Klassisch mit fremd-farbigen Akzenten
Suche nach einer Symbiose
content-image
00

Wie pflanzt man einen Pavillon?

Während Jahren konnte der ausladende Park zwischen der Dreirosenbrücke und dem Campus mit seinen über 1000 Bäumen ungestört wachsen. Der Bau des Pavillons stellte eine markante Veränderung des ursprünglichen Konzepts dar. Doch die Landschaftsarchitekten wussten Rat.

Text von Michael Mildner, Fotos von Adriano A. Biondo

scroll-down
Home
en
de
zh
jp
Share
Share icon
content-image
Enter fullscreen

Baum um Baum entsteht...

arrow-rightKlassisch mit fremd-farbigen Akzenten
arrow-rightSuche nach einer Symbiose

Publiziert am 30/05/2022

Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Bäume seltene Gäste auf dem Industrieareal St. Johann in Basel. Eher geduldet als geplant wuchsen sie in Nischen neben Bahngeleisen und eng beieinanderstehenden Laborgebäuden, Fabrikationshallen und Bürohochhäusern. Grossflächige Parks suchte man damals vergebens.

Mit dem 2001 entworfenen Campus-Masterplan des italienischen Städteplaners und Architekten Vittorio Magnago Lampugnani, in dem gleich mehrere Grünanlagen vorgesehen waren, änderte sich die Situation grundlegend. Es entstanden weithin Grünflächen, die nicht nur eine Wohltat für das Auge sind, sondern auch helfen, dass sich die Mitarbeitenden auf dem Areal aktiv erholen können oder die Möglichkeit für informelle Treffen zum fachlichen Austausch haben – sei es in einem lauschigen Wäldchen oder beim Sonnenbaden auf den grosszügigen Wiesen.

Eine der grössten Anlagen ist der sogenannte Park South, der seit 2007 den Abschluss des Campus gegen Süden hin bildet und mit über 1000 Bäumen eine grüne Oase mit bunter Fauna und Flora darstellt, die zum Spazieren und zur Erholung einlädt.

Ursprüngliche Landschaft

Die Bedeutung des Parks geht allerdings weit über eine blosse Ansammlung von Bäumen und Sträuchern hinaus. Hier wurde versucht, eine frühzeitliche Landschaft nachzustellen, die heute unter dichten Siedlungs- und Nutzungsstrukturen verborgen liegt: die von Gletschern und Flüssen geformte Landschaft des Basler Rheintals.

Entwickelt wurde das Projekt von Vogt Landschaftsarchitekten aus Zürich in Zusammenarbeit mit dem Generalplaner-Team unter der Leitung von Stauffer Rösch Landschaftsarchitekten aus Basel. Beide Büros verfügen über grosse Erfahrung in der Projektierung und Realisierung städtischer Freiräume.

Neben dem Park South haben Stauffer Rösch Landschaftsarchitekten als Generalplaner die meisten grösseren Grünräume auf dem Novartis Campus umgesetzt, zu denen neben den nördlich am Rhein liegenden Park Nord und Square auch der Physic Garden gehört, eine Gartenanlage mit Medizinalpflanzen, die an die Ursprünge der Medizin erinnern. Vogt Landschaftsarchitekten wiederum verantworteten auf dem Novartis Campus das Design der Grünanlage vor dem Gehry-Gebäude sowie das Laborgebäude von Rahul Mehrotra, das durch seine innovative Begrünung der Fassade und der Innenräume besticht.

content-image
Enter fullscreen

...eine neue Landschaft.

Klas­sisch mit fremd-far­bi­gen Ak­zen­ten

Für die Gestaltung des Park South wurden Pflanzen gewählt, die der ursprünglichen Rheintallandschaft entsprechen, darunter klassische Arten wie Spitzahorne, Rotbuchen sowie Sandbirken im Waldteil. Auf bewusst gesetzte fremde Akzente wurde aber nicht verzichtet. Dazu zählen etwa die Japanischen Zierkirschen vor dem transparent schimmernden Saana-Gebäude oder auch verstreut gepflanzte Persische Buchen, die eine eindrückliche Herbstfärbung zeigen.

«Wir wollten keinen Ziercharakter und keine Gartenatmosphäre schaffen, sondern die Interpretation einer bekannten Landschaft, in der auch mal Bäume und Sträucher absterben dürfen», erklärt Lars Ruge die Wahl der Bäume. «Obwohl wir keine Blumen gepflanzt haben, blüht eigentlich immer etwas im Park. Im Frühling sieht man ein weisses Meer aus Waldmeisterblüten, dazu gibt es Buschwindröschen, Klematis oder Obstbäume und eine Vielfalt von Stauden und Kletterpflanzen.»

