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Umfassende geriatrische Pflege
Langer Abschied
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Menschen
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Haus der Erinnerung

Demenz bedeutet nicht einfach das abrupte Auslöschen jeglicher Erinnerung. Der mentale Zerfall geht schleichend voran, was den Umgang mit der Krankheit für Betroffene und Angehörige umso schwieriger macht. Da es bislang nur beschränkt medikamentöse Therapien gibt, kommt der Pflege der Patienten und der Begleitung von Familienmitgliedern eine hohe Bedeutung zu. Eine Reportage aus dem Spital- und Pflegezentrum Adullam in Basel.

Text von Goran Mijuk und Michael Mildner

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Proteinablagerungen im Gehirn (sogenannte Plaques) sind symptomatisch für Demenzerkrankungen. Das Bild stellt senile Plaques bei einem Alzheimerpatienten dar.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich im April 2015 publiziert.

Was für ein dummer Kerl», meinte Kurt Herzog zu seiner Frau, als der Arzt aus seinem Zimmer im Spital­ und Pfle­gezentrum Adullam gegangen war. «Das ist ja alles an den Haaren herbeigezogen!»

Für Annerose Herzog aber brach mit diesen Worten eine Welt zusam­men. Denn alles, was der Arzt gesagt hatte, traf zu: Ihr Mann war nicht mehr fähig, die Welt um sich herum richtig wahrzunehmen. Kurt Herzogs Kommentar zur ärztlichen Diagnose war nur der unwiderrufliche Beweis seiner weit fortgeschrittenen Demenz.

Annerose Herzog kann ihre Tränen nicht unterdrücken, als sie sich an diesen Augenblick vor rund einem Jahr erinnert. Sie selbst, so er­klärt sie während unseres Gesprächs im Adullam, hatte um das Treffen mit dem Arzt gebeten. Sie habe die Vorwürfe ihres Mannes nicht mehr länger verkraften können, der sie bei jedem ihrer täglichen Besuche be­drängte, ihn endlich wieder nach Hause zu holen, denn er wolle nicht ohne sie sein.

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Ruth Lindemann (rechts) und die anderen Bewohner der Gartenabteilung beim gemeinsamen Plätzchenbacken in der Weihnachtszeit.

Schlei­chen­der Pro­zess

Mehr als 30 Jahre hatten die beiden zusammengelebt. Er, ehemaliger juris­tischer Direktor des Kantonsspitals Basel und später Präsident der Stadt­bildkommission. Sie, eine erfolgreiche Krankenschwester, die zusammen mit Professor Bruno Speck das Knochenmarktransplantationszentrum am heutigen Universitätsspital mitaufbaute. Reisen, Kunst, Literatur und viele Freunde bereicherten das intensive und erfüllte Leben der beiden.

Doch als Kurt Herzog Mitte der 1990er­Jahre pensioniert wird, er­lischt in ihm nach und nach die Lebensfreude. Der grossgewachsene und begeisterte Sportler lässt sich gehen. Musik, Schach und Malerei geniesst er nur noch selten, und auch gesellschaftlich zieht er sich immer mehr zu­rück. «Am Anfang habe ich es gar nicht richtig bemerkt. Er wollte nicht mehr unter die Leute und meinte immer: ‹Ich kann alles, weiss alles.› Tag um Tag wurde er ein anderer», erzählt Annerose Herzog.

Mit den Jahren wird ihr Mann immer mehr zum Eigenbrötler. Erst als er notfallmässig ins Spital eingeliefert wird, entdecken die Ärzte, dass er am Korsakow­Syndrom leidet, einer seltenen, oft durch Vitaminmangel oder Alkohol ausgelösten Form der Demenz. Doch er wehrt sich gegen eine Behandlung.

Als die Krankheit aber rasch voranschreitet, sein Verhalten immer un­berechenbarer wird – eines Tages wirft er an einer Tankstelle eine bren­nende Zigarette aus dem Auto –, kann er sich der ärztlichen Behandlung nicht mehr länger entziehen. Aufgrund der Krankheitsentwicklung kommt er 2012, damals knapp 80 Jahre alt, ins Adullam, wo er seither in der ge­schützten Demenzstation, der sogenannten Gartenabteilung, rund um die Uhr betreut wird.

