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Umgang mit Abfällen

Mit der Abfallentsorgung nahm man es früher nicht so genau. Dies änderte sich erst ab den 1950er-Jahren. Seit dieser Zeit werden chemische Abfälle nicht nur entsorgt, sondern es wird darüber genau Buch geführt. Dies kommt auch den neuen Eigentümern  des Klybeck zugute.

Text von Patrick Tschan und Goran Mijuk, Fotos von Adriano A. Biondo

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Publiziert am 06/09/2021

Alexander Clavel und seine Seidenfärberei wurden aus dem Stadtbann vertrieben, weil die Produktion und ihre Abfälle zum Himmel stanken. Also verlegte er sein Unternehmen 1864 ins Klybeck, das damals weit ausserhalb der Stadtmauern lag.

Nur kurze Zeit später wurden die Stadtmauern abgerissen, Basel  begann, rasant zu wachsen: von knapp über 40’000 Einwohnern zu  Clavels Gründerzeit bis auf weit über 100’000 im Jahr 1900. Die auf  Clavel zurückgehende Chemische Industrie Basel, die Ciba, erhielt ab der Jahrhundertwende nach und nach wieder naserümpfende Nachbarn.

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts hatte die zunehmend wachsende Nachbarschaft auch allen Grund, die Nase zu rümpfen. Die Abfälle  wurden so entsorgt, dass uns hundert Jahre später noch die Haare zu  Berge stehen. Der einzige aus heutiger Sicht vernünftige Weg war der Bau von Hochkaminen, die lange zum Stadtbild Basels gehörten.

Müllkippe Rhein

«Man muss wissen, dass man jahrzehntelang die Abfälle der chemischen Industrie einfach in den Rhein gekippt hat», schildert Paul Svoboda,  Leiter der Abteilung Gewässer und Boden im Departement Wirtschaft,  Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt, den damals üblichen Umgang mit Industrieabfällen.

«Dies war die einfachste und billigste Lösung. Die Behörden haben am Rheinweg, an der Dreirosen- und an der Elsässerstrasse sogar drei Rampen gebaut, um diese Abfälle in den Rhein schütten zu können.  Anfang des 20. Jahrhunderts hat man dann zusätzlich noch eine Fähre in Betrieb genommen, um die Abfälle direkt in die Mitte des Rheins einzuleiten und sie so besser zu verteilen», ergänzt Svoboda.

Diese Art der behördlich bewilligten Abfallentsorgung führte dazu, dass sich die Lebensgrundlage der Rheinfischer an der Wiesemündung mehr und mehr verschlechterte, da die Fische unter der Verunreinigung litten und die Erträge entsprechend zurückgingen.

Das Problem wurde zunächst mit etwa vierzig Meter in den Rhein hineinreichenden Abwasserrohrleitungen und später mit dem Abkauf der Fischereipacht von den Fischern durch die chemische Industrie  «gelöst». Die letzte Pacht dürfte 1951 an den ehemaligen Fischer Bürgin bezahlt worden sein.

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«In den 1950er-Jahren hat man ein neues Gewässerschutzgesetz eingeführt, mit dem unterbunden wurde, dass Abfälle einfach in den Rhein gekippt wurden. Daraufhin wich die Industrie vermehrt auf Deponien aus, die – wie wir heute wissen – andere Probleme mit sich brachten. Direkt auf dem Werkareal hatte man kaum etwas gelagert. Es gab keine grossen Abfallhalden, wie manche Leute hie und da meinen. Das war nicht der Fall», erklärt Paul Svoboda.

Doch ganz ohne Verunreinigungen ging es auch im Klybeck nicht. «Es ist klar», sagt Svoboda, «dass über hundert Jahre Produktion an diesem Industriestandort Spuren hinterlassen haben. Wir wissen zwar viel über das Areal, aber nicht alles. Vielleicht hat es Unfälle gegeben in den 1920er- und 1930er-Jahren, die nirgends dokumentiert sind.»

«Bei Bauarbeiten im Untergrund ist deshalb auch heute noch mit Überraschungen zu rechnen. Auch die vielen Bohrungen sind bloss  Momentaufnahmen. Am Standort der Bohrung ist der Untergrund möglicherweise in Ordnung, zehn Meter weiter kann aber durchaus eine  Bodenbelastung zum Vorschein kommen», führt Svoboda aus.

Genaue Buchführung

Die detaillierte Dokumentation der Geschehnisse auf dem Klybeckgelände seit den 1960er-Jahren hat auch die neuen Eigentümer überzeugt. Bis auf zwei Standorte, an denen sich nachweislich Unfälle zugetragen haben, ist die Belastung des Untergrunds auf dem Industrieareal  Klybeck mehrheitlich bekannt.

Für die beiden kontaminierten Arealteile stehen Novartis und BASF in der Verantwortung. Sie müssen die Sanierung oder Überwachung durchführen und die Kosten dafür tragen. Im Fall von Novartis wird der Chlorbenzolschaden seit 1990 saniert, und die Chlorbenzole werden aus dem Untergrund gepumpt.

Sollten weitere Verunreinigungen auftauchen, geht deren Sanierung zulasten der beiden Käufer aus dem Jahr 2019: Swiss Life und Rhystadt verfügten beim Zeitpunkt des Verkaufs über alle damals bekannten Daten zu möglichen Belastungen und Risiken auf dem Klybeckareal.

Kommt es bei künftigen Bautätigkeiten dennoch zu unliebsamen Überraschungen, ist das Vorgehen klar geregelt, damit Mensch und Umwelt nicht gefährdet werden: Das belastete Material muss fachgerecht ausgehoben und entsorgt werden.

Dabei ist auch sicherzustellen, dass für die Bevölkerung von der Baustelle keine übermässigen Belastungen wie Geruch-, Staub- oder Lärmemissionen ausgehen. Sämtliche ergriffenen Massnahmen werden von den Vollzugsbehörden eng begleitet und kontrolliert. Der korrekte Aushub, die Entsorgung der Belastungen und das Auffüllen mit sauberem Material sorgen dafür, dass künftige Bewohner und Nutzer des Areals sicher sind.

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Viele der künftigen Bewohner werden in einem Hochhaus wohnen und keinen Eindruck mehr davon haben, dass man schon vor hundert Jahren im Klybeck elegant in die Höhe baute. Zwar nicht, um die beste Sicht auf die Rheinebene und das benachbarte Elsass zu geniessen, sondern vor allem, um mit Hochkaminen Dampf und üble Gerüche der Industrie loszuwerden.

Einer dieser Hochkamine, lange das Wahrzeichen des Klybeck, war mit einer Höhe von hundertzwanzig Metern für mehrere Jahre das höchste Bauwerk der Schweiz. Er wurde 1956 hochgezogen, und der Wind verteilte Abgase und Dämpfe der Chemie in alle Himmelsrichtungen, hoch über die Köpfe der wegen des typischen, nach süsser Säure riechenden Basler Parfums naserümpfenden Bürgerinnen und Bürger hinweg.

Der Hochkamin wurde durch eine neue Luftreinhalteverordnung obsolet und in den 1990er-Jahren stillgelegt. Als Anfang des 21. Jahrhunderts der geplante Abriss des Kamins bekannt wurde, intervenierte der Heimatschutz und verlangte, den Turm in das Denkmalschutzverzeichnis aufzunehmen.

Der Regierungsrat antwortete allerdings mit einem abschlägigen Bescheid: «Der Umstand, dass eine künftige Nutzung des Hochkamins durch die Eigentümerin gänzlich ausgeschlossen werden muss, sowie die Kosten für Sanierung und Unterhalt in der Höhe von mehreren Millionen Franken, an welchen sich der Kanton Basel-Stadt im Falle einer Unterschutzstellung aller Voraussicht nach würde beteiligen müssen, würden in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen für die Öffentlichkeit stehen.»

So wurde 2003 die eindrückliche Landmarke des Klybeck abgerissen. Die neuen Bewohner dürfte das nur wenig stören, würde der Hochkamin ihnen doch die schöne Aussicht verstellen und sie an den Geruch längst vergangener Zeiten erinnern, was nicht wenigen stinken dürfte …

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