Bandfabrik Emanuel Hoffmann, zwischen 1770 und 1780, ältestes Musterbuch.
Oh, das isch ä heerlig Läbe – sones Posamänterläbe. Chum isch mer us de Windle gschloffe, wird me scho vom Unglück troffe …
Das Posamenter-Lied von Ruedi Rächer, aus dem diese Verse stammen, kennt man heute kaum noch. Überhaupt dürften nur noch die wenigsten wissen, was ein Posamenter überhaupt ist.
Das wäre im 18. und 19. Jahrhundert kaum denkbar gewesen. Lange bevor die Chemie- und Pharmaindustrie die Stadt prägten, als das Klybeck noch ein beschauliches grünes Fleckchen war, waren die Posamenter so etwas wie das Symbol der wirtschaftlichen Strahlkraft der Region. Damals war Basel das Zentrum einer florierenden Seidenbandindustrie, in der Stoffe gefärbt und Tausende Seidenweber schmückende Geflechte, Borten, Kordeln, Quasten und allerlei Spitzen herstellten.
Sarasin und Co.
Der Aufstieg der Seidenbandindustrie begann im späten 16. Jahrhundert, als Glaubensflüchtlinge aus Holland, Italien und vor allem aus Frankreich nach Basel strömten, um hier Schutz zu finden und ein neues Leben zu beginnen. So wie die französischen Protestanten Genf zur Entwicklung einer blühenden Uhren- und Schmuckindustrie verhalfen, waren es auch in Basel vor allem die Hugenotten, die der Stadt mit neuen Ideen wichtige Impulse verliehen.
Nachdem sich Peter Serwauter aus Antwerpen 1571 als erster Posamenter in Basel niederliess, verankerten vor allem französische Kaufleute wie die Sarasin, Socin, Battier und Passavant die Seidenbandweberei in der Stadt. Sie trugen auch zur frühen Industrialisierung der ganzen Region bei, indem sie damit begannen, die Produktion von Seidenbändern in Heimarbeit ausserhalb der Stadtmauern im sogenannten Verlagssystem zu forcieren.
Zunächst auf handbetriebenen und danach auf dampf- und strombetriebenen Webstühlen wuchs das Gewerbe immer schneller, und Basel entwickelte sich zu einer bedeutenden Industrie- und Handelsstadt, die weit über die Grenzen der Eidgenossenschaft hinausstrahlte. Bereits im späten 18. Jahrhundert weckte der gute Geschäftsgang die Neugier der Reichen und Mächtigen Europas, schreibt der Historiker Paul Roth. Bei einem Besuch in der Stadt im Sommer 1777 erkundigte sich der österreichische Kaiser Joseph II. über den neiderweckenden Geschäftsgang der Seidenfabriken und wollte sich diese genau ansehen. Beim «Weissen Haus», in dem damals die Firma Hans Franz Sarasin Seidenbänder produzierte, erhielt er Anschauungsunterricht und wurde von Jakob Sarasin fachkundig ins Wissen gesetzt.
Um 1770 zählte Basel 16 000 Einwohner und rund 20 Bandfabriken. Über 1200 Webstühle waren damals in Betrieb. Die Wirtschaft boomte, und gegen Ende des Jahrhunderts war die Zahl der Bandstühle fast doppelt so hoch. Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte sie den Höhepunkt, als die Industrie einen jährlichen Umsatz von über 80 Millionen Franken erwirtschaftete. Bis fast zum Beginn des Ersten Weltkriegs blieb die Seidenbandweberei der führende Wirtschaftssektor und beschäftigte 1905 allein in der Stadt über 8000 Menschen. Rechnet man die Landschaft hinzu, waren 20 000 Leute in der Seidenbandindustrie tätig.