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Physio- und Ergotherapie sowie...

Kein Ein­zel­schick­sal

Das Leid über den Verlust der Erinnerung und der allmähliche Zerfall der Persönlichkeit sind für jeden Betroffenen und seine Angehörigen unbe­schreiblich gross. Doch das Schicksal von Kurt Herzog ist keineswegs eine Ausnahmeerscheinung: jährlich erkranken in der Schweiz über 20 000 Menschen an Demenz, Tendenz steigend.

Oft geht der Krankheitsprozess, der sich in der Regel erst nach dem 60. Lebensjahr bemerkbar macht, schleichend voran, fast unbemerkt für den Betroffenen und seine Familie und Freunde, die viele Warnzeichen oft als Lappalie auslegen oder schlicht verdrängen.

Jahre können vergehen, bis eine Demenz, deren Ursachen bis heute ungeklärt ist und für die es keine Heilung gibt, diagnostiziert wird – auch weil nicht jedes Versäumnis oder Vergessen ein Zeichen von Gedächtnis­schwund ist.

«Eine Demenz im Frühstadium zu erkennen, ist für Laien fast unmög­lich», erklärt Hansjörg Ledermann, Chefarzt des Adullam.

Dies liegt einerseits daran, dass die frühen Krankheitssymptome sich nicht sonderlich von normalen Verhaltensweisen unterscheiden. Zudem, und das macht eine frühe Diagnose noch schwieriger, können vom eigent­lichen Ausbruch der Krankheit bis zum Auftauchen erster Symptome fast zehn Jahre vergehen.

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...Aktivierungsstunden...

Rou­ti­ne­mäs­si­ge Kon­trol­le

Deshalb werden im Adullam bei jeder Spitaleinweisung routinemässig auch verschiedene Demenztests durchgeführt, klassische Gedächtnisprü­fungen, aber auch Gehirn­Scans.

«Wenn eine Erkrankung früh registriert wird, lässt sich der Krank­heitsverlauf durch Medikamente verzögern, wenn auch nicht heilen. Dabei ist es das Ziel der geriatrischen Medizin, dafür zu sorgen, dass Patienten eine möglichst lange und gesunde Lebensphase erleben können», erklärt Ledermann.

Gerade bei Menschen mit einer leichten Form der Demenz können An­tidementiva wie das von Novartis entwickelte Exelon® helfen, den Krank­heitsverlauf zu bremsen. Zudem werden Patienten oft Mittel wie Ginkgo­präparate verabreicht, welche die Hirnleistung fördern.

Doch ohne pflegerische Unterstützung kommt kein Patient aus, auch weil viele der oft betagten Patienten körperlich schwach sind und an meh­reren Krankheiten leiden, was die Therapierbarkeit durch Medikamente zusätzlich einschränkt. «Deshalb», so Ledermann, «ist es wichtig, dass die pharmazeutische Forschung den Aspekt der Polymorbidität und Polyphar­makologie bei der Entwicklung neuer Demenzmedikamente mitbedenkt. Nur wenn es gut verträgliche Medikamente gibt, können diese auch bei schwächeren Patienten gut eingesetzt werden.»

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...gehören zum Alltag im Adullam.

In­ten­si­ve Be­treu­ung

Gegenwärtig leiden mehr als 110 000 Menschen – mehrheitlich Frauen, die aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung häufiger an Demenz er­kranken – an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz. Mehr als die Hälfte von ihnen lebt zu Hause, wird von den Familienangehörigen oder der Spitex gepflegt, während der Rest in speziellen Wohngruppen in Alters­ und Pflegeheimen, oft zusammen mit anderen älteren Menschen, die nicht mehr ohne fremde Hilfe leben können, betreut wird.

Wenn die Krankheit voranschreitet, können die Betroffenen für sich und andere eine Gefahr darstellen, weil sie aggressiv werden, ein­fachste Verrichtungen nicht mehr zustande bringen oder den Weg nach Hause nicht mehr selbständig finden. Dann sind spezielle Demenz­wohngruppen wie die Gartenabteilung des Adullam die letzte Hoff­nung für viele Patienten, aber auch für ihre oft überforderten Angehö­rigen. So kam auch die 84­-jährige Ruth Lindemann vor rund zwei Jahren ins Adullam, nachdem sie während eines Spitalaufenthalts plötzlich unauffindbar gewesen war.

«Sie ist einfach aus dem Spital raus, und die Polizei fand sie erst Stun­den später beim Basler Bahnhof SBB», erzählt ihre Tochter Katrin Marelli vom Ereignis, das ihre Familie dazu bewegte, die Mutter 2011 ins Pflege­heim zu bringen, nachdem sich bereits Jahre zuvor erste schwache Anzei­chen ihrer Krankheit bemerkbar gemacht hatten – oft vergass sie Namen, rief verunsichert die Tochter an oder kleidete sich nachlässig. Ungewöhn­lich für eine Person, die als Hausfrau und Mutter jahrzehntelang den Haushalt ohne Wenn und Aber geschmissen hatte.

«Ein Merkmal bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz sind die häufig auftretenden Weglauftendenzen, was bei etwa einem Viertel der Patienten der Fall ist», erklärt Elke Hildebrand, stellvertretende Wohnbe­reichsleiterin der Gartenabteilung des Adullam. «Wenn dies passiert oder wenn die Patienten unbeständig werden, sind Familienangehörige oft nicht mehr in der Lage, die Betroffenen selbst zu pflegen. Dann braucht es eine geschützte Rundumbetreuung, die von der Überwachung über die Medikation bis zur Körperpflege alles umfasst.»

Für Angehörige kann die pflegeintensive Krankheit zur Tortur wer­den. Nicht nur vergessen die Ehepartner oder Eltern Stück um Stück der einst verbindenden Lebenserinnerungen. Auch ihre Persönlichkeit ver­ändert sich. Eine irritierende Entfremdung setzt ein und zerstört vieles von der einstigen Intimität, was für Angehörige oft nur schwer verkraft­bar ist. Vor allem dann, wenn immer wieder auftauchende «wache Mo­mente», in denen Demenzkranke wie früher klar und bestimmt spre­chen und handeln, den Anschein erwecken, dass die Krankheit aufgehalten werden könnte.

«Das Schwierigste an der Pflegearbeit, vor allem mit schwer demenz­kranken Personen, sind nie die Betroffenen selbst», erklärt Elke Hilde­brand. «Vielmehr sind es die Angehörigen, die damit kämpfen, sich mit der Situation abzufinden, und in der Regel jahrelang mit sich selbst rin­gen, bis sie die Krankheit akzeptieren. Auch sie gilt es durch Gespräche zu unterstützen.»

Dies bestätigt auch Katrin Marelli, die ihre Mutter mindestens einmal pro Woche im Adullam besucht, während ihr 91­jähriger Vater, der bis vor kurzem jeden Tag in die Gartenabteilung kam, kaum mehr vorbeikommt. «Für ihn wurde es immer schwieriger, sich mit der Krankheit abzufinden.

Und er hat darüber auch seine Lebensfreude verloren», erklärt sie. «Für mich persönlich ist es anders. Ich habe gelernt, die Krankheit als Teil des Älterwerdens zu akzeptieren, obschon es nicht immer einfach ist.»

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Ein neu­es Zu­hau­se

Auch wenn die Demenzkranken nicht mehr in der Lage sind, Neues zu lernen, und viele einfache Verrichtungen des Alltags nicht mehr selbst er­ledigen können, sind sie trotz allem fähig, sich weiter zurückliegender Er­eignisse in ihrem Leben zu entsinnen.

Dies lässt auch immer wieder lebhafte Gespräche zu, wie etwa, als Ruth Lindemann während des «Guetzelns» einer Pflegerin erklärt, dass etwas mit ihrem Pinsel, mit dem sie den Teig bestreichen will, nicht stimme, und ganz kurz etwas über ihre Lieblingskekse erzählt. Oder wenn sich Kurt Her­zog, als Elke Hildebrand ihm den Sportteil der Zeitung vorliest, an Roger Federer erinnert und meint, dass dieser mehr tun müsse, um wieder die Nummer 1 des Welttennis zu werden. Solche wachen Momente, in denen die Bewohner scheinbar wieder vollkommen normal denken, sprechen und handeln, können aber auch zu Problemen führen. Denn oft können diese tief zurückliegenden Erinnerungsfetzen Demenzkranke dazu bewegen, unruhig hin­ und herzulaufen, zu weinen oder sich verängstigt zu verkriechen. Wä­ren sie nicht unter Beobachtung, würde es leicht passieren, dass sie weglau­fen, hin zu einem Ort, den sie vielleicht aus ihrer Kindheit kennen. «In sol­chen Situationen ist es wichtig, die Menschen dort abzuholen, wo sie gerade sind, sie aber trotzdem niemals als Kinder zu betrachten, sondern ihren gegenwärtigen Nöten mit Respekt und Würde zu begegnen», erklärt Elke Hildebrand und fügt an, dass die Bewohner im Adullam stets gesiezt und mit Herr und Frau angesprochen werden.

«Wenn sie in einer verwirrten Verfassung sind, bringt es nichts, sie daran zu erinnern, dass sie an Demenz leiden, oder ihnen zu erklären, dass sie keine Kinder mehr sind. Sie verstehen es nicht. Man muss auf sie einge­hen und die Situation als ihre Realität akzeptieren, egal ob sie Angst ha­ben, dass die Mutter nicht nach Hause kommt, oder ob sie glauben, etwas verloren zu haben. So können sie sich beruhigen und wieder in ihren Rhythmus zurückfinden.»

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Haus der Er­in­ne­rung

Das Wachhalten der Erinnerung, auch wenn dies manchmal schmerzhaft ist, ist ein zentraler Aspekt der Pflege, die jeweils ohne spezielle, auf die Demenz wirkende Medikamente auskommen muss, da es bei den meisten weit fortgeschrittenen mentalen Erkrankungen heute kaum pharmazeuti­sche Therapiemöglichkeiten gibt.

Es sind nicht nur Erinnerungen an die Vergangenheit, die die Auf­merksamkeit der Demenzkranken steigern und dem Fortschreiten der Krankheit entgegenwirken und ihr Wohlbefinden erhöhen sollen. Oft ha­ben die Bewohner auch noch Möbel und Bilder aus ihrem früheren Leben in ihren Zimmern. Dadurch wirkt die Gartenabteilung im Adullam – mit ihrem Blick auf den grünen Innenhof der Spitalanlage – ganz und gar nicht wie eine Krankenhausabteilung, sondern vielmehr wie eine heimelige WG mit älteren Menschen, die sich mit ihren Erinnerungen, auch wenn diese nur noch als Bruchstücke in ihrem Geist vorhanden sind, umgeben, so wie zu Hause.

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Ab­wechs­lungs­rei­cher All­tag

Um eine sinnvolle und effektive Pflege zu gewährleisten, ist der Alltag in der Gartenabteilung des Adullam engmaschig strukturiert und erlaubt den Menschen, einen Lebensrhythmus zu entwickeln und Rituale zu pflegen, die in ihnen das Gefühl eines neuen Zuhauses bestärken, erklärt Elke Hildebrand.

Neben der morgendlichen Grundpflege, dem Anziehen und den Toilet­tengängen kümmert sich das rund zehnköpfige Pflegeteam der Gartenab­teilung auch darum, dass die Bewohner eine abwechslungsreiche und sti­mulierende Zeit erleben.

Das Vorlesen aus Zeitungen und Büchern sowie das gemeinsame Ba­cken oder Salatrüsten, das Basteln, Malen oder Liedersingen gehören ebenso zur täglichen Beschäftigung wie Spaziergänge in die nahegelegenen Parks, Ausflüge in den Zoo oder Wanderungen im Umland.

Gerne kümmern sich die Bewohner auch um die zwei Hauskatzen, die allen grosse Freude bereiten. So nimmt auch Kurt Herzog immer wieder Mona oder Paulchen in die Arme und streichelt sie lange und liebevoll, was sichtlich beruhigend auf ihn wirkt.

Häufig werden Filme gezeigt, mit Vorliebe Schweizer Klassiker. Oder man schaut sich das Programm des Adullam TV an, das eigens für das Spital­ und Pflegezentrum entwickelt wird. Es überträgt neben Reise­reportagen oder Berichten aus dem Basler «Zolli» auch Gottesdienste und Konzerte aus der spitaleigenen Kapelle, die von vielen Bewohnern des Adullam gerne besucht wird, bevor man sich jeden Abend – das letzte Ri­tual des Tages – gute Nacht wünscht und schlafen geht.

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Um­fas­sen­de ger­ia­tri­sche Pfle­ge

«Der besondere Vorteil, den wir als relativ grosses Spital­ und Pflege­zentrum unseren Patienten bieten können, ist eine überaus reiche Palette an verschiedensten Angeboten»‚ erklärt Monica Illenseer, Leiterin der Pflegedienste des Adullam.

Neben der zunehmend wichtiger werdenden Akutgeriatrie, in der ältere Patienten bei einem Beinbruch oder einer Lungenentzündung nach relativ kurzer Spitalpflege wieder nach Hause entlassen oder in anderen Pflegehei­men untergebracht werden, verfügt das Adullam neben der Gartenabteilung zusätzlich über 270 Heimplätze für Menschen, die zwar pflegebedürftig sind, ihr Leben aber durchaus auch teilweise selbständig führen können.

Dabei profitieren alle Bewohner und Patienten von der breiten medizini­schen und technischen Infrastruktur des Adullam, das über 700 Personen beschäftigt, darunter knapp 20 Ärzte und rund 400 Pflegerinnen und Pfleger. Neben der Spitalpflege bietet das Adullam auch Rehabilitations­programme wie Physio­, Ergo­ und Bewegungstherapie an; zusätzlich ver­fügt das Adullam über eine Grossküche, eine eigene Werkstatt und eine Wäscherei; auch ein Coiffeur und ein öffentlich zugängliches Restaurant haben sich in den Räumlichkeiten eingemietet.

Ungeachtet des breiten Angebots stösst das nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Adullam jedoch an seine Grenzen. Nicht nur sei es immer her­ausfordernder, Pflegepersonal zu rekrutieren, erklärt Monica Illenseer. Auch der Platzmangel in der Innenstadt macht sich angesichts der zuneh­menden Nachfrage nach Pflegplätzen im Zuge des demografischen Wan­dels bemerkbar. «Aus diesem Grund haben wir uns auch entschieden, in Riehen einen Neubau zu erstellen, der über eine Spitalabteilung für Akut­geriatrie und Rehabilitation verfügen wird sowie über eine Pflegeabteilung mit 67 Plätzen.» Der Einzug ist für 2017 geplant.

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Annerose Herzog, hier zusammen mit der stellvertretenden Stationsleiterin Elke Hildebrand, besucht ihren demenzkranken Mann Kurt häufig in der Gartenabteilung des Adullam.

Lan­ger Ab­schied

Trotz der intensiven Pflege und des aufmerksamen Umgangs mit den Pati­enten bleibt Alzheimer ein ungelöstes medizinisches Problem.

«Solange es keinen Wirkstoff gibt, mit dem sich die Krankheit nach­haltig therapieren lässt, werden wir uns bei der Behandlung von Alzheimer und anderen Demenzkrankheiten weiterhin stark auf pflegerische Mass­nahmen abstützen müssen», erklärt Adullam­Chefarzt Hansjörg Leder­mann und fügt an: «Deshalb müssen wir heute die Pflege weiterhin stär­ken und alles dafür tun, dass alle Menschen, die direkt und indirekt von der Krankheit betroffen sind, Unterstützung erhalten.»

Annerose Herzog ist sich dessen schmerzhaft bewusst. «Ich weiss, dass es gegenwärtig keine Heilungschancen gibt. Doch ich möchte meinen Kurt nicht verlassen, und ein Teil von mir will weiterhin mit ihm zusammenle­ben», sagt sie zum Schluss unseres Gesprächs. «Doch ich weiss auch, dass dies nicht mehr möglich sein wird und dass alles, was ich für ihn tun kann, sich darauf beschränkt, ihn hier täglich zu besuchen.»

«Dass ich heute kein schlechtes Gewissen mehr habe, weil ich ihn nicht zu Hause pflegen kann, verdanke ich auch den Gesprächen mit den Men­schen aus dem Adullam, denen ich vertrauen kann. Aber ich weiss, dass ich einen Abschied auf Raten erlebe», sagt sie.

Als sie die Gartenabteilung verlässt, begleitet sie Kurt Herzog wie jeden Tag bis zur Tür und bittet sie, mit ihm nach Hause zu gehen. An­nerose Herzog weiss inzwischen, wie sie mit diesem Schmerz umgehen kann.

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