Grüner Ansatz
00

Mit Transsib und Schiff zum Klimaziel

Um seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und sich für die Umweltherausforderungen der Zukunft zu rüsten, setzt Novartis auf energieeffiziente und emissionsarme Gebäudekonzepte. Diese kommen auch beim Pavillon zum Tragen.

Text von Egecan Hüsemoglu, lllustration von Philip Bürli

scroll-down
Home
en
de
zh
jp
Share
Share icon
content-image
Enter fullscreen

Solarpaneele und Dachbegrünungen gehören heute zum Standard auf vielen Gebäuden des Novartis Campus.

Publiziert am 17/05/2022

Wenn die Züge der transsibirischen Eisenbahn gemächlich durch den im Jugendstil erbauten Moskauer Jaroslawl-Bahnhof rollen, scheint die Zeit stillzustehen. Angetrieben von einer riesigen Elektrolokomotive und in den russischen Nationalfarben Weiss, Blau und Rot lackiert, wecken die Waggons sowjetischer Bauart ein Gefühl von Nostalgie und ungezügelter Abenteuerlust.

Die längste Eisenbahnlinie der Welt, die bereits 1916 vollendet wurde, zieht nicht nur Reisefreudige aus aller Welt in ihren Bann. Auf der über 9000 Kilometer langen Strecke, die von Moskau quer durch das unwegsame Sibirien bis nach Wladiwostok an der Pazifikküste führt, verkehren auch Güterzüge, denen eine zentrale Rolle im grenzüberschreitenden Handel zukommt.

In den Wirren der 1990er-Jahre verlor die Transsib, wie sie auch genannt wird, zunehmend an Bedeutung, als das Land von einer schweren Wirtschaftskrise heimgesucht wurde. Doch mit dem Aufschwung Chinas zur Weltwirtschaftsmacht und der vollständigen Elektrifizierung der Strecke im Jahr 2002 entwickelte sich die Bahn zu einem der wichtigsten und meistbefahrenen Handelswege der Welt. Immer mehr Frachtgut aus dem Fernen Osten wird heute über die Transsib nach Europa befördert, ebenso wie wertvolle Rohstoffe, die in Sibirien abgebaut und überall in die Welt exportiert werden. Auch die Stahlträger, die im Pavillon verbaut wurden, gelangten mit der Transsib und per Schiff nach Basel.

Keine Abkürzungen

Der Bau des Pavillons fiel in eine Zeit, in der die Coronapandemie die globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten herausforderte wie nie zuvor. Diese Krisenlage verschärfte sich weiter, als der Riesenfrachter «Ever Given» im März 2020 an der Uferböschung des Suezkanals auf Grund lief. Auch die Baubranche blieb von diesen Entwicklungen nicht verschont, wie Reto Gisiger, Leiter des Pavillon-Bauprojekts, am eigenen Leib erfuhr. Zwar musste er in seiner langjährigen Karriere immer wieder schwierige Situationen bewältigen. Aber die Pandemie war einzigartig.

«Es war eine anstrengende Zeit, da wir mit grossen Beschaffungsproblemen zu kämpfen hatten», erinnert sich Gisiger, der abgesehen vom Pavillon schon den Bau mehrerer Campus-Gebäude mitverantwortet hatte. «Insbesondere die Stahlknappheit machte uns zu schaffen, da die Produktionskapazitäten nachfragebedingt deutlich heruntergefahren wurden.»

Das anspruchsvolle Bauvorhaben unter diesen Umständen innerhalb der gesetzten Frist zu realisieren, war alles andere als einfach. Doch der Ingenieur gab nicht auf und wies sein Team an, die Suche nach dem dringend benötigten Werkstoff zu intensivieren, um die Arbeiten voranzutreiben.

Schliesslich wurden Gisiger und sein Team in China fündig, dem grössten Stahlproduzenten der Welt. Doch sie konnten noch lange nicht aufatmen, denn schon bald tat sich ein weiteres Hindernis auf: Containerstaus und verstopfte Häfen – massgeblich bedingt durch das Unglück im Suezkanal – sorgten für eine erhebliche Verlangsamung der maritimen Logistik und schlossen somit eine termingerechte Lieferung des Stahls über den Seeweg aus.

