» Dabei konzentriert sich das Training an der Schule im beschaulichen Lampenberg im Baselland mit seinen knapp 500 Einwohnern auf ausserdigitale Konflikte. «Wir haben noch kein ‹Digitaltraining› in Anspruch genommen, da es bei uns glücklicherweise noch kein dringendes Thema ist. Ich bin überzeugt, dass dies nicht zuletzt eine der positiven Folgen des ‹chili›-Trainings ist», unterstreicht Tanja Brogli.

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