content-image
Enter fullscreen

Monoklonale Antikörper bilden die neueste und komplexeste Art der Biosimilars. Sie bestehen aus mehr als 20 000 Atomen und sind um vieles grösser als die herkömmlichen Biologika, wie etwa Hormone. Die hochspezialisierten und zielgenauen Antikörper werden in biotechnologischen Prozessen von einer Zelllinie (monoklonal) hergestellt. Sie können die natürliche Immunantwort des Körpers gegen Krankheiten aktivieren und werden bislang vor allem in der Krebstherapie, zur Unterdrückung unerwünschter Immunreaktionen nach Organtransplantationen und bei rheumatoiden Erkrankungen eingesetzt.

Es ist 6.00 Uhr morgens. Im Sandoz-Werk Schaftenau, Österreich, beginnt die Frühschicht. Ein Mitarbeiter öffnet die Zellbank, eine Art Tiefkühltresor für gentechnisch veränderte Zellen, und entnimmt daraus ein kleines, bei minus 150  °C gelagertes Fläschchen.

Fünf Wochen später sind aus dem ursprünglichen Milliliter, das im tiefgekühlten Fläschchen enthalten war, 13 000 Liter in einem grossen Fermentationskessel geworden. Diese Transformation ist Biotechnologie der Spitzenklasse, und sie wird immer wichtiger.

Heute spielen diese Biologika – vor allem in Form monoklonaler Antikörper – in der Therapie von Krankheiten wie Krebs, Arthritis und Diabetes eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zu herkömmlichen Therapiemethoden wie beispielsweise der Chemotherapie, die auch gesundes Gewebe zerstört, greifen monoklonalen Antikörper nur kranke Zellen an und lassen den Rest unversehrt, was geringere Nebenwirkungen für den Patienten zur Folge hat.

Ähnlich, nicht generisch

Biosimilars sind Nachahmer-Medikamente von originalen Biologika, zu denen neben den monoklonalen Antikörpern auch Hormone und Enzyme gehören. Aufgrund der komplexen Struktur und Wirkungsweise der Moleküle und des hochsensiblen Herstellungsprozesses handelt es sich bei den Biosimilars im Unterschied zu den kleinmolekularen Generika nicht um exakte Kopien der Wirkstoffe. Sie sind ähnlich (similar), aber nicht genau gleich (generisch).

Kultivierung der Zellen

Ausgangspunkt für Biosimilars sind meistens Hamsterzellen, die im slowenischen Werk Mengeš so verändert werden, dass sie genau jenes Eiweissmolekül herstellen, das später als Wirkstoff zur Krankheitsbehandlung zum Einsatz kommt.

Am Ende dieser langwierigen und wissenschaftlich komplexen Entwicklungsstufe werden die fertigen Zellkulturen in Slowenien in kleine Fläschchen abgefüllt und als Master Cell Bank in flüssigem Stickstoff tiefgefroren. Diese «Bank» ist äusserst wichtig für jedes Biotechnologieunternehmen, denn hier lagern das geistige Eigentum und die Forschungs- und Produktionserkenntnisse vieler Jahre. Würde bei den Zellen ein Defekt auftreten, wären schwere finanzielle Einbussen die Folge.

Sobald die Einlagerung abgeschlossen ist, wird die wertvolle Fracht ins ­österreichische Werk Schaftenau transportiert. «Die Zellkultur ist ein entscheidendes Element», erklärt Andreas Premstaller, Site Head Drug Substance bei Sandoz in Schaftenau, Österreich, «sie bestimmt nicht nur, ob wir das richtige Produkt in grossen Mengen herstellen können, sondern auch wie hoch die Qualität des Produktes ist.»

Kontrollierte Vermehrung

Für Premstaller ist klar, dass diese Zellen gewissermassen soziale Wesen sind. «Man kann nicht einfach einen Milliliter in einen 13 000 Liter grossen Kessel werfen und hoffen, dass die Zellen sich gleichmässig teilen und vermehren.» Sie vermissen ihresgleichen, ihre Kollegen und Nachbarn, und sie brauchen die Gesellschaft von anderen Zellen für ihr Wachstum. Deshalb werden sie für die Anzucht zunächst nur in kleinen Bioreaktoren (Fermentern) vermehrt.

Es dauert jeweils zwei bis drei Tage, bis die Zelldichte in den Fermentern so hoch ist, dass die Zellkultur in das nächstgrössere Gefäss umgefüllt werden kann. So geht es einige Wochen lang weiter, bis zum letzten und grössten Kessel mit 13 000 Litern Inhalt.

Während ihrer Reise benötigen die Zellen ständig Nahrung; sie erhalten deshalb eine Lösung aus sterilem Wasser, Glukose, Salzen und Nährstoffen, eine echte «Kraftbrühe». Wenn es ihnen gut geht und sie sich wohl fühlen, stellen die Zellen bei rund 37  °C – wie im menschlichen Körper – die gewünschten und in Slowenien vorprogrammierten therapeutischen Eiweissverbindungen her.

Pionier und Weltmarktführer

Nach der Produktion wird der Wirkstoff vom übrigen Zellmaterial und von der Nährlösung mittels Filtration getrennt und in mehreren Prozessschritten weiter gereinigt, bevor er dann im Bereich Drug Product den letzten Produktionsschritt durchläuft. Das steril filtrierte Biosimilar wird dann beispielsweise in Fertigspritzen und Autoinjektoren zur Behandlung von rheumatoider Arthritis oder Schuppenflechte gefüllt. Für die Krebstherapie kommen die Biosimilars meist in Vials, da sie im Zuge einer Krebsbehandlung als Infusion verabreicht werden.

Mittlerweile hat die Generikadivision von Novartis bereits fünf Biosimilars in verschiedenen Anwendungsgebieten auf dem europäischen Markt eingeführt, was mehr ist als bei jedem anderen Unternehmen. Und in der Pipeline warten weitere Biosimilars im Bereich der Onkologie und Immunologie auf ihre Zulassung. Da Sandoz zusätzlich zu den Biosimilars auch mehr als 50 generische Krebsmedikamente herstellt, ist das Unternehmen die klare Nummer 1 der globalen Krebsgenerika-Produzenten.

icon