Alltag auf der Baustelle.
Publiziert am 01/07/2021
Hélène Bruzual-Alfonzo zögerte, über ihre Rolle als einzige Frau im STEIH-Sanierungsteam zu sprechen. Sie hatte damit nicht unrecht. Ihr Geschlecht hatte nämlich nichts mit ihrer Erfahrung vor Ort zu tun, wie sich in unserem Gespräch herausgestellt hat.
«Nach meinem Studium war ich froh, einen Job bei ERM zu finden», sagte Bruzual-Alfonzo. «Ich hatte zunächst für eine Weile in Brüssel gearbeitet, aber dies war mein erster richtiger Auftrag.»
Fast wie durch einen Schleier erinnert sie sich noch an ihren ersten Tag auf dem STEIH-Sanierungsgelände. «Ich war völlig überwältigt», sagt sie. «Rund 80 Personen waren vor Ort, ein vollständig funktionierendes Team, in dem alle wussten, was sie vom anderen erwarten konnten. Es war hart für mich, meinen Platz zu finden. Auch weil praktisch alle auf dem Sanierungsgelände Deutsch sprachen», erklärt die gebürtige Französin.
Bruzual-Alfonzo hatte eine steile Lernkurve vor sich. Sie musste sich nicht nur Deutschkenntnisse aneignen und ihr theoretisches Wissen aus dem Studium der Umweltwissenschaften in die Praxis umsetzen, sondern sich auch in ein eingespieltes Team integrieren, in dem niemand Zeit oder Geduld für eine Anfängerin zu haben schien.
«Die Tatsache, dass ich die einzige Frau im Team war, stellte nur einen kleinen Teil meiner ersten Erfahrung dar», erklärte Bruzual-Alfonzo. «Andere Aspekte waren entschieden wichtiger.»
In vielerlei Hinsicht waren ihre Anfänge im STEIH-Sanierungsprojekt nicht wesentlich anders als die Erfahrung ihres Kollegen Stefan Brendel, der etwa zur gleichen Zeit wie Bruzual-Alfonzo bei ERM eintrat, sich damals aber noch im Studium befand: «Ich war zu Beginn ab und zu auf dem Sanierungsgelände, aber auch ich tat mich als Neuling im Team schwer.»
Eine hohe Hürde für Brendel und Bruzual-Alfonzo war, dass andere Team-mitglieder die beiden Sanierungsexperten anfänglich nicht vollständig in die Planung integrierten und zudem zögerten, ihr Wissen auf Anhieb zu teilen. Das geschah teils aus Zeitmangel, aber auch, um sie als Neulinge auf Distanz zu halten. «Das war wirklich der grösste Stolperstein. Wir fühlten uns abgesondert und konnten uns nicht sofort ins Team einreihen und mit ihm mitwachsen.»
Dies änderte sich jedoch schnell, als Klemens Müller von ERM zur Gruppe stiess. Der erfahrene Ingenieur erkannte schnell, dass Brendel und Bruzual-Alfonzo in allen entscheidenden Meetings dabei sein und ihren Teil der Verantwortung tragen mussten. Nur so konnten sie vollwertige Teammitglieder werden und den Respekt der anderen gewinnen.
«Vieles haben wir dank Klemens gelernt», erinnert sich Brendel. «Er war geduldig und hatte stets ein offenes Ohr für uns, wenn wir vor Schwierigkeiten standen. Trotzdem liess er uns unsere Arbeit machen und griff nur wenn nötig ein. Ab und an machte er auch einen Witz, um die Spannung aufzulockern. All dies half uns, in relativ kurzer Zeit in unsere Rolle hineinzuwachsen.»
Mit der Zeit wurden Brendel und Bruzual-Alfonzo vollwertige Experten und konnten ihre Anfängerzeiten nach ein paar Monaten unter der Führung von Müller hinter sich lassen. «Der endgültige Durchbruch kam, als die Teammitglieder uns nicht mehr als blosse Anfänger, sondern als eigenständige Experten betrachteten», sagt Brendel. «Dies trug einerseits dazu bei, dass wir uns besser fühlten, anderseits konnten wir uns so als Fachleute weiterentwickeln.»
Dieses Zugehörigkeitsgefühl war wichtig. «Integriert sein bedeutet nicht nur, Teil einer Gruppe zu sein, sondern auch das Wort zu ergreifen und das eigene Potenzial voll auszuschöpfen», erklärt Bruzual-Alfonzo. «Dies hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Es geht um die Wertschätzung als eigenständige Person. Das ist es, was am Ende zählt.»
An der Schlussfeier im Oktober 2019, bei der alle Beteiligten noch einmal zusammenkamen, mischten sich Brendel und Bruzual-Alfonzo unter den Rest der Gruppe und scherzten mit ihren ERM-Kollegen und ihren Freunden von Novartis, Züblin und Marti. Ihre Anfängerzeiten hatten sie längst hinter sich, und sie konnten auf einen grossen Erfolg zurückblicken – zu dem auch sie beigetragen hatten!