«Angesichts der Lage waren wir gezwungen, über den Tellerrand hinauszuschauen und nach alternativen Transportmöglichkeiten zu suchen», erklärt Gisiger. «Jemand aus dem Team griff zunächst die Idee auf, die Stahlträger über den schnellen Luftweg in die Schweiz zu befördern. Da habe ich den Stecker gezogen.»

Gisiger bestand auf einer nachhaltigen Lösung mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Daraufhin entschloss sich das Team, die Möglichkeit einer Lieferung per Bahn zu sondieren, was die transportbedingten CO2-Emissionen gegenüber Luftfracht um den Faktor zehn verringern würde.

Kaum hatte Gisigers Team ein Logistikunternehmen beauftragt, den Schienentransport zu organisieren, rollten bereits die ersten Güterzüge mit der langersehnten Fracht – zunächst quer durch die mongolische Steppenlandschaft und das sibirische Tiefland – nach Europa, um dann in Deutschland auf rheinaufwärts fahrende Schiffe umgeschlagen zu werden.

«Auch unter Zeitdruck gilt es, am Prinzip der Nachhaltigkeit festzuhalten und die Umwelt nicht aus den Augen zu verlieren», so Gisiger. «Selbst wenn die CO2-Einsparung durch unseren Umstieg auf die Schienenfracht im Verhältnis zu den gesamten Treibhausgasemissionen von Novartis relativ klein ist, haben wir es trotzdem geschafft, eine Signalwirkung für die gesamte Branche zu erzielen und uns auf dem Weg zur Klimaneutralität ein Stück fortzubewegen.»

content-image
Enter fullscreen

Erdsonden-Bohrungen beim Bau des Gebäudes an der Fabrikstrasse 18.

Grü­ner An­satz

Das Beharren von Gisiger kommt nicht von ungefähr. In den vergangenen Jahren hat Novartis zum Erreichen ihrer Klimaziele und zur Reduktion des Kohlenstoffausstosses weltweit eine Reihe von Massnahmen initiiert. Dazu gehören Investitionen in Solar- und Windkraftanlagen, Kohlenstoffsenken und ein schonender Umgang mit den Ressourcen. Diese sollen Novartis helfen, bis 2030 vollständig CO2-, wasser- und plastikneutral zu operieren.

Zur Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens gehört neben der Optimierung bestehender Anlagen auch das Errichten umweltfreundlicher Bauten und Gebäudekomplexe. Während bereits zum Baubeginn des Novartis Campus in Basel vor rund 20 Jahren darauf geachtet wurde, alle Gebäude so energieeffizient wie möglich zu gestalten, wurden die Standards im Laufe der Zeit immer weiter erhöht, auch ausserhalb der Schweiz.

So erhielt beispielsweise die 2016 fertiggestellte Novartis Knowledge City in Hyderabad von der unabhängigen Ratingorganisation «India Green Building Council» die Nachhaltigkeitsstufe LEED-Platinum, was dem höchsten international etablierten Nachhaltigkeitsstandard entspricht. Weitere Neubauten und Komplexe wurden mit ähnlich hohen Auszeichnungen bedacht, etwa der Novartis-Forschungscampus in Cambridge, Massachusetts, sowie weitere Gebäude in China, Mexiko und Kolumbien.

«Als eines der nachhaltigsten Gebäude von Novartis fügt sich der Pavillon in unser langjähriges Engagement für das Klima und die Umwelt ein», sagt Irina Stefanova, globale Leiterin Real Estate and Facility Services von Novartis. «Wir sind bestrebt, Nachhaltigkeit als Norm in der Branche zu etablieren und andere zur Nachahmung anzuregen. Als Ort des Dialogs und Austauschs kommt dem Pavillon dabei eine Schlüsselrolle zu. Wir wollen zeigen, dass wir es mit diesem wichtigen Thema unserer Zeit ernst meinen – denn menschliche und planetare Gesundheit sind unzertrennbar miteinander verbunden.»

