Live. Magazine

Stärkung des Gesundheitssystems
Ein echtes Revival.
Zurück auf der Bühne
Michael Williams hatte drei Schlaganfälle, litt unter starken Rückenschmerzen, musste am Hals operiert werden und war kaum in der Lage, seine Hand zu bewegen, geschweige denn, seinen Lebensunterhalt als Musiker zu verdienen. Ohne das Herzgesundheitsprogramm E3 (Engage, Empower, Evaluate) des Rush, das von Novartis gefördert wird, hätte er vielleicht nie wieder eine Bühne betreten.
Text von Goran Mijuk, Fotos von Ashley Gilbertson und Laurids Jensen, Videos von Elia Lyssy und Laurids Jensen.
Auf den Anblick von Michael Williams war ich nicht vorbereitet.
Bei unserem Vorbereitungsgespräch im Frühjahr 2024 konnte ich das meiste von dem, was er sagte, nur mit Mühe verstehen. Natürlich gab es ein technisches Problem, denn Traci Simmons, Community Health and Engagement Director des Rush, musste ihn auf seinem Telefon anrufen und uns über Teams verbinden, da Williams keinen Computer hatte.
Alles, was ich verstand, war, dass er Herzpatient war – der Rest war nahezu unverständlich, was ich auf seine Krankheit und sein hohes Alter zurückführte. Erst am Ende unseres Gesprächs erwähnte er, er habe 20 Gitarren, was mich sofort faszinierte.
Dennoch hinterliess unser Gespräch bei mir den Eindruck, ich habe mit einem geschwächten 70-jährigen Mann gesprochen, der mehrere Schlaganfälle erlitten hatte, wodurch eine seiner Hände fast gelähmt war. Nacken- und Rückenprobleme hatten sein Leben zusätzlich belastet.
Als wir dann in Chicago ankamen und bei ihm klingelten, fragte ich mich, wer mich empfangen würde. Nicht einmal in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir ein Händeschütteln mit einem lokalen Musikhelden vorstellen können, der unter dem Künstlernamen Guitar Mike auftritt.
Michael Williams, alias Guitar Mike, hat etwa 20 Gitarren zu Hause und ein kleines Studio, in dem er neue Songs aufnimmt.

B. B. King
In einem weissen Bühnen-Outfit und mit einem weissen Lederhut wie ein echter Rock-’n’-Roll-Star empfing er uns mit einem breiten Lächeln im Gesicht und liess uns in seine Wohnung im zweiten Stock eines Reihenhauses im Zentrum der West Side von Chicago eintreten.
Die 20 Gitarren, von denen er erzählt hatte, standen fein säuberlich sortiert an der Wand des Wohnzimmers, neben einem Ministudio, wo er gerade neue Tapes aufnahm, die er zur Vorbereitung seiner nächsten Auftritte verschicken würde.
An der Wand hingen Bilder von B. B. King, Michael Jacksons Bruder Tito und anderen Musikgrössen – alles Leute, die Guitar Mike kannte und mit denen er früher gemeinsam auf der Bühne stand, als er noch regelmässig auf Tour war und überall in den USA Auftritte hatte.
Wir waren sprachlos. Anfang des Jahres, etwa zu der Zeit, als ich mein kurzes Gespräch mit ihm führte, hatte Williams so starke Nacken- und Rückenschmerzen, dass die Gesundheitshelferin Jasmine Martinez, die ihn im Rahmen des Herzgesundheitsprogramms E3 des Rush University System for Health überwacht, sich Sorgen um ihn machte.
«Er war wirklich in einem schlechten Zustand», erzählt Martinez. «Dass er sich so schnell erholt hat, grenzt an ein Wunder, ist aber auch der Therapie zu verdanken, die er vom Rush erhält, und der Fernüberwachung.»
Williams formuliert es so: «Ich war zwei Monate lang gebückt wie ein Hundertjähriger und hatte Rückenschmerzen. Ich konnte nicht sitzen, mich nicht hinlegen und keine Gitarre spielen. Ich weinte und zitterte vor lauter Schmerzen. Jetzt freue ich mich darauf, wieder Gitarre spielen zu können.»
Michael Williams erzählt, wie er nach seinem Schlaganfall Mühe hatte, seine Hand wieder zu bewegen.
Rush ’n’ Roll
Als er eine seiner Gitarren in die Hand nahm und anfing, für uns zu spielen – darunter auch seinen grössten Hit Don’t Step on My Shoes, den sogar B. B. King gelobt hatte –, erzählte er uns von seinem Leidensweg und wie er all die Rückschläge, die er in den Jahren zuvor erlebt hatte, überwinden konnte.
«Als ich vor einigen Jahren meinen ersten Schlaganfall hatte, stieg mein Blutdruck auf 260», erinnert sich Williams. «Ich versuchte, ein Blatt Papier in die Hand zu nehmen, und merkte, dass ich meine Hand nicht bewegen konnte.» Es folgten zwei weitere Schlaganfälle, und ein Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule verschlimmerte seine Probleme.
Michael Williams hatte drei Schlaganfälle und musste sich mehreren Operationen unterziehen. Seine Kollegen bezeichnen ihn scherzhaft als «bionischen Mann». Für Michael Williams zählt nur, dass er am Leben ist.
«Ich hatte drei Schlaganfälle, Kniegelenksersatz-Operationen und mehrere Operationen an meinem Hals, mit Schrauben und Klammern», erzählt uns Williams. «Die Leute sagen, ich sei ein bionischer Mann. Aber ich bin einfach froh, dass ich noch da bin.»
Erst als er in das E3-Programm des Rush aufgenommen wurde und eine Physiotherapie für seine gelähmte Hand erhielt, ging es langsam wieder bergauf. Aber es war trotzdem ein harter Kampf. «Anfangs versuchte ich, einen Schlüssel zu nehmen und eine Tür zu öffnen, aber mit dieser Hand habe ich es nicht geschafft. Sie versagte einfach», erinnert er sich.
«Die Ärzte haben mich immer wieder gefragt: ‹Was würde Sie glücklich machen?› Ich sagte: ‹Einfach wieder Gitarre zu spielen.› Ich konnte das Kreuz, das sie auf den Tisch gelegt hatten, nicht in die Hand nehmen, aber ich versuchte es immer wieder», sagt Williams und erinnert sich an die Zeit unmittelbar nach seinen Schlaganfällen.
«Die Ärzte haben mich immer wieder gefragt: ‹Was würde Sie glücklich machen?› Ich sagte: ‹Einfach wieder Gitarre zu spielen.›
Michael Williams

Aber er gab nicht auf: «Einige meiner Musikerfreunde dachten, ich würde es nicht schaffen, aber ich habe nie aufgegeben», betont er. «Die Ärzte sagten mir, ich solle mich ausruhen, aber ich griff zu meiner Gitarre. Durch das Gitarrespielen fühlte ich mich wieder lebendig.»
Die Gitarre und seine Liebe zur Musik waren sein Antrieb: «Sie haben mich dazu gebracht, noch mehr zu kämpfen. Meine Gitarre hat mir auch geholfen, mehr Therapien zu bekommen. Auch wenn ich mit dieser Hand sehr wenig machen kann, kann ich sie doch bewegen, wenn ich die Nervosität unterdrücke», erläutert er.
Michael Williams teilt sich seine Wohnung mit mehreren Tauben.

Konzert
«Mein Leben ist immer noch das eines Musikers», sagt Williams. «Ich kann meine Finger bewegen, nicht zu 100 Prozent, aber gut genug, um weiter Gitarre zu spielen. Ich wollte einfach nur einen Song spielen, und das habe ich dann auch getan», fügt Williams hinzu und erklärt, wie er sich bemühte, die Kontrolle über sein Leben wiederzuerlangen.
So konnte er nicht nur neue Songs in seinem Studio aufnehmen, sondern auch wieder auf der Bühne stehen und mit seinen Freunden auftreten. «Jeden Tag ruft mich ein Musiker an: ‹Los, spiel, los, komm auf die Bühne, los, mach bei einem Video mit, los, mach bei einem Film mit.› Das passiert ständig», sagt er.
An dem Tag, an dem wir Williams trafen, war er eingeladen, bei einem Konzert in Indiana vor mehreren tausend Menschen aufzutreten. Wegen einiger Missverständnisse zwischen den Organisatoren und seinen Managern kam es allerdings nicht dazu.
Wir hatten jedoch noch die Chance, ihn im «50 Yard Line», einem Musikclub in der South Side von Chicago, zu sehen, wo er einige Tage später einen Auftritt hatte. Die 150 Gäste in der überfüllten Bar jubelten Guitar Mike auf der Bühne zu. Für ihn war es fast wie in alten Zeiten.
«Wenn ich Musik mache, ist das wie Therapie», sagte Williams nach dem Konzert völlig verschwitzt und sichtlich erschöpft, aber glücklich. Zusammen mit seinem Manager verliess er den Club, um ein weiteres Konzert zu geben, und blickte unabhängig von seinem Gesundheitszustand und Alter optimistisch in die Zukunft.
Dankbarkeit
Als ich ihn an jenem Abend auf der Bühne beobachtete, sah ich ihn in einem anderen Licht, auch wenn er nur zwei Songs spielte, und mir wurde klar, dass diese scheinbar alltägliche Musikperformance mit etwas viel Grösserem in Zusammenhang stand, das für den Rest des Publikums nicht sichtbar war.
Auf der Bühne zu stehen, bedeutet für Michael Williams, am Leben zu sein.

Ohne das Rush und das E3-Programm von Novartis, die dafür sorgen, dass Williams regelmässige Kontrollanrufe erhält und an die Einnahme seiner Medikamente erinnert wird, und ohne das Betreuungsteam, das seinen Fall bespricht und ihn begleitet, wäre er vielleicht nie im «50 Yard Line» aufgetreten.
Er wäre wohl zu Hause gewesen, oder schlimmer noch, gestorben, weil sich niemand um ihn gekümmert hätte. Williams hätte leicht ein weiterer Datenpunkt in einer düsteren Statistik werden können, die die durchschnittliche Lebenserwartung der Bewohner der West Side von Chicago auf unter 70 Jahre beziffert.
Doch dank der Bemühungen von David Ansell und der Unterstützung des Rush sowie von Unternehmenssponsoren wie Novartis hatte Williams die Chance, weiterhin das zu tun, was er am meisten liebt und was ihm am wichtigsten ist.
Michael Williams zog das Publikum im «50 Yard Line» in seinen Bann.
Während medizinische Fachkräfte von sozialen Determinanten der Gesundheit sprechen, die das Leben von Menschen wie Michael Williams gefährden, läuft es für Williams selbst auf Dankbarkeit hinaus: «Ich danke den Ärzten für die Hoffnung und ich danke meinen Fans für ihre Gebete, ich habe nie aufgegeben. Ich bin jetzt glücklich, nehme Alben auf und bereite mich auf ein Musikvideo vor. Das Leben beginnt sich wieder gut anzufühlen.»
Ansell war zwar nicht dabei, aber Quintonele Allen alias Q, wie sie von Freunden und ihrer Familie genannt wird, kam auf einen späten Drink mit uns und für ein Treffen mit Guitar Mike vorbei. Für sie, wie für viele der Pflegekräfte und Gesundheitshelferinnen des Rush, sollte die Gesundheitsversorgung die Menschen dazu bringen, nach Glück zu streben.
Guitar Mike auf der Bühne. Er trat auf, als wäre nichts geschehen.

Diese zutiefst amerikanische Einstellung ist die Grundlage für Ansells sozialmedizinische Vision, die nicht nur in Chicagos West Side Realität wird, sondern auch anderen Städten des Landes als Vorbild dient.
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Stärkung des Gesundheitssystems
8. Zurück auf der Bühne
Das Wiederaufleben von Guitar Mike.
Epilog: Eine Erfolgsmeldung
E3 ist bereit Chicago zu verändern.
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