Solarpaneele und Dachbegrünungen gehören heute zum Standard auf vielen Gebäuden des Novartis Campus.
Publiziert am 17/05/2022
Wenn die Züge der transsibirischen Eisenbahn gemächlich durch den im Jugendstil erbauten Moskauer Jaroslawl-Bahnhof rollen, scheint die Zeit stillzustehen. Angetrieben von einer riesigen Elektrolokomotive und in den russischen Nationalfarben Weiss, Blau und Rot lackiert, wecken die Waggons sowjetischer Bauart ein Gefühl von Nostalgie und ungezügelter Abenteuerlust.
Die längste Eisenbahnlinie der Welt, die bereits 1916 vollendet wurde, zieht nicht nur Reisefreudige aus aller Welt in ihren Bann. Auf der über 9000 Kilometer langen Strecke, die von Moskau quer durch das unwegsame Sibirien bis nach Wladiwostok an der Pazifikküste führt, verkehren auch Güterzüge, denen eine zentrale Rolle im grenzüberschreitenden Handel zukommt.
In den Wirren der 1990er-Jahre verlor die Transsib, wie sie auch genannt wird, zunehmend an Bedeutung, als das Land von einer schweren Wirtschaftskrise heimgesucht wurde. Doch mit dem Aufschwung Chinas zur Weltwirtschaftsmacht und der vollständigen Elektrifizierung der Strecke im Jahr 2002 entwickelte sich die Bahn zu einem der wichtigsten und meistbefahrenen Handelswege der Welt. Immer mehr Frachtgut aus dem Fernen Osten wird heute über die Transsib nach Europa befördert, ebenso wie wertvolle Rohstoffe, die in Sibirien abgebaut und überall in die Welt exportiert werden. Auch die Stahlträger, die im Pavillon verbaut wurden, gelangten mit der Transsib und per Schiff nach Basel.
Keine Abkürzungen
Der Bau des Pavillons fiel in eine Zeit, in der die Coronapandemie die globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten herausforderte wie nie zuvor. Diese Krisenlage verschärfte sich weiter, als der Riesenfrachter «Ever Given» im März 2020 an der Uferböschung des Suezkanals auf Grund lief. Auch die Baubranche blieb von diesen Entwicklungen nicht verschont, wie Reto Gisiger, Leiter des Pavillon-Bauprojekts, am eigenen Leib erfuhr. Zwar musste er in seiner langjährigen Karriere immer wieder schwierige Situationen bewältigen. Aber die Pandemie war einzigartig.
«Es war eine anstrengende Zeit, da wir mit grossen Beschaffungsproblemen zu kämpfen hatten», erinnert sich Gisiger, der abgesehen vom Pavillon schon den Bau mehrerer Campus-Gebäude mitverantwortet hatte. «Insbesondere die Stahlknappheit machte uns zu schaffen, da die Produktionskapazitäten nachfragebedingt deutlich heruntergefahren wurden.»
Das anspruchsvolle Bauvorhaben unter diesen Umständen innerhalb der gesetzten Frist zu realisieren, war alles andere als einfach. Doch der Ingenieur gab nicht auf und wies sein Team an, die Suche nach dem dringend benötigten Werkstoff zu intensivieren, um die Arbeiten voranzutreiben.
Schliesslich wurden Gisiger und sein Team in China fündig, dem grössten Stahlproduzenten der Welt. Doch sie konnten noch lange nicht aufatmen, denn schon bald tat sich ein weiteres Hindernis auf: Containerstaus und verstopfte Häfen – massgeblich bedingt durch das Unglück im Suezkanal – sorgten für eine erhebliche Verlangsamung der maritimen Logistik und schlossen somit eine termingerechte Lieferung des Stahls über den Seeweg aus.
«Angesichts der Lage waren wir gezwungen, über den Tellerrand hinauszuschauen und nach alternativen Transportmöglichkeiten zu suchen», erklärt Gisiger. «Jemand aus dem Team griff zunächst die Idee auf, die Stahlträger über den schnellen Luftweg in die Schweiz zu befördern. Da habe ich den Stecker gezogen.»
Gisiger bestand auf einer nachhaltigen Lösung mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Daraufhin entschloss sich das Team, die Möglichkeit einer Lieferung per Bahn zu sondieren, was die transportbedingten CO2-Emissionen gegenüber Luftfracht um den Faktor zehn verringern würde.
Kaum hatte Gisigers Team ein Logistikunternehmen beauftragt, den Schienentransport zu organisieren, rollten bereits die ersten Güterzüge mit der langersehnten Fracht – zunächst quer durch die mongolische Steppenlandschaft und das sibirische Tiefland – nach Europa, um dann in Deutschland auf rheinaufwärts fahrende Schiffe umgeschlagen zu werden.
«Auch unter Zeitdruck gilt es, am Prinzip der Nachhaltigkeit festzuhalten und die Umwelt nicht aus den Augen zu verlieren», so Gisiger. «Selbst wenn die CO2-Einsparung durch unseren Umstieg auf die Schienenfracht im Verhältnis zu den gesamten Treibhausgasemissionen von Novartis relativ klein ist, haben wir es trotzdem geschafft, eine Signalwirkung für die gesamte Branche zu erzielen und uns auf dem Weg zur Klimaneutralität ein Stück fortzubewegen.»