«Dabei», so Stefanova, «geht es aber nicht nur um die Umsetzung hoher Standards, sondern auch darum, in schwierigen Zeiten Farbe zu bekennen und auch unbequeme Entscheidungen zu treffen.»

Dazu gehört beispielsweise der Entschluss von Novartis, das Areal der ehemaligen Lindan-Fabrik Ugine-Kuhlmann im französischen Hüningen von chemischen Rückständen zu befreien, auch wenn weder Novartis noch eines ihrer Vorgängerunternehmen die Verschmutzung verursacht hat. Zudem hat Novartis jüngst in Indien ein Projekt in Angriff genommen, bei dem versucht wird, mit neuen Technologien den Wasserverbrauch auf nachhaltige Art über natürliche Wassereinzugsgebiete zu regulieren.

«Zum Erreichen der von Novartis erklärten Nachhaltigkeitsziele bedarf es, neben der gezielten Zusammenarbeit mit Part­nern aus Wissenschaft, Industrie und Politik, einer langfristig angelegten Strategie», so Stefanova. «Manchmal braucht es aber auch Mut und die Eigenschaft, für die eigenen Werte einzustehen, genauso wie Innovationsgeist», fügt sie hinzu.

Klare Prinzipien

Beim Bau des Pavillons kamen all diese Eigenschaften zum Tragen. Neben der Nullenergie-Medienfassade, die aus organischen Photovoltaikzellen und LED-Leuchten besteht, setzte man auch im Innenbereich auf innovative und nachhaltige Material­lösungen. So wurden die Wände mit einem wasserbasierten und lösungsmittelfreien Speziallack beschichtet, um den Schutz der Umwelt und der Gesundheit zu gewährleisten.

Auch das Lüftungskonzept wurde auf die Anforderungen des nachhaltigen Bauens zugeschnitten. So befördert eine automatisierte Anlage die verbrauchte Luft nach draussen und frische, gefilterte Luft in die Innenräume und sorgt damit für einen ständigen Luftwechsel, ohne viel Energie zu verbrauchen. Die kontinuierliche Frischluftzufuhr erfolgt bei guten Wetterbedingungen durch die partielle Öffnung des Gebäudedachs.

Ein weiteres energietechnisches Merkmal des Pavillons ist der Geothermiespeicher, der eine saisonale Wärmespeicherung erlaubt. Über wasserführende Sonden, die bis zu 120 Meter tief in die Erde reichen, wird die im Sommer anfallende Wärmeenergie des Gebäudes im Boden wie in einer Art Batterie gehalten, um dann im Winter benutzt zu werden. Die Technologie, die auch bei anderen Gebäuden auf dem Campus eingesetzt wird, erlaubt ein sehr umweltfreundliches Energie- und Wärmemanagement.

«Durch den Einsatz innovativster Techniken haben wir versucht, den CO2-Fuss­abdruck so niedrig wie möglich zu halten», unterstreicht Gisiger. «Nachhaltigkeit bedeutet aber auch, dass man bewusst auf energieaufwendige Systeme verzichtet. Wir haben beispielsweise die Türen klein gehalten, sodass sie ohne Hilfsmotor auskommen und dadurch weder Strom benötigen noch teuer im Unterhalt sind.»

Der Bau des Pavillons wurde durch die vielen Innovationen und energietechnischen Details zwar nicht einfacher. «Aber», so Gisiger, «der Aufwand wird sich vor allem in Zukunft als grosser Vorteil erweisen, weil wir den Energieverbrauch und somit auch die Energiekosten so auf ein Minimum beschränken können. Die Pandemie hat uns einige Steine in den Weg gelegt. Aber ich bin stolz darauf, dass wir sie nicht als Ausrede dafür benutzt haben, von unseren Prinzipien abzukehren.»

icon

Home
en
de
zh
jp
Share
Share icon