Dieser Artikel wurde ursprünglich im April 2014 publiziert.
Es muss ein hektischer Tag im Labor des Londoner St. Mary’s Hospital gewesen sein – so ganz genau lässt sich das nicht mehr sagen, zu viel ist seit dieser Zeit geschehen –, als sich Alexander Fleming in die Sommerferien aufmachte. Es galt wohl noch Briefe zu schreiben und abzuschicken und die letzten Versuche, die der schottische Bakteriologe durchgeführt hatte, mussten ebenfalls noch dokumentiert und ins Reine geschrieben werden. Irgendjemand hätte das Labor noch gründlich aufräumen sollen, kam es ihm in den Sinn, doch dazu kam es nicht mehr. Fleming schloss hinter sich die Tür, verabschiedete sich von seinen Kollegen, fuhr zum Bahnhof und setzte sich in den Zug, der ihn an die südenglische Küste brachte, wo er sich die nächsten Wochen erholen würde. Eine Petrischale mit einer Bakterienkultur, an die er im Tumult der letzten Stunden nicht mehr gedacht hatte, blieb unbemerkt zurück.
So oder ähnlich könnte eine der grössten Entdeckungen der medizinischen Forschung ihren Anfang genommen haben. Später erinnerte sich Fleming noch ganz genau an den 28. September 1928, als er aus den Ferien zurückkam und etwas verwundert das Durcheinander erblickte, in dem er das Labor zurückgelassen hatte. Er hätte kaum gedacht, so erklärte er Jahre darauf, als er bereits mit dem Nobelpreis für seine Entdeckung des Penicillins ausgezeichnet worden war, dass an diesem Tag die Geschichte der Medizin grundlegend verändert werden würde. «Doch», so meinte der schottische Forscher lakonisch, «genau so kam es.»
Anstatt die vergessene und scheinbar verschmutzte Petrischale mit den Staphylokokken wegzuwerfen, warf er einen genauen Blick darauf und bemerkte, dass sich in der Mitte ein Schimmelpilz gebildet hatte, um den herum die gefährlichen Staphylokokken abgestorben waren. Sein Assistent wies ihn darauf hin, dass es sich hierbei vielleicht genau um jenen Stoff handeln könnte, nach dem sie schon so lange gesucht hatten: einen potenten Bakterienkiller.
Fleming, der während des Ersten Weltkrieges im Royal Army Medical Corps seinen Dienst versah, hatte sich der Bakteriologie verschrieben und suchte hartnäckig nach einem wirkungsvollen antiseptischen Stoff. Er musste miterleben, wie Ärzte hilflos dabeistanden, als Hunderttausende von Soldaten während des Krieges an bakteriellen Wundinfektionen starben. Selbst eine Wunde, die man sich beim Rasieren zufügte, konnte leicht zum Tod führen.
Fleming suchte zunächst nach sogenannten Autovakzinen, wobei er sich die Frage stellte, wie Körperöffnungen wie das Auge sich gegen den Ansturm von Bakterien und anderen Fremdkörpern wehrten. Dabei entdeckte er das Enzym Lysozym, das in zahlreichen menschlichen Körpersekreten wie Tränen vorkommt und Bakterien zerstören kann. Die Entdeckung des Penicillins aus dem Schimmelpilz der Gattung Penicillium, das viel wirkungsmächtiger war als Lysozym, war der wissenschaftliche Durchbruch und sollte die Medizin revolutionieren.