Der zweieinhalb Hektaren grosse erste Teil des Park South wurde innerhalb von nur zwölf Monaten realisiert, von der Ideenskizze bis zur fertigen Landschaft. Als Novartis 2011 schliesslich das Hafenareal von der Stadt Basel übernehmen konnte, war der Weg frei für die Erweiterung des Parks bis zur Uferpromenade. Nun standen insgesamt sechs Hektaren für die Parkanlage zur Verfügung, was mehr als sechs Fussballfeldern entspricht. Diese Entwicklung ermöglichte auch den Bau des Rheinuferwegs für die Öffentlichkeit. 2016 wurden die Arbeiten an der vergrösserten Parkfläche abgeschlossen. Die Pflanzen entwickelten sich seither unter fachkundiger Pflege zu einem natürlichen Gesamtbild.

Sichtbarkeit als Bedürfnis

«Landschaftsarchitektur ist im Gegensatz zur Architektur immer ein Fortschreiben», weiss Beat Rösch aus langer Erfahrung. «Die Pflanzen müssen wachsen, sich sozialisieren, somit sind wir einer dynamischen Entwicklung unterworfen.» Doch nicht immer lässt sich langfristig planen, und Überraschungen sind keine Seltenheit, gerade wenn es sich um grosse Grundstücke handelt. «Bei einer Fläche von sechs Hektaren muss man damit rechnen, dass irgendwann etwas passiert», stellt Rösch fest.

Mit dem Bau des Pavillons trat eine solche Überraschung ein, mit der sich Lars Ruge seit 2020 intensiv auseinandersetzt, auch wenn dabei eine gewisse Wehmut zu spüren ist, dass im Herzstück des einstigen Parkkonzepts nun eine durchaus prägende neue Nutzung Einzug hält.

Ruge schildert seine Empfindungen so: «Wenn man ein Gebäude von 15 Metern Höhe in einen Park so einpflanzen will, dass aus dem Nebeneinander ein Miteinander wird, ist das nicht ganz einfach. Es geht ja nicht nur darum, das Gebäude so zu integrieren, dass die Illusion einer Landschaft erhalten bleibt. Mit dem Gebäude kommen auch zusätzliche Anforderungen wie die Erschliessung, Zufahrten für die Feuerwehr, Fassadenreinigung, Veloständer und so weiter.»

content-image
Enter fullscreen

Die während der Bauphase noch grauen Wände des Hohlwegs unter dem Pavillon werden bereits im Frühling mit frischem Grün bedeckt sein.

Su­che nach ei­ner Sym­bio­se

Damit der Pavillon optimal integriert werden konnte, standen die Landschaftsarchitekten in regem Austausch mit dem Architekten des Pa­villons, Michele De Lucchi, und allen lokal am Bau beteiligten Unter­nehmen. Das bedeutete auch, dass es hin und wieder zu intensiven Diskussionen über die Wechselwirkung von Gebäuden und Landschaft kam, etwa wenn die objektbezogenen Ansprüche des Architekten auf die naturbezogenen Konzepte der Parkgestalter trafen.

Die Landschaftsarchitekten liessen sich bei ihrer Aufgabe jedoch nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn es grosse Herausforderungen gab, wie jene, dass das reflektierende Dach einen künstlich bläulichen Schimmer auf die Lehmmauer wirft, die die Landschaftsarchitekten entworfen und umgesetzt hatten.

Zudem wurden für die Zufahrtswege und Erschliessungen des Pavillons verschiedenste Naturbeläge, die Funktionalität und Ästhetik vereinen, getestet, um die bestmögliche Lösung zu finden und Park und Pavillon harmonisch miteinander zu verbinden.

Ein dynamischer Prozess

«Vieles in der Umgebung des Pavillons musste neu interpretiert werden», erklärt Lars Ruge. «Dafür erweiterten wir unsere Material- und Pflanzenfamilie, ohne den Zusammenhang zu verlieren, und stellen uns dabei immer wieder die Frage: Wie viel Varianz ist erlaubt, damit die Geschichte eines Spaziergangs durch die Landschaften des Rheintals noch glaubwürdig erlebbar bleibt?»

Pavillon und Park werden zusammenwachsen, auch wenn dies Zeit braucht. Gut Ding will Weile haben, vor allem wenn die Natur mit von der Partie ist. «Wir rechnen mit einer Frist von drei bis fünf Jahren, die es für diese Symbiose und das enge Zusammenwachsen braucht», erklärt Beat Rösch. «Es ist ein dynamischer Prozess, den speziell ausgebildete Fachleute kontinuierlich pflegen und begleiten. Sie haben einen wesentlichen Einfluss auf ein stimmiges Gesamtbild und auf das Gedeihen unserer Park-Pavillon-Symbiose.»

Ob dies gelingt, werden am Ende die Besucher entscheiden. Die Parks auf dem Novartis Campus haben die Mitarbeitenden und die Gäste des Unternehmens bislang nicht enttäuscht. Und das dürfte hier nicht anders sein, auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, bis die Eingriffe vollständig integriert sein werden.

icon

Home
en
de
zh
jp
Share
Share icon