Gegenwärtig leiden mehr als 110 000 Menschen – mehrheitlich Frauen, die aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung häufiger an Demenz erkranken – an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz. Mehr als die Hälfte von ihnen lebt zu Hause, wird von den Familienangehörigen oder der Spitex gepflegt, während der Rest in speziellen Wohngruppen in Alters und Pflegeheimen, oft zusammen mit anderen älteren Menschen, die nicht mehr ohne fremde Hilfe leben können, betreut wird.
Wenn die Krankheit voranschreitet, können die Betroffenen für sich und andere eine Gefahr darstellen, weil sie aggressiv werden, einfachste Verrichtungen nicht mehr zustande bringen oder den Weg nach Hause nicht mehr selbständig finden. Dann sind spezielle Demenzwohngruppen wie die Gartenabteilung des Adullam die letzte Hoffnung für viele Patienten, aber auch für ihre oft überforderten Angehörigen. So kam auch die 84-jährige Ruth Lindemann vor rund zwei Jahren ins Adullam, nachdem sie während eines Spitalaufenthalts plötzlich unauffindbar gewesen war.
«Sie ist einfach aus dem Spital raus, und die Polizei fand sie erst Stunden später beim Basler Bahnhof SBB», erzählt ihre Tochter Katrin Marelli vom Ereignis, das ihre Familie dazu bewegte, die Mutter 2011 ins Pflegeheim zu bringen, nachdem sich bereits Jahre zuvor erste schwache Anzeichen ihrer Krankheit bemerkbar gemacht hatten – oft vergass sie Namen, rief verunsichert die Tochter an oder kleidete sich nachlässig. Ungewöhnlich für eine Person, die als Hausfrau und Mutter jahrzehntelang den Haushalt ohne Wenn und Aber geschmissen hatte.
«Ein Merkmal bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz sind die häufig auftretenden Weglauftendenzen, was bei etwa einem Viertel der Patienten der Fall ist», erklärt Elke Hildebrand, stellvertretende Wohnbereichsleiterin der Gartenabteilung des Adullam. «Wenn dies passiert oder wenn die Patienten unbeständig werden, sind Familienangehörige oft nicht mehr in der Lage, die Betroffenen selbst zu pflegen. Dann braucht es eine geschützte Rundumbetreuung, die von der Überwachung über die Medikation bis zur Körperpflege alles umfasst.»
Für Angehörige kann die pflegeintensive Krankheit zur Tortur werden. Nicht nur vergessen die Ehepartner oder Eltern Stück um Stück der einst verbindenden Lebenserinnerungen. Auch ihre Persönlichkeit verändert sich. Eine irritierende Entfremdung setzt ein und zerstört vieles von der einstigen Intimität, was für Angehörige oft nur schwer verkraftbar ist. Vor allem dann, wenn immer wieder auftauchende «wache Momente», in denen Demenzkranke wie früher klar und bestimmt sprechen und handeln, den Anschein erwecken, dass die Krankheit aufgehalten werden könnte.
«Das Schwierigste an der Pflegearbeit, vor allem mit schwer demenzkranken Personen, sind nie die Betroffenen selbst», erklärt Elke Hildebrand. «Vielmehr sind es die Angehörigen, die damit kämpfen, sich mit der Situation abzufinden, und in der Regel jahrelang mit sich selbst ringen, bis sie die Krankheit akzeptieren. Auch sie gilt es durch Gespräche zu unterstützen.»
Dies bestätigt auch Katrin Marelli, die ihre Mutter mindestens einmal pro Woche im Adullam besucht, während ihr 91jähriger Vater, der bis vor kurzem jeden Tag in die Gartenabteilung kam, kaum mehr vorbeikommt. «Für ihn wurde es immer schwieriger, sich mit der Krankheit abzufinden.
Und er hat darüber auch seine Lebensfreude verloren», erklärt sie. «Für mich persönlich ist es anders. Ich habe gelernt, die Krankheit als Teil des Älterwerdens zu akzeptieren, obschon es nicht immer einfach